Abwasser

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit grundsätzlichen Infos zum Thema Abwasser. Für die dort eingesetzte Technik siehe Abwassertechnik

Als Abwasser bezeichnet man

  • das durch Gebrauch verunreinigte (bzw. in seinen Eigenschaften oder seiner Zusammensetzung veränderte) Wasser,
  • teilweise auch das von befestigten Flächen abfließende Niederschlagswasser sowie
  • das anfallende Fremdwasser, welches in die Kanalisation durch bauliche Schäden eintritt.

Abwässer werden in der Kanalisation gesammelt und transportiert, in Mitteleuropa praktisch immer in Kläranlagen behandelt und danach in als Vorfluter dienende Gewässer eingeleitet.

Begriffe

Trockenwetterabfluss

Schmutzwasser sind häusliche Abwasser aus Toiletten (Fäkal- oder Schwarzwasser), Sanitäreinrichtungen, Küchen und Waschmaschinen (Wasch- oder Grauwasser) sowie Abwasser aus Betrieben, die in die öffentliche Kanalisation ableiten (gewerbliches oder industrielles Abwasser). Industrieabwasser weist oft besondere Verschmutzungen auf, weshalb es oft in industrieeigenen Anlagen behandelt wird, bevor es in die öffentliche Kanalisation (Indirekteinleitung, Vermischung) oder in ein Gewässer (Direkteinleitung) abgeleitet wird. Manche Abwässer enthalten organische Stoffe (zum Beispiel Brauereiabwässer) oder/und anorganische Stoffe (z. B. bei der Metall- und Grundstoffindustrie). Auch aufgeheiztes Wasser aus Kühlanlagen zählt als Abwasser. Abwässer, die bei den verschiedensten Reinigungs- und Behandlungstechniken von Wasseraufbereitungsanlagen anfallen, gehören auch zu den Industrieabwässern oder sind mit diesen vergleichbar.

Fremdwasser ist das zusammen mit dem Schmutzwasser bei Trockenwetter abfließende unverschmutzte Wasser, das eigentlich nicht in die Kanalisation gelangen soll (Grundwasser, Dränwasser).

Regenwetterabfluss

Bei Regenwetter fließt außer dem oben aufgeführten Trockenwetterabfluss auch Regenwasser (Niederschlagswasser) ab, das in die Kanalisation eingeleitet wird. Da Regen aus der Atmosphäre Staub, Ruß, Pollen und Gase löst und auf Dächern, befestigten und landwirtschaftlichen Flächen vorhandenen Staub und Schadstoffe mitschwemmt, können Niederschlagsabflüsse manchmal sehr schadstoffhaltig sein und müssen behandelt werden.

Man unterscheidet daher

  • behandlungsbedürftiges Regenwasser (es muss in Regenklärbecken oder in Kläranlagen abgeleitet werden) und
  • nicht-behandlungsbedürftiges Regenwasser (Reinabwasser), das man in ein nahegelegenes Gewässer einleiten oder vor Ort versickern lassen kann.

Beispiele für Reinabwässer sind:

  • Überlaufwasser von Quellen, Reservoirs, Brunnen
  • Rücklaufwasser aus Kühl- und Klimaanlagen, Wärmepumpen
  • Drainage- und Sickerwasser.

Im Mischwasser fließen Schmutz- und Regenwasser gemeinsam ab.

Rechtliche Definitionen

Den Begriff Abwasser definiert in der Bundesrepublik Deutschland § 54 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585). Danach ist Abwasser das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte Wasser und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen gesammelt abfließende Wasser (Niederschlagswasser). Die aus Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen austretenden und gesammelten Flüssigkeiten gelten ebenfalls als Schmutzwasser. Die zuvor im Abwasserabgabengesetz bestehende Begriffsbestimmung wurde wortgleich übernommen.

In Österreich werden die abwasserrechtlichen Belange im Wasserrechtsgesetz, den Emissionsverordnungen und den Kanalanschlussgesetzen der Bundesländer sowie den dazugehörigen Verordnungen auf kommunaler Ebene behandelt.

Inhaltsstoffe

Schmutzstoffe im Abwasser liegen vor in gelöster und ungelöster Form sowie als organische Verbindungen (Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate). Man unterscheidet folgende Abwasserinhaltsstoffe:

  • Zehrstoffe
    wie etwa Harnsäure, Glukose. Sie sind biologisch abbaubar und führen bei anaeroben Abbauprozessen zu Geruchsbelästigungen. Die durch diese Stoffe ausgelöste Sauerstoffzehrung reduziert den Sauerstoffgehalt im sie umgebenden Gewässer und kann zu Fischsterben führen (Eutrophierung).
  • Schadstoffe
    wie etwa Gifte, Schwermetalle, synthetische organische Substanzen, Bakterien, Pilze, oder Viren, die zu Erkrankungen führen können.

Abwasserbehandlung

Absetzbecken im Rieselfeld Boddinsfelde
Abwasseraufbereitungsanlage in Cuxhaven
Abwasseraufbereitungsanlage in Schiffdorf

Ziel der Abwasserbehandlung ist eine Beseitigung der Abwasserinhaltsstoffe und eine Wiederherstellung der natürlichen Wasserqualität. Nach § 57 WHG muss Abwasser vor der Einleitung in ein Gewässer (Direkteinleitung) nach dem Stand der Technik behandelt werden. Mindestanforderungen für bestimmte Industriebranchen werden konkret in der Abwasserverordnung genannt. Die Einleitung in öffentliche Abwasseranlagen (Indirekteinleitung) wird durch § 58 WHG bestimmt.

Die Abwasserbehandlung geschieht in Kläranlagen, ggf. nach einer Vorbehandlung in einem Abscheider. Man unterscheidet dabei

  • mechanische/physikalische Reinigungsverfahren,
  • biologische Reinigungsverfahren und
  • chemische Reinigungsverfahren.

Wasser, das potentiell mineralölhaltig ist, weil es z. B. zum Autowaschen verwendet wurde oder mit wassergefährdenden Stoffen in Kontakt gekommen sein kann (z. B. Abfüllflächen einer Tankstelle), muss vor Einleitung in den Abwasserkanal in einer Abscheideranlage nach EN 858 / DIN 1999 vorbehandelt werden.[1]

Neben der Behandlung in technischen Kläranlagen kann Abwasser unter gewissen Umständen auch auf Rieselfeldern versickert werden, in Mulden abgesetzt oder in Abwasserteiche sowie Pflanzenkläranlagen eingeleitet werden.

Die Behandlung von Abwässern außerhalb zentraler Abwasserbehandlungsanlagen findet in Kleinkläranlagen statt. Unterschieden wird hierbei zwischen veralteten Systemen ohne Abwasserbelüftung (DIN 4261 Teil 1) und den heute geforderten vollbiologischen Kleinkläranlagen mit belüfteter Reinigungsstufe (DIN 4261 Teil 2).

Auf dem Weg vom (Indirekt-)Einleiter zur Abwasserbehandlungsanlage finden Prozesse statt, die das Abwasser verändern. Es kann zur Bildung von Geruchs- und Gefahrstoffen, wie z. B. dem toxischen Schwefelwasserstoff (H2S), kommen, was

  • negative Auswirkungen auf den Abwasserreinigungsprozess hat,
  • die Hauptursache für Geruchsbelästigungen (H2S riecht wie faule Eier) ist,
  • für Menschen gefährlich sein kann (H2S ist ein Nervengas, das selbst in geringen Konzentrationen tödlich wirkt, bei 1000 ppm Tod in wenigen Augenblicken[2]) und
  • Abwasserbauwerke und -einrichtungen zerstören kann.
  • bei Einleitung in ein Gewässer ohne Behandlung Gewässerverunreinigung und Fischsterben verursachen kann.

Geeignete Maßnahmen, wie z. B. durch eine zwischenstufliche Abwasserbehandlung in Entwässerungsanlagen, können diese Prozesse eindämmen bzw. beherrschbar machen.

Abwässer, die in Wasseraufbereitungsanlagen anfallen, werden immer häufiger in diesen Anlagen auch wieder aufbereitet (Kreislaufführung). Hierdurch wird die Nettoausbeute an Reinwasser gesteigert und die abzuführende Rest-Abwassermenge vermindert. Als Beispiel wird hierfür die Spülabwasseraufbereitung in Aufbereitungsanlagen für Trink- und Badewasser angeführt. In Gebieten mit Wassermangel ist auch die teilweise Rückführung und Wiederverwendung von Regenerierabwässern wirtschaftlich. Hierfür kommen jedoch nur die Vorlauf- und Restwaschwassermengen infrage, die einen niedrigeren oder gleichen Salzgehalt wie das Rohwasser aufweisen.

Organisation der Abwasserentsorgung

Für Deutschland gilt: Nach § 56 Satz 1 WHG ist Abwasser von den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu beseitigen, die nach Landesrecht hierzu verpflichtet sind. In den Landeswassergesetzen sind dazu in der Regel die Gemeinden verantwortlich gemacht, in deren Gebiet das Abwasser anfällt. Kleinere kommunale Gebietskörperschaften (Städte und Gemeinden) sind häufig zu sog. Abwasserzweckverbänden (siehe Zweckverband) zusammengefasst. Die zur Abwasserbeseitigung Verpflichteten können sich gem. § 56 Satz 3 WHG zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen.

Für Österreich gilt: Die Errichtung und Erhaltung im Betrieb von Abwasserentsorgungsanlagen erfolgt durch Einzelpersonen, Betriebe und Unternehmungen, Wassergenossenschaften, Kommunen sowie Wasserverbände.

Abwasseranfall

Der private Wasserverbrauch und somit der Abwasseranfall ist in Deutschland in den letzten Jahren gesunken. Nach Angaben der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) sank der durchschnittliche Bedarf pro Tag und Person von 147 Liter (im Jahr 1990) auf 127 Liter (im Jahr 2004).

Der Wasserverbrauch wird in absehbarer Zeit weiterhin zurückgehen, weil steigende Energiekosten, gleichbleibende Wartungs- und Instandsetzungskosten bei rückläufigem Wasserverbrauch Gebührenerhöhungen für den einzelnen Haushalt mit sich bringen werden. Weiterhin ist die demografische Entwicklung in Deutschland dahingehend absehbar, dass ein allgemeiner Rückgang der Abwasser(indirekt-)einleitungen geschieht. Für Gebiete, wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen belegen offizielle Demografiegutachten, dass in den nächsten 15 Jahren von einem Rückgang der Bevölkerungszahlen um bis zu 20 % auszugehen ist.

Der großflächig zurückgehende Wasserverbrauch hat neben einem positiven Aspekt des Schutzes der Ressource Trinkwasser auch negative Einflüsse auf die Funktion der Entwässerungseinrichtungen, den damit notwendig werdenden Wartungs- und Abwasserbehandlungsaufwand und somit schließlich auf die zukünftige Kostenentwicklung.

Eine Begründung dafür lässt sich darin sehen, dass Abwasseranlagen in Deutschland auf Eckparameter wie dem Wasserverbrauch von 130-150 Liter pro Tag und Person dimensioniert und konstruiert worden sind. Diese Werte werden teilweise dramatisch unterschritten: in Sachsen lag der Durchschnittsverbrauch im Jahr 2005 bei nur 88 Liter pro Tag und Person. Das Abwassersystem ist zudem in der Regel auf eine konstante Benutzerzahl ausgelegt. Eine wesentliche Unterschreitung der Eckparameter führt u. a. zu vermehrten Ablagerungen im Kanal und einer Verlängerung der Fließzeit zur Abwasserreinigungsanlage mit vielen negativen Folgen, wie z. B. der Sulfidbildung in Abwasseranlagen. Die Auswirkungen sind veränderte Abwasserparameter, erhöhter Aufwand für die Abwasserreinigung, Geruchsbelästigungen, biogene Korrosion und schließlich ein erhöhter Sanierungsbedarf in verkürzten Zeitintervallen. Zur Abhilfe wird schon heute zur Spülung der Abwasserrohre sauberes Trinkwasser verwendet, weil die anfallende Abwassermenge zur Durchspülung des Kanalisationsnetzes zu gering ist.

Dezentrales Abwasser

Haushalte und Anlagen, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind, müssen das anfallende Abwasser entweder in einer Senkgrube sammeln und danach abtransportieren lassen, oder über eine Kleinkläranlage reinigen und dann verrieseln lassen. In diesem Fall überträgt die zuständige Wasserbehörde die Pflicht zur Abwasserbeseitigung auf den Grundstückseigentümer. Welche Kleinkläranlagen als Stand der Technik zugelassen sind, legen die Wasserbehörden oder Abwasserrahmenpläne fest – auf jeden Fall entsprechen dieser Vorgabe in Deutschland alle Anlagen, die eine sogenannte „Bauaufsichtliche Zulassung“ aufweisen.

Solche Kleinkläranlagen wurden auf einem offiziellen Prüffeld getestet und können die gesetzlichen Anforderungen an den Kläranlagenablauf, üblicherweise einen chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) unter 140 sowie einen biochemischen Sauerstoffbedarf innerhalb von 5 Tagen (BSB5) unter 40 mg/l zuverlässig garantieren. Bewährt haben sich z. B. Anlagen nach dem SBR- (Sequencing Batch Reactor) oder Festbettverfahren, Tropfkörper, Membranbelebungsreaktoren (MBR), sowie naturnahe Reinigungsverfahren wie Pflanzenkläranlagen oder Abwasserteiche.

Siehe auch

  • Siedlungswasserwirtschaft in Deutschland

Literatur

  • Patrick Diekelmann; Thomas Kluge, Jens Libbe (Hrsg.): Transformation netzgebundener Infrastruktur. Strategien für Kommunen am Beispiel Wasser. Difu, Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin 2006, ISBN 978-3-88118-411-3 (= Difu-Beiträge zur Stadtforschung, Band 45).
  • Jens Libbe, Ulrich Scheele: Räumliche Aspekte von Qualitäts- und Versorgungsstandards in der deutschen Wasserwirtschaft. In: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Infrastruktur und Daseinsvorsorge in der Fläche. Informationen zur Raumentwicklung 1/2 2008, S. 101-112, ISSN 0303-2493.
  • Theo Mann: Die Entwicklung der Abwassertechnik und der Wasserreinhaltung, in: Chemie in unserer Zeit 1991, 25, 87–95; doi:10.1002/ciuz.19910250205.
  • Dieter Weismann, Theodor Gutzeit: Kommunale Abwasserpumpwerke. 2. Auflage, Vulkan, Essen, ISBN 978-3-8027-2843-3.
  • Dieter Weismann, Manfred Lohse (Hrsg.): Sulfid-Praxishandbuch der Abwassertechnik; Geruch, Gefahr, Korrosion verhindern und Kosten beherrschen! Vulkan, Essen 2007, ISBN 978-3-8027-2845-7.
  • Diana Hummel, Alexandra Lux: Die Rechnung geht nicht auf: Weniger Menschen = niedriger Wasserverbrauch. Rückgang der Bevölkerung fordert Planer von Versorgungssystemen heraus, Forschung Frankfurt, 24 (1), S. 60–63 (2006), ISSN 0175-0992.
  • Hans-Jürgen Leist: Wasserversorgung in Deutschland - Kritik und Lösungsansätze. oekom, München 2007, ISBN 978-3-86581-078-6 (= Hochschulschriften zur Nachhaltigkeit, Band 35, zugleich Dissertation an der Universität Hannover 2007 unter dem Titel: Wasserressourcennutzung und Trinkwasserversorgung aus der Sicht eines integrierten Umweltschutzes).

Weblinks/Quellen

Einzelnachweise

  1. Abscheideranlagen: NAIS reines Wasser. nais-rw.de (8. Februar 2009). Abgerufen am 5. August 2012.
  2. Schwefelwasserstoff – Das giftige und korrosive Zivilisationsgas und gleichzeitig Grundbaustein für die Entstehung des Lebens. Schwefelwasserstoff.de. Abgerufen am 5. Juli 2010.

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