Wendekreis (Breitenkreis)
Auf der Erde sind die Wendekreise die beiden Breitenkreise von je 23°26'16" nördlicher und südlicher Breite. Auf diesen beiden Breitenkreisen und zwischen ihnen kann die Sonne jeweils am Mittag senkrecht über der Erde am Himmel stehen (im Zenit), so dass ein senkrechter Stab darunter keinen Schatten mehr wirft. Auf den Wendekreisen ist das am Tage einer Sonnenwende der Fall. Die Wendekreise haben vom Äquator auf der Erdoberfläche je einen Abstand von 2.609 km. Der Gürtel zwischen nördlichem und südlichem Wendekreis wird als die Tropen bezeichnet.
Am Himmel sind die Wendekreise parallele Kreise zum Himmelsäquator. Sie tangieren die scheinbare Jahresbahn der Sonne (die Ekliptik). Ihr Winkelabstand vom Himmelsäquator ist ebenfalls ± 23°26'16". Das sind gleichzeitig die Grenzwerte für den sogenannten Deklinationswinkel der Sonne.
Ursache für die Änderung der Sonnen-Deklination und damit für die Existenz der Wendekreise ist die 23°26'16"-Schiefe der Erdachse relativ zur Erdbahnebene. Da sich diese Schiefe langfristig ändert, ändert sich auch die Lage der Wendekreise. Momentan bewegen sie sich als Folge des Taumelns der Erdachse (Nutation) mit einer Geschwindigkeit von etwa 1 Bogenminute in 128 Jahren oder auch 14,4 m pro Jahr auf den Erdäquator zu.
Nördlicher Wendekreis
Der nördliche Wendekreis (Tropic of cancer) ist der nördlichste Breitenkreis, an dem die Mittagssonne gerade noch den Zenit erreicht, nämlich nur am 21. Juni, dem Tag der Sommersonnenwende der Nordhalbkugel. Er ist der Breitenkreis bei 23°26′16″ nördlicher Breite und verläuft ungefähr durch die Südspitze Niederkaliforniens bei La Paz, nördlich von Kuba über den Atlantik zur mittleren Sahara durch Westsahara, Mauretanien, Mali, Algerien, Libyen und Ägypten. Weiter verläuft der Wendekreis durch die Arabische Halbinsel 112 km südlich von Medina und durch die Vereinigten Arabischen Emirate sowie durch Oman, Indien (Kalkutta), durch Bangladesch, Myanmar, Südchina (Guangzhou), Taiwan und nördlich der Pazifik-Inseln in Richtung Hawaii (136 km nördlich der Insel Kauai).
Der nördliche Wendekreis wird auch „Wendekreis des Krebses“ (lat.: tropicus cancri, engl.: Tropic of Cancer) genannt – im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen. Das Sternbild, das die Sonne zur Sonnenwende durchquerte, war bis 15 v. Chr. das Sternbild Krebs und danach das Sternbild Zwillinge. Seit 1990 n. Chr. findet die Sommersonnenwende im Sternbild Stier statt, weil sich die Äquinoktialpunkte im siderischen Bezugssystem durch die Präzession langsam verschieben.
Völkerrechtliche Relevanz
Der nördliche Wendekreis begrenzt den Wirkungsbereich der NATO auf zur Gebietshoheit von NATO-Bündnispartnern gehörende Inseln im Nordatlantik nach Süden hin.
- Nordatlantikvertrag Artikel 6
- „Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere Parteien jeder bewaffnete Angriff auf … die Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses.“
Südlicher Wendekreis
Der südliche Wendekreis (Tropic of capricorn) ist der südlichste Breitenkreis, an dem die Mittagssonne gerade noch den Zenit erreicht, nämlich nur am 21. Dezember, dem Tag der Sommersonnenwende der Südhalbkugel (in Europa Wintersonnenwende). Er ist der Breitenkreis bei 23°26′16″ südlicher Breite und durchläuft (vom Nullmeridian ostwärts) den Süden Afrikas (Namibia, Botswana, Südafrika, Mosambik, Madagaskar), den Indischen Ozean, Australien, den Pazifik, Südamerika (Chile, den nördlichsten Zipfel Argentiniens, Paraguay, Brasilien) und schließlich den Südatlantik.
Im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen bzw. auch nach dem Sternbild der Ekliptik, in dem die Sonne bei Einführung der Sternbilder in der Antike zur Sonnenwende stand, wird der südliche Wendekreis auch „Wendekreis des Steinbocks“ (lat.: tropicus capricorni, engl.: Tropic of Capricorn) genannt. Zurzeit steht die Sonne zur Sonnenwende bedingt durch die Präzession im Sternbild Schütze.
Sonstiges
Wendekreis des Krebses und Wendekreis des Steinbocks sind auch die Titel zweier Romane von Henry Miller.
Siehe auch