Levinthal-Paradox
Mit dem Levinthal-Paradox beschrieb Cyrus Levinthal das Problem der Molekularbiologie, wie eine Aminosäurekette in kurzer Zeit ihren funktional gefalteten Zustand als Protein findet.
Beschreibung des Problems
Das dahinterstehende kombinatorische Problem ist, dass die Anzahl der möglichen Faltungen eines Proteins mit der Länge der Aminosäurekette exponentiell zunimmt. Selbst wenn jeder Aminosäurerest nur 2 Zustände annehmen könnte, gäbe es bei einer Proteinlänge von n Aminosäuren $ 2^{n} $ mögliche Faltungsvarianten. Würde eine Änderung der Konformation etwa $ 10^{-13} $ Sekunden benötigen, so bräuchte ein 150 Aminosäuren langes Protein $ 2^{150}\cdot 10^{-13}s=1,4\cdot 10^{32}s=4,6\cdot 10^{24}y $ also über $ 10^{24} $ Jahre, um die optimale Konformation zu finden (siehe Zeitkomplexität). Tatsächlich haben Proteine aber oft nur eine Halbwertszeit von wenigen Stunden bis Tagen und die physiologisch gefaltete (native) Form wird meist schnell eingenommen (Sekundenbruchteile bis Minuten). Die Faltung kann also nicht durch ein zufälliges Ausprobieren aller Möglichkeiten erklärt werden. Vielmehr gibt es natürliche Mechanismen, welche die Ausbildung der optimalen Faltung begünstigen.
Bedeutung in der Bioinformatik
Das Problem dieser „kombinatorischen Explosion“ stellt sich auch bei der Simulation oder der Berechnung der Proteinstruktur in silico, also in der Bioinformatik: Was bisher über die Mechanismen der Proteinfaltung bekannt ist, lässt sich noch nicht für die Simulation der Faltung verwenden. Daher müssen bei einer Simulation im Wesentlichen alle möglichen Konformationen berechnet werden. Diejenige mit dem niedrigsten Energiezustand wird ausgewählt.
Bedeutung für die Proteinbildung
Das Levinthal-Paradox ist im Grunde kein wissenschaftliches Problem, sondern wurde formuliert, um die Komplexität der Proteinfaltung pädagogisch zu veranschaulichen.
Das Levinthal-Paradox unterliegt der Annahme, die komplette Aminosäurekette suche ihre physiologische dreidimensionale Form erst, nachdem sie vollständig synthetisiert wurde, unter Ausprobieren einer Unzahl möglicher Konformationen. Tatsächlich nimmt jedes Kettenglied nach Aufnahme in die Sequenz die energetisch günstigste Raumrichtung ein, wofür die Zeit bis zum Anfügen des nächsten ausreichend ist. Benachbarte Sequenzabschnitte falten sich spontan zu kleineren stabilen strukturellen Domänen.
Unterstützende Mechanismen können den Faltungsprozess begleiten, u. a. Faltungshelferproteine, molekulare Chaperone und „Faltungskerne“ (stabile, kleinere Verbände von Strukturelementen, die sich schnell falten und den Rest der Struktur in ein Energieminimum hineinziehen, d. h. die korrekte Struktur „kollabiert“ auf den Faltungskern). Aber auch unphysiologische „Helfer“ können mitmischen, z. B. Prionen.