Biologische Wertigkeit
Die biologische Wertigkeit eines Proteins in einem Lebensmittel soll angeblich ein Maß dafür sein, mit welcher Effizienz dieses Nahrungsprotein in körpereigenes Protein umgesetzt werden kann. Die Idee basiert auf der zwar naheliegenden doch unbewiesenen Annahme, dass je ähnlicher das Nahrungsprotein dem Körperprotein in seiner Aminosäurenzusammensetzung ist, desto weniger Nahrungsproteine pro kg Körpergewicht benötigt werden, um ein Proteingleichgewicht (Eiweißbilanz = 0, Eiweißsynthese = Eiweißabbau) zu erreichen. Der Tatsache, dass einige Aminosäuren essentiell sind, wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Fehlen eine Wertigkeit von Null zur Folge hat. Als Referenzwert dient Vollei, dessen biologische Wertigkeit willkürlich auf 100 bzw. 1 (100 %) gesetzt wurde. Deswegen können Proteinquellen auch Wertigkeiten größer als 100 erhalten, was die Maßeinheit % absurd erscheinen lässt.
Die Idee der "biologischen Wertigkeit" wurde von dem deutschen Ernährungswissenschaftler Karl Thomas (1883–1969) auf Anregung von Max Rubner aufgestellt.
Insoweit die Theorie überhaupt zutreffend ist, und außerdem auch bei Kindern, Schwangeren, bei Vorliegen von Krankheiten oder extremer Witterung (Wüste, Arktis) anwendbar ist, wäre, um den Aminosäurenbedarf mit Proteinen allein aus Vollei zu decken, eine tägliche Mindestmenge von 0,5 g pro kg mageres Körpergewicht erforderlich oder 0,4 g/kg einer Kartoffel+Ei-Mischung im Mischungsverhältnis 2:1.
Des Weiteren ist zu beachten, dass der gesundheitliche Wert eines Lebensmittels durch zahlreiche weitere Faktoren bestimmt wird, z. B. den Gehalt an Vitaminen, Mineralien, Art und Menge der enthaltenen Fette, Kohlenhydrate, Ballaststoffe, sekundären Pflanzenstoffe, Belastung durch anthropogene Giftstoffe (z. B. Pestizide, vgl. Ökologische Landwirtschaft) u. a. m..
Durch Kombination können Nahrungsmittel mit geringer biologischen Wertigkeit (auch solche mit einer biologischen Wertigkeit von Null) zu einer biologisch hochwertigen Mahlzeit werden, wenn sich die Aminosäurezusammensetzungen der jeweiligen Proteine zueinander ergänzen. Es gibt auch durchaus traditionelle Speisenzusammenstellungen, welche zu einer Ergänzungswirkung führen (siehe Kombinationsbeispiele).
Allgemein sollte man aber die Bedeutung der biologischen Wertigkeit nicht überbewerten, denn in der Praxis machen sich die Werteunterschiede nur geringfügig bemerkbar.
- Beispiele
Lebensmittel | Biologische Wertigkeit |
---|---|
Vollei (Referenzwert) | 100 |
Molkenprotein | 104–110 |
Kartoffeln | 98–100 |
Rindfleisch | 92 |
Thunfisch | 92 |
Kuhmilch | 88 |
Edamer Käse | 85 |
Soja | 84–86 |
Reis | 81 |
Roggenmehl (82 % Ausmahlung) | ca. 76–83 |
Casein, (82 % Quark) | 77 |
Bohnen | 72 |
Mais | 72 |
Weizenmehl (83 % Ausmahlung) | 56–59 |
- Kombinationsbeispiele
Lebensmittel-Kombination | Wertigkeit |
---|---|
35 % Vollei und 65 % Kartoffel | 137 |
75 % Milch und 25 % Weizenmehl | 123 |
60 % Hühnerei und 40 % Soja | 122 |
71 % Hühnerei und 29 % Milch | 122 |
68 % Hühnerei und 32 % Weizen | 118 |
75 % Milch und 25 % Weizen | 105 |
52 % Bohnen und 48 % Mais | 101 |
77 % Rindfleisch und 23 % Kartoffeln | 114 |
Weitere Kombinationsbeispiele bei denen die biologische Wertigkeit wesentlich erhöht wird:
- Aspik–Fleisch
- Hülsenfrüchte–Fleisch oder Fleischwaren
- Brot–Fleischwaren
Unvollständige Proteine
Proteinquellen, die nicht alle essenziellen Aminosäuren enthalten, werden als „unvollständiges Protein“ bezeichnet und haben eine biologische Wertigkeit von 0. Durch die geeignete Kombination mit anderen Proteinquellen kann die Wertigkeit – wie weiter oben schon beschrieben – jedoch deutlich erhöht werden.
Siehe auch
- Aminosäureindex
- Entomophagie beim Menschen
- PDCAAS
Quellen
- Löffler, Petrides: Biochemie & Pathobiochemie. 7. Auflage. Springer-Verlag, 2003, ISBN 3540422951, S.685ff