Holografisches Prinzip

Holografisches Prinzip

Als holografisches Prinzip wird in Theorien der Quantengravitation die Vermutung bezeichnet, dass es zu jeder Beschreibung der Dynamik eines Raum-Zeit-Gebiets eine äquivalente Beschreibung gibt, die nur auf dem Rand dieses Gebiets lokalisiert ist. Dies hat u. a. zur Folge, dass die maximal mögliche Entropie eines Raumgebietes nur von dessen Oberfläche abhängt, nicht vom Volumen. Die Bezeichnung holografisch beruht auf der Analogie zum Hologramm, welches ein dreidimensionales Bild auf einer zweidimensionalen Fotoplatte speichert. Das holografische Prinzip wurde unter anderem von Gerardus ’t Hooft und Leonard Susskind entwickelt.

Das holografische Prinzip bringt zum Ausdruck, dass unter Berücksichtigung der Gravitation der „Informationsgehalt“, d. h. die Anzahl möglicher Anordnungen von Teilchen und Feldern, keine rein lokale Größe sein kann, denn dann wäre er proportional zum Volumen.

Codierung am Ereignishorizont

Ein wichtiges Argument für das holografische Prinzip ist die Entropie Schwarzer Löcher. Der Ereignishorizont, als vom Schwarzschildradius gebildete Grenzfläche des Schwarzen Loches, ist ein direktes Maß für die Entropie oder den Informationsgehalt des eingeschlossenen Raumvolumens und damit der darin enthaltenen Massen. Ein Schwarzes Loch stellt immer die maximal mögliche Materiekonzentration eines Raumgebietes dar und somit auch die Obergrenze an möglicher Entropie oder Information in dem von ihm eingenommenem Raumvolumen (Bekenstein-Grenze).

Das holografische Prinzip postuliert, dass jede Information, die den Ereignishorizont eines Schwarzen Loches überschreitet, auf der vom Schwarzschildradius aufgespannten Grenzfläche vollständig codiert wird, ähnlich einem zweidimensionalen Hologramm, das eine dreidimensionale Bildinformation enthält.

Da der Schwarzschildradius eines Schwarzen Loches lediglich direkt proportional zu dessen Masse ist, wächst das codierbare Volumen mit dem Quadrat der Oberfläche. Um das vierfache Volumen zu codieren ist so lediglich eine Verdoppelung der Grenzfläche vonnöten, oder anders ausgedrückt, die Informationsdichte eines Raumgebietes nimmt mit dessen Volumen ab (wie analog, mit der Größe eines Schwarzen Lochs auch dessen mittlere Massendichte abnimmt). Oder knapper: Information gleich Fläche.[1]

AdS/CFT-Korrespondenz

Ein besonders weit ausgearbeiteter Spezialfall ist die 1997 entdeckte Korrespondenz zwischen Anti-de-Sitter-Raum AdS (engl. Anti-de-Sitter space) und konformer Feldtheorie CFT (engl. Conformal Field Theory). Der Anti-de-Sitter Raum stellt eine mögliche Lösung der einsteinschen Feldgleichungen mit negativer kosmologischer Konstante dar. Konforme Feldtheorien weisen einen besonders hohen Symmetriegrad auf. Als Korrespondenz versteht man eine duale Beschreibung physikalischer Phänomene durch zwei unterschiedliche Theorien.

Ursprünglich wurde die Dualität von Juan Maldacena für eine Type IIB-Stringtheorie (auf einem Produkt aus einem fünfdimensionalen Anti-de-Sitter-Raum und einer 5-Sphäre) auf der einen Seite und einer speziellen konformen Feldtheorie, der N=4 supersymmetrischen Yang-Mills-Theorie (SYM), auf dem vierdimensionalen Rand des AdS-Raums auf der anderen Seite formuliert.

Es existieren inzwischen Verallgemeinerungen dieser Situation und es wird angenommen, dass sich die Vermutung in größerer Allgemeinheit bestätigt, obwohl kein vollständiger mathematischer Beweis der Korrespondenz existiert. Es gibt aber eine große Anzahl von Hinweisen, die sich in Grenzfällen der Korrespondenz ergeben, in denen sich beide Seiten (sowohl die Stringtheorie als auch die konforme Feldtheorie) berechnen lassen.

Anwendungen

Praktische Anwendung findet die Äquivalenz bei der Berechnung der Viskosität eines Quark-Gluonen-Plasmas, eines extrem dichten und heißen Materiezustandes, der einige Sekundenbruchteile nach dem Urknall herrschte und in Teilchenbeschleunigern erzeugt werden kann. So entspricht der quantenchromodynamisch sehr schwer berechenbaren Viskosität im äquivalenten höherdimensionalen Raum eine über die Stringtheorie einfacher zu berechnende Absorption von Gravitationswellen durch ein Schwarzes Loch. Der auf diese Weise bestimmte Wert der Viskosität ist konsistent mit den experimentellen Ergebnissen.[2]

Literatur und Weblinks

Originalarbeiten

  • Erik Verlinde: On the Origin of Gravity and the Laws of Newton, 1001.0785v1
  • Juan M. Maldacena: The Large N Limit of Superconformal Field Theories and Supergravity, hep-th/9711200
  • E. Witten: Anti-de Sitter Space and Holography, Adv.Theor.Math.Phys. 2 (1998) 253-291, online als hep-th/9802150
  • Gerardus ’t Hooft: Dimensional Reduction in Quantum Gravity, 1993, online, The Holographic Principle, online
  • Susskind: The World as a Hologram, Journal of Mathematical Physics, Bd.36, 1995, S.6377, online

Übersichtsartikel:

  • R. Bousso: The holographic principle, Reviews of Modern Physics, Bd. 74, 2002, S. 825–874, online
  • O. Aharony, S.S. Gubser, J. Maldacena, H. Ooguri, Y. Oz: Large N Field Theories, String Theory and Gravity, Physics Reports, Bd. 323, 2000, S.183-386, online als hep-th/9905111

Populärwissenschaftliche Darstellungen

Quellen

  1. Leonard Susskind: Der Krieg um das Schwarze Loch 1. Auflage, ISBN 978-3-518-42205-2, S. 182.
  2. Quark-Ursuppe im Labor simuliert, Spektrum der Wissenschaft, November 2006, S. 42.