Born-Oppenheimer-Näherung
Die Born-Oppenheimer-Näherung oder Born-Oppenheimer-Approximation oder adiabatische Näherung ist eine Näherung zur Vereinfachung der Schrödingergleichung für ein System mit mehreren schweren und wenigstens einem leichten Teilchen. Sie findet bei der quantenmechanischen Behandlung von Molekülen und Festkörpern Anwendung,
da diese aus mindestens zwei Atomkernen und einer Vielzahl von sehr viel leichteren Elektronen bestehen. Die Näherung findet in der physikalischen Chemie breite Anwendung, da lediglich für die einfachsten Systeme, wie z.B. das Wasserstoffatom oder das
Motivation
Die quantenmechanische Zustandsfunktion eines Moleküls oder Festkörpers
Der molekulare Hamiltonian
enthält neben den kinetischen Operatoren
(Kinetische Energie der Elektronen)
und
(Kinetische Energie der Kerne)
auch die Abstoßung zwischen den Elektronen
,
die Abstoßung zwischen den Kernen
,
und die Anziehung zwischen Kernen und Elektronen
.
Wie in der Einleitung erwähnt, ist die molekulare Schrödingergleichung nur für die allereinfachsten Systeme analytisch lösbar. Auch eine numerische Lösung des vollständigen Systems ist auf Grund der hohen Dimensionalität nicht durchführbar. Um die molekulare Schrödingergleichung lösbar zu machen ist also eine Näherung vonnöten.
Prinzip
Die Born-Oppenheimer-Näherung trennt die molekulare Schrödingergleichung in eine Gleichung für die Elektronen und eine für die Kerne. Die beiden Teilprobleme sind dann wesentlich einfacher unter Ausnutzung von Symmetrien lösbar. Die Trennung der elektronischen und nuklearen Freiheitsgrade erfolgt basierend auf dem großen Massenunterschied, der zu einer größeren Trägheit der Kerne führt. Da alle Teilchen untereinander hauptsächlich durch Coulomb-Kräfte wechselwirken, die im Wesentlichen gleich stark sind, werden die Elektronen viel stärker beschleunigt als die Kerne.
Das Wesen der Born-Oppenheimer-Näherung lässt sich wie folgt darstellen:
- Aus der Perspektive der Elektronen stehen die Kerne praktisch still. Zunächst wird also der kinetische Operator der Kerne vernachlässigt. Daraus resultiert eine Schrödingergleichung für die Elektronen, bei der die Lage der Kerne als Parameter im anziehenden Potential
und im abstoßenden Potential eingeht. Daraus resultieren elektronische Eigenzustände und zugehörige Eigenenergien die parametrisch von den Positionen der Kerne abhängen. - Im Gegensatz dazu ist die Bewegung der Kerne von der instantanen Position der Elektronen nahezu unbeeinflusst. Die Kerne spüren jedoch die Eigenenergie des elektronischen Zustandes. Jeder elektronische Zustand erzeugt also ein eigenes Potential in dem sich die Kerne dann bewegen.
Mathematische Formulierung
Die Voraussetzung für diese Annäherung besteht in der Annahme, dass die Elektronenbewegung und die Kernbewegung getrennt werden können. Diese Annahme führt zu einer molekularen Wellengleichung, die aus einem Produkt der Elektronen-Wellenfunktion
Weiter trifft man die Annahmen, dass:
von den Kernpositionen abhängt, aber nicht von deren Geschwindigkeiten. D. h., die Kernbewegung ist so viel kleiner als die Elektronenbewegung, dass sie als fest angenommen werden kann und nur als Parameter einfließt- und somit die Kernwellenfunktion nur von der Kernkoordinate
abhängt.
Wendet man nun den Hamilton-Operator (
- einen für die Bewegung der Elektronen
Elektronen-Schrödingergleichung:
mit
- und einen für die Kernbewegung
Zusammengefasst: Die große Differenz der relativen Massen zwischen Elektronen und Kernen erlaubt es also, die Wellenfunktion in eine Elektronen-Wellengleichung und eine Kern-Wellengleichung zu trennen.
Vorgehensweise
Für verschiedene Kernabstände wird die Schrödingergleichung sukzessiv gelöst. Man erhält schließlich einen Zusammenhang zwischen Bindungslänge und der Energie des Moleküls. Dies wird durch die Potentialkurve ausgedrückt. Aus der Potentialkurve lassen sich der Gleichgewichtsabstand und die Dissoziationsenergie der Bindung ermitteln.
Güte
Die Born-Oppenheimer-Näherung führt zu guten Ergebnissen für Moleküle im Grundzustand, insbesondere bei denen mit schweren Kernen. Allerdings kann sie zu sehr schlechten Ergebnissen für angeregte Moleküle und Kationen führen, was besonders bei der Photoelektronenspektroskopie zu beachten ist.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ J.C. Slater: Quantum Theory of Molecules and Solids, Vol. 1: Electronic Structure of Molecules. In: American Journal of Physics. 32, 1964, S. 65, doi:10.1119/1.1970097.
- ↑ M. Born, R. Oppenheimer: Zur Quantentheorie der Molekeln. In: Annalen der Physik. 389, Nr. 20, 1927, S. 457–484, doi:10.1002/andp.19273892002.