Griechisches Feuer

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Griechisches Feuer in der einzigen bekannten zeitgenössischen Darstellung (12. Jh.)
Einsatz eines Handsiphones, welcher griechisches Feuer verschießt

Das Griechische Feuer (griechisch Ὑγρὸν Πύρ Hygròn Pýr, neugriechisch Υγρό Πυρ Igró Pir „flüssiges Feuer“) war eine im byzantinischen Reich seit dem 7. Jahrhundert verwendete militärische Brandwaffe. Der Name griechisches Feuer ist nicht authentisch; von den Byzantinern wurde es Seefeuer oder flüssiges Feuer genannt.

Entwicklung

Die Erfindung der Waffe wird in den Quellen dem griechischen Architekten Kallinikos zugeschrieben, der aus Heliopolis (heute Libanon) vor den Arabern nach Konstantinopel geflohen war. Wahrscheinlich im Jahre 677, oder kurz zuvor, gelang es ihm während eines Krieges mit den Arabern, das System des Griechischen Feuers für die Dromone zu entwickeln. Dies war von entscheidender Bedeutung bei der Abwehr der arabischen Belagerung von Konstantinopel (674–678).

Bereits in der Spätantike waren sowohl auf oströmischer/byzantinischer Seite als auch bei den Gegnern Roms immer wieder ständig weiterentwickelte Brandwaffen zum Einsatz gekommen. So scheinen entsprechende Vorläufer bereits kurz nach 500 unter Kaiser Anastasios I. im Kampf gegen den rebellischen Heermeister Vitalianus eingesetzt worden zu sein. Auf diese Entwicklungen griff Kallinikos zurück. Seine wesentliche Neuerung, die letztlich das Griechische Feuer ausmachte, war der Siphon, in moderner Terminologie eine Art Flammenwerfer. Auch nach Kallinikos setzte sich die Entwicklung weiter fort. So entstanden Handsiphon und Strepton Ende des 9. oder Anfang des 10. Jahrhunderts.

Brandmittel

Die Zusammensetzung des Brandmittels wurde kontinuierlich verbessert. Vermutlich wurde es auch an die unterschiedlichen Waffensysteme angepasst. Es sind daher verschiedene Varianten überliefert, die jedoch alle Erdöl oder Asphalt als Grundlage hatten. Diese Stoffe traten im byzantinischen Reich in der Nähe des Schwarzen Meeres an die Erdoberfläche. Weitere, nicht immer vorhandene Bestandteile waren Baumharz, Schwefel und gebrannter Kalk, ab dem 10. Jahrhundert wahrscheinlich auch Salpeter. Die Details der Herstellung sind jedoch nicht überliefert. Für die häufig angenommene Selbstentzündung des Gemisches im Wasser gibt es keinen Beleg.

Anwendung

Der erste überlieferte Einsatz erfolgte während der von 674 bis 678 dauernden Belagerung von Konstantinopel durch die Araber, wahrscheinlich 677. Die neue Waffe trug offenbar entscheidend dazu bei, dass Byzanz die Angreifer abwehren konnte – trifft dies zu, so hatte sie einen wichtigen Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte, da Konstantinopel auf diese Weise noch über Jahrhunderte als Sperrriegel das Vordringen des Islam nach Europa verhinderte. Das Feuer entwickelte sich schnell zu einer der gefürchtetsten Waffen der mittelalterlichen Welt mit großem psychologischem Effekt.

Zeitgenössischen Berichten zufolge muss der Einsatz von Griechischem Feuer auf den angegriffenen Schiffen ein unbeschreibliches Inferno verursacht haben. Der Einsatz der Flammenwerfer war von einem donnernden Geräusch begleitet, und angesichts der unlöschbaren Brände, die vom Spritzenschiff aus nach Belieben dirigiert werden konnten, war keine militärische Disziplin mehr an Bord möglich.

Ein weiterer Effekt war, dass brennende Schiffe, die sich zurückzogen, auch ihre restliche Flotte in Gefahr bringen konnten. Feindliche Schiffe vermieden es deshalb, sich der byzantinischen Flotte zu nähern, um nicht in die Reichweite des Feuers zu gelangen. Sonst reichte auch oft der Anblick einer Spritze, um den Feind in die Flucht zu schlagen. Die Anwendung konnte aber unter Umständen auch eigene Schiffe in Brand setzen.

Griechisches Feuer war in großem Maße für die jahrhundertelange Seeherrschaft der byzantinischen Flotte im östlichen Mittelmeerraum verantwortlich; es sicherte die Unabhängigkeit des Reiches noch, als dieses wegen der abnehmenden Bevölkerung und Fläche bereits keine schlagkräftigen Landstreitkräfte mehr aufstellen konnte.

Der letzte belegte Einsatz von Byzantinischem Feuer ist 1187 beim Aufstand von Alexios Branas. Nach der osmanischen Eroberung von Konstantinopel 1453 ging das Wissen darüber definitiv verloren. Das Fehlen einer Erwähnung trotz vieler bewaffneter Konflikte lässt jedoch bereits die berüchtigte Plünderung von Konstantinopel 1204 durch die Kreuzfahrer als plausiblen Auslöser für diesen Verlust erscheinen.

Neben der obigen Darstellung der Anwendung im Seekrieg gibt es noch ein weiteres Bild, das die Abwehr der Schiffe des Fürsten Igor vor Konstantinopel im 10. Jahrhundert durch die Anwendung des „flüssigen Feuers“ zeigt.

Funktionsweise

Mit „siphon“ ist die von Ktesibios im 3. Jahrhundert v. Chr. erfundene doppeltwirkende Druckpumpe (Feuerspritze) gemeint,[1] die einen konstanten Flüssigkeitsstrahl lieferte. Mit dieser Spritze wurde die brennbare Flüssigkeit gegen das Ziel gespritzt. Die Reichweite betrug nur wenige Meter, was aber für die damaligen Seegefechte ausreichte.

Es existierten verschiedene Spritzensysteme:

  • Der sogenannte Siphon wurde im Seekrieg von den byzantinischen Kriegsschiffen, den Dromonen, aus eingesetzt. Bekannt ist, dass er aus Bronze bestand, mit Zinn verlötet war und von unten befeuert wurde. Außerdem ist auf Abbildungen eine Düse sichtbar. Es handelte sich höchstwahrscheinlich um einen Druckbehälter, der über ein Ventil mit der Düse verbunden war. Möglicherweise wurde der Überdruck im Behälter mit einer Pumpe aufrechterhalten. Nur zwei Personen bedienten eine Waffe, die anderen Besatzungsmitglieder besaßen nicht die erforderliche Ausbildung. Je nach Größe waren die Dromonen mit bis zu drei Siphonen ausgestattet.
  • Eine Abbildung eines sogenannten strepton zeigt, dass es sich um ein Handgerät handelt. Vorzugsweise sollte es gegen Holzkonstruktionen wie Belagerungstürme zum Einsatz kommen. Der Name impliziert, dass es sich um ein Gerät mit einer Art Pump- oder Drehmechanismus handelt.
  • Vom cheirosiphon (Handsiphon) ist wenig mehr bekannt als das, was der Name andeutet. Er war zum Einsatz direkt gegen feindliche Soldaten gedacht.

Darüber hinaus existierte noch die konventionellere Methode, mit Brandmittel gefüllte Tonkrüge mit verschiedenen Schleuder- oder Katapultsystemen zu verschießen. Die genannten Systeme verfügten wahrscheinlich über eine Zündflamme.

Geheimhaltung

Die Details der Waffen waren Staatsgeheimnis. Dies erklärt auch, warum die genaueren Informationen meist aus nicht-byzantinischen Quellen stammen. Dennoch gelang es den Arabern und Bulgaren, die selbst sehr wohl konventionelle Brandwaffen einsetzten, trotz erbeuteter Waffensysteme nicht, selbst Griechisches Feuer zum Einsatz zu bringen. Offenbar war das Gesamtsystem dazu zu komplex. Darüber hinaus sollen deren kopierte Versionen des flüssigen Feuers in seiner Wirkung nicht an das Original herangekommen sein.

Der byzantinische Kaiser Konstantin Porphyrogennetos nennt in einer für seinen Sohn bestimmten Schrift über die Verwaltung des Reiches einmal Kallinikos als Erfinder des „flüssigen Feuers“ (Kap. 47). Zuvor erwähnt er die Legende über die Offenbarung des flüssigen Feuers durch einen Engel Gottes an den ersten christlichen Kaiser Konstantin dem Großen (Kap. 13). Zudem sei einmal ein vom Feind bestochener General beim Versuch, das „flüssige Feuer“ zu verraten, von Gott mit himmlischem Feuer vernichtet worden, weshalb seither niemand mehr an einen derartigen Verrat zu denken gewagt habe.

Das Rezept für die Herstellung des flüssigen Feuers ging mit dem Byzantinischen Reich unter.

Literatur

  • Jochen Gartz: Vom griechischen Feuer zum Dynamit. Eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe. E. S. Mittler & Sohn, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8132-0867-2.
  • Erich Gabriel: Griechisches Feuer. In: Robert Auty u. a. (Hrsg.): Lexikon des Mittelalters. Band 4, Artemis-Verlag, München 1989, ISBN 3-7608-8904-2, Sp. 1711f.
  • John Haldon: Greek fire revisited. Recent and current research. In: Elizabeth Jeffreys (Hrsg.): Byzantine style, religion, and civilization. In honour of Sir Steven Runciman. Cambridge University Press, New York u. a. 2006, ISBN 0-521-83445-7, S. 290–325.
  • Johannes Preiser-Kapeller: Wunderwaffe des Mittelalters? Geschichte und Theorie des Griechischen Feuers. In: Karfunkel-Combat. Nr. 3, 2007, ISSN 0944-2677, S. 45–47 (mit Bericht zu Rekonstruktionsversuchen von Prof. John Haldon, Princeton).

Weblinks

 Commons: Greek fire – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Einzelnachweise

  1. Heron, Pneumatika Kap. 180; Plinius, Briefe Nr. 35; Origines 20. Buch Kap. 6; Ulpian, Digesten 32. Buch Kap. 7 § 12

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