Ausscheidungshärtung
Die Ausscheidungshärtung ist eine Wärmebehandlung zum Erhöhen der Härte und Festigkeit von Legierungen. Das Verfahren wird auch als Aushärten bezeichnet. Es beruht auf der Abscheidung von metastabilen Phasen in fein verteilter Form, so dass diese ein wirksames Hindernis für Versetzungsbewegungen darstellen. Die Streckgrenze von Metallen kann so um bis zu 300 MPa angehoben werden[1].
Grundlagen
Beim Aushärten wird ausgenutzt, dass die Löslichkeit für ein oder mehrere Legierungselemente mit der Absenkung der Temperatur abnimmt. Daher ist das Aushärten nicht bei allen Legierungen möglich, sondern nur wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.
Voraussetzungen
- Die Legierung bildet mit einem Legierungselement bei erhöhter Temperatur elementare Mischkristalle.
- Dieses Legierungselement muss eine mit sinkender Temperatur abnehmende Löslichkeit im Grundmetall aufweisen.
- Triebkraft und Diffusionsgeschwindigkeit müssen bei der Ausscheidungstemperatur genügend groß sein.
- Die entstehenden Ausscheidungen müssen fein verteilt im Werkstoff vorliegen und bei Einsatztemperaturen beständig gegen Koagulation sein.
Behandlungsschritte
Man unterteilt das Aushärten in die drei Behandlungsschritte Lösungsglühen, Abschrecken und Auslagern (Ausscheiden).
Lösungsglühen (Diffusionsglühen, Homogenisieren)
Die Legierung wird solange erwärmt, bis sich alle zur Ausscheidung nötigen Elemente in Lösung befinden. Dabei sollte eine bestimmte Temperatur nicht unterschritten werden, da sonst grobe Teilchen bestehen bleiben, die für die mechanischen Eigenschaften des Werkstoffes nachteilig sind. Andererseits darf eine zu hohe Temperatur nicht überschritten werden, da sonst einzelne Gefügebestandteile aufschmelzen; die Legierung kann dann nicht weiterverarbeitet werden.
Abschrecken
Durch Abschrecken kann die Diffusion und damit eine Ausscheidung grober Teilchen verhindert werden und der Mischkristall verbleibt im metastabilen übersättigten einphasigen Zustand.
Auslagern
Durch ein anschließendes Anlassen bei 150 bis 190 °C (450 bis 500 °C bei Maraging-Stählen) kann nun die Diffusion nachgeholt werden. Der übersättigte einphasige Mischkristall wandelt sich so in eine zweiphasige Legierung um. Die im Volumen zusammenhängende und in der Regel mit höherem Anteil auftretende Phase wird Matrix genannt, die andere Ausscheidung. Die Art und Geschwindigkeit der Ausscheidung ist temperaturabhängig, da die treibende Kraft der Diffusion ebenfalls temperaturabhängig ist.
Da beim vorhergehenden Abschrecken viele Keime gebildet wurden, werden viele kleine Ausscheidungen gebildet, die homogen im Gefüge verteilt sind. Damit können die Eigenschaften des Werkstücks gezielt eingestellt werden. Abhängig von Material und Verfahren konzentrieren sich die Ausscheidungen in bestimmter Art und Weise und behindern durch ihre von der Matrix abweichende Kristallstruktur die Bewegung von Versetzungen und steigern so die Festigkeit des Metalls. Die Ausscheidungen können kohärent, teilkohärent oder inkohärent zur Matrix sein. Kohärente Ausscheidungen befinden sich innerhalb eines Korns und treten bei Legierungselementen mit ähnlichen Gitterparametern auf. Die höchste Festigkeitssteigerung wird in der Regel bei Teilchengrößen unter 50 nm erreicht - der optimale Teilchenradius ist dabei abhängig von den physikalischen Eigenschaften von Matrix und Ausscheidungsphase. Legierungselemente mit abweichenden Gitterparametern scheiden sich oft inkohärent auf den Korngrenzen aus. Inkohärente Ausscheidungen können kugelförmig sein, wenn die Ausscheidung über eine relativ hohe Oberflächenenergie verfügt, oder dispergiert, wenn die Oberflächenenergie sehr gering ist.
Teilchen, die sich bereits während des Diffusionsglühens oder früher ausscheiden, werden Dispersoide genannt. Sie kontrollieren die Rekristallisation, indem sie Korngrenzenbewegungen behindern. Wegen ihres geringen Gehalts in der Legierung, ihrer Größe und ihrer Inkohärenz zur Matrix ist ihre Festigkeitssteigerung meist vernachlässigbar.
Ähnliche Vorgänge wie bei der Ausscheidungshärtung treten auch beim Altern und dem BH-Effekt von Stahl auf.
Neben der Ausscheidungshärtung sind weitere Möglichkeiten der Festigkeitserhöhung u.a. das Einlagern von Fremdatomen im Mischkristall, die Verfestigung durch Kaltumformung, die Kornfeinung sowie die diffusionslose Umwandlung (Umwandlungshärtung).
Aushärten von Aluminiumlegierungen
Die Ausscheidungshärtung ist die wichtigste Möglichkeit der Festigkeitssteigerung von Aluminiumlegierungen, da diese keine polymorphe Umwandlung aufweisen und somit nicht durch Martensitbildung härtbar sind[2].
Ein prominentes Beispiel für die Ausscheidungshärtung ist das Duraluminium, eine Legierung aus Aluminium, 4 % Kupfer und 1 % Magnesium. Das Lösungsglühen erfolgt zwischen 495 und 505 °C. Nach dem Abschrecken kann das Material umgeformt werden, im Gegensatz zu Stahl ist Duraluminium nach dem Abschrecken zunächst noch weich. Die Endfestigkeit wird durch Kaltauslagern (bei Raumtemperatur) oder Warmauslagern (eine Ausscheidungsglühung) erreicht. Die Aushärtung kann durch Tiefkühlung (min. -18 °C) herausgezögert werden. Dies wird zum Beispiel bei Nieten aus solchen Legierungen verwendet, um eine längere Verarbeitungszeit zu erreichen. Nahezu alle aushärtbaren Aluminiumlegierungen sind stark korrosionsanfällig, da die Legierungselemente die Bildung einer geschlossenen Oxidschicht behindern.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ http://www.ingentaconnect.com/content/maney/mst/1999/00000015/00000001/art00005
- ↑ Manfred Riehle, Elke Simmchen: Grundlagen der Werkstofftechnik. 2. Auflage. Dt. Verlag für Grundstoffindustrie Stuttgart, S. 250.