Bezugssystem
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Ein Bezugssystem ist in der Physik ein Objekt, relativ zu dem die Bewegungen von Teilchen und Körpern oder andere ortsabhängige Größen wie elektrische und magnetische Feldstärke angegeben werden. Ein Bezugssystem wird eindeutig festgelegt durch einen Punkt im Raum (Ursprung), bei einem beschleunigten Bezugssystem zusätzlich translatorische und rotatorische Geschwindigkeiten und Beschleunigungen des Ursprungs.
Zur Festlegung eines Bezugssystems genügt immer die Angabe der Lage eines Referenzkörpers. Dabei kann es sich um einen realen physikalischen Körper (z.B. die Erde, Aussichtsturm am Fluss, fester „starrer“ Körper[1] etc.) handeln, aber auch um einen gedachten Punkt (z.B. Schwerpunkt des Erde-Mond-Systems).[2]
Oft wird der Begriff Bezugssystem gleichbedeutend mit Koordinatensystem verwendet[3][4][5], da quantitative Positionsangaben erst nach Festlegen eines Koordinatensystems möglich sind. Auch wird mit dem Begriff Bezugssystem oft die Menge aller möglichen, in diesem Bezugssystem ruhenden Koordinatensysteme bezeichnet, da häufig zur Problembeschreibung kein bestimmtes Koordinatensystem benötigt wird oder theoretische Aussagen sich nicht auf ein bestimmtes unter diesen Koordinatensystem beziehen, sondern auf alle möglichen. Andere Autoren unterscheiden dagegen strikt zwischen dem Bezugssystem als realem physikalischen Objekt (dem Bezugskörper[6]) und dem gedachten mathematischen Koordinatensystem.[7]
Stillschweigend gehört zu einem Bezugssystem auch eine Uhr zur Zeitmessung; im Zusammenhang der Relativitätstheorie wird diese Forderung meistens explizit angegeben.[4]
Ort und Orientierung
Den Ort eines Punktteilchens kann man mit drei Zahlen dadurch benennen, indem man angibt, wie weit man von einem Ausgangspunkt nach oben, vorn und rechts gehen muss, um zum gemeinten Ort zu gelangen. Für solch ein Bezugssystem müssen der Ausgangspunkt und die Richtungen oben, vorn und rechts gewählt werden.
Um die Orientierung eines ausgedehnten starren Körpers zu benennen, muss darüber hinaus die Drehung angegeben werden, beispielsweise mit ihren Eulerwinkeln, mit der der Körper in eine Standardlage gedreht wird, bei der also eine körperfeste Achse nach oben, eine andere nach vorn und eine dritte nach rechts zeigt.
Bewegungen und Kräfte
Kräftefreie Teilchen durchlaufen mit konstanter Geschwindigkeit gerade Bahnen oder ruhen. In einem Inertialsystem sind die Ortskoordinaten $ {\vec {x}} $ dieser Bahnen also einfach linear inhomogene Funktionen der Zeit $ t $
- $ {\vec {x}}(t)={\vec {x}}(0)+{\vec {v}}\,t\,. $
Solche Systeme sind bis auf die Wahl des Orts- und Zeitursprungs, die Wahl von drei Richtungen (oben, vorn, rechts) und die Wahl einer konstanten Geschwindigkeit des ganzen Bezugssystems festgelegt. Eine geschickte Wahl dieser Geschwindigkeit vereinfacht oft die Darstellung weiter. Ist sie die Geschwindigkeit des betrachteten Objekts, so heißt das Bezugssystem mitbewegt, ist sie die Geschwindigkeit des Schwerpunkts mehrerer Objekte (und ist der Ortsursprung der Schwerpunkt), so handelt es sich um das Schwerpunktsystem. Beim freien Fall sind manchmal Gezeitenkräfte zu berücksichtigen.
In nicht-inertialen Bezugssystemen, etwa solchen, die mit der Erde rotieren, sind die Bahnen freier Teilchen und auch die Auswirkung von Kräften schwieriger anzugeben. In ihnen treten Scheinkräfte auf.
Wechsel des Bezugssystems
Ein physikalisches Phänomen kann je nach gewähltem Bezugssystem verschieden erscheinen. Stößt z.B. (im Bezugssystem des Billardtischs) eine rote Billardkugel zentral gegen eine ruhende weiße und bleibt dann liegen, dann stößt in dem Bezugssystem, das sich mit der Anfangsgeschwindigkeit der roten Kugel mitbewegt, die weiße Kugel auf die ruhende rote und bleibt liegen, während diese sich mit der anfänglichen Geschwindigkeit der weißen Kugel davonbewegt. Im Schwerpunktsystem beider Kugeln hingegen bewegen sich beide mit gleicher Geschwindigkeit erst aufeinander zu und nach dem Stoß voneinander weg. Die in verschiedenen Bezugssystemen gemachten Beobachtungen desselben Vorgangs lassen sich mit Hilfe einer Koordinatentransformation wie der Galilei-Transformation oder der Lorentz-Transformation ineinander umrechnen. Nach dem Relativitätsprinzip müssen die physikalischen Gesetze gegenüber dieser Transformation invariant sein.
Spezielle Bezugssysteme
Geowissenschaften
Für Technik und Geowissenschaften sind terrestrische Koordinatensysteme vorherrschend, die mittels eines Geodätischen Bezugssystems eine genaue Definition auf dem Erdellipsoid (für Lageangaben) oder dem Geoid (für Höhenangaben) besitzen.
Allgemein benutzen die Geowissenschaften als Bezugssystem einen Referenzpunkt und einen Referenzpegel oder eine Referenzfläche. Heute gilt für alle Ortsangaben der Erde als grundlegendes System das International Terrestrial Reference System (ITRS) für alle Koordinaten:
- In der Geographie werden Geographische Koordinaten verwendet, z. B. Zugspitze 47° 25′ N, 10° 59′ E oder Ost.
- Eine Positionsangabe in der Geodäsie umfasst Lagekoordinaten und Höhe.
- Als Lagekoordinatensystem kommen kartesische Koordinaten oder ellipsoidische Koordinaten in Frage.
- Wenn Koordinaten genauer als auf Kilometer oder Bogenminuten angegeben werden sollen, muss das Geodätische Bezugssystem mitangegeben werden, da ein Koordinatenwert in unterschiedlichen Bezugssystemen verschiedene Positionen bezeichnet, die um 100 m oder mehr voneinander abweichen können.
- Im Vermessungswesen wird die Lage der Festpunkte auf Millimeter als UTM-, Gauß-Krüger- oder Soldner-Koordinaten angegeben.
- Positionsangaben in der Luftfahrt und Nautik verwenden Geographische Koordinaten. Die Höhe wird in Fuß angegeben.
- Siehe auch: Navigation
Astronomie
Erweiterung des terrestrischen ITRS ist das International Celestial Reference System (ICRS)
- Die Position eines astronomischen Objekts – insbesondere in der Himmelsmechanik auch Stellung, in der beobachtenden Astronomie Konstellation genannt – sind seine Koordinaten in einem astronomischen Koordinatensystem.
Aufgrund der zahlreichen, vom jeweiligen Fall abhängigen Koordinatensysteme, die in Astronomie und Raumfahrt verwendet werden, wird eine Position immer mit dem Zusatz des Referenzsystems in Raum und Zeit angegeben. Beispiele: geozentrische ekliptikale Position zur Epoche J2000, aktuelle topozentrische horizontale Position, Positionswinkel (Äquatorialkoordinaten für einen bestimmten Zeitpunkt), mittlere baryzentrische Position im Sonnensystem (ITRS-Koordinate), Position im Galaktischen System II (Standardepoche), relative momentane Position im Hauptträgheitssystem usw.
- Ausführliche Informationen hierzu siehe Astronomisches Koordinatensystem
Einzelnachweise
- ↑ Klaus Lüders,Robert Otto Pohl: Pohls Einführung in die Physik: Band 1: Mechanik, Akustik und Wärmelehre. Springer DE, 2008, ISBN 978-3-540-76337-6, S. 11 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Dieter Meschede: Gerthsen Physik. Springer DE, ISBN 978-3-642-12893-6, S. 643 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Ulrich Leute: Physik: und ihre Anwendungen in Technik und Umwelt, S. 16–, Hanser Verlag 2004, ISBN 978-3-446-22884-9 (Zugriff am 7 November 2012)
- ↑ 4,0 4,1 Theoretische Grundlagen der Elektrotechnik 2, S. 94–, Springer 26 October 2006, ISBN 978-3-519-00525-4 (Zugriff am 7 November 2012) Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „SüßeBurger2006“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Physik, S. 82–, Oldenbourg Verlag 2000, ISBN 978-3-486-25327-6 (Zugriff am 7 November 2012)
- ↑ Albert Einstein: Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie. Springer, 2008, S. 6 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
- ↑ Ludwig Bergman,Clemens Schaefer: Lehrbuch Der Experimentalphysik: Mechanik, Relativitat, Warne. Walter de Gruyter, 1998, ISBN 978-3-11-012870-3, S. 61 (eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).