Wandernde Felsen
Wandernde Felsen (engl. wandering rocks oder sailing stones) sind ein Phänomen auf der Racetrack Playa (dt. „Rennbahn-Ebene“) im Death Valley.
In einem ausgetrockneten See im Westen des Death-Valley-Nationalparks wandern bis zu 350 kg schwere Felsbrocken sporadisch über die fast vollkommen flache Ebene. Die Bewegungen konnten bisher nicht von Menschen direkt beobachtet werden, finden aber typischerweise im Winter statt. Die Ursache der Bewegung der Steine ist bislang ungeklärt, aber die hinterlassenen Spuren dokumentieren deutlich die Bewegungsvorgänge. Bewegungen mit einer Tendenz von Süden nach Norden und Nordwesten sind am häufigsten. Die Rillen sind zwischen wenigen Zentimetern und etwa 1000 Metern lang, teilweise schnurgerade, teilweise völlig verwunden. Nach längstens einigen Jahren verschwinden die Rillen durch Erosion wieder, was die Verfolgung des Gleitens der Steine über längere Zeiträume erschwert.
Untersuchungen
Trotz eines Jahrhunderts der Forschung konnte das Rätsel bisher nicht zufriedenstellend gelöst werden. Nach aktuellen Theorien werden die Felsbrocken vom Wind bewegt, der in diesem Gebiet vor allem während der heftigen Winterstürme häufig Orkanstärke erreicht. Um die bis zu 350 kg schweren Felsen zu bewegen, wären allerdings Windgeschwindigkeiten von über 800 Kilometern pro Stunde erforderlich.
Da das Gebiet unter Naturschutz steht und zu 95 Prozent als „unberührte Wildnis“ ausgewiesen ist, sind dauerhafte Installationen wie fest montierte Kameras zur Überwachung nicht zulässig. Gerade in der Zeit der stärksten Bewegungen während Regenperioden ist der Zugang gänzlich untersagt, da jeder Fußabdruck im dann weichen Grund die Oberfläche dauerhaft verändert.
Bei neueren Untersuchungen wurden sämtliche „wandernden Felsen“ von Paula Messina mit GPS-Unterstützung kartiert und ihre Position regelmäßig überwacht. Dabei stellte sich heraus, dass weder die Größe bzw. das Gewicht noch die Form der einzelnen Felsen einen nachvollziehbaren Einfluss auf Geschwindigkeit oder Geradlinigkeit der Wanderung haben.
Vielmehr scheint die Wanderung stark von der Position des jeweiligen Felsens abzuhängen, beispielsweise befinden sich die längsten und geradesten Spuren an Stellen, die wie ein natürlicher Windkanal wirken und so die Luftbewegung kanalisieren und verstärken. Die am stärksten „verwundenen“ Spuren dagegen befinden sich in einem Bereich, wo zwei solche Luftströmungen aufeinandertreffen und Wirbel bilden.
Dennoch bleibt die Frage, wie der Wind bis zu 350 kg schwere Felsen so leicht bewegen kann. Einer aktuellen Hypothese nach bilden die im Boden vorhandenen Bakterien in Regenzeiten auf der Oberfläche einen „Schmierfilm“, der die Reibung zwischen Stein und Boden stark vermindert. Aufgrund der rechtlichen Beschränkungen der Beobachtungen konnte diese Theorie allerdings bisher nicht verifiziert werden.
Eine weitere These besagt, dass sich bei den nächtlichen Temperaturen während der Wintermonate Eis bildet, welches die Felsen auf der Racetrack Playa wie auf Eisschollen fortbewegen könne. Dies würde auch erklären, warum die größeren Felsen weiter wandern als kleine, da sie langsamer bremsen, wenn sie erstmal in Fahrt seien. Besonders während das Eis schmelze, sinke der Fels in den Sand, wo jene ominöse Spuren entstünden.
Forscher räumen ein, nicht jede Bewegung der Steine könne dem Eis zugeschrieben werden. Vielmehr handele es sich um einen komplexen Mechanismus zwischen Wind, Eis, Regen, tonigen Boden und Algen, welcher bis heute nicht eindeutig zu erklären sei.
Auf der Herbsttagung 2010 der Amerikanischen Geophysikalischen Union (AGU) in San Francisco (13.-17. Dezember 2010) stellte der NASA-Geologe Gunther Kletetschka seine im Laborexperiment gewonnene Theorie vor, wonach die Felsen im Verlauf von Winterstürmen von einer Eisschicht, die auf nachströmendem Wasser aufschwimmt, angehoben und entsprechend den entstehenden Strömungen und Turbulenzen bewegt werden.[1] Diese Theorie erklärt auch Randphänomene wie die Entstehung von Spuren ohne Steine oder mit Abmessungen, die von denen der Steine abweichen.
In der Natur hatte Kletetschka im März 2010 einige der Steine mit GPS-Empfängern markiert und bis zu einem gewissen Berichtszeitpunkt keine Bewegung festgestellt, was nach seinen bisherigen Ergebnissen durch die im Sommer fehlenden Wetterbedingungen erklärt würde. Weitere Aufschlüsse und letztlich den eventuellen Beweis für die Richtigkeit der Theorie soll eine umfangreichere Instrumentierung der Steine liefern.
Literatur
- Paula Messina: The Sliding Rocks of Racetrack Playa, Death Valley National Park, California: Physical and Spatial Influences on Surface Processes. Dissertation, City University of New York, Department of Earth and Environmental Sciences, New York 1998 (unveröffentlicht).
- Paula Messina, Phil Stoffer, Keith C. Clarke: Mapping Death Valley's Wandering Rocks. In: GPS World. The business and technology of GNSS, Bd. 8 (1997), Heft 4, S. 34–44, ISSN 1048-5104.
- Robert P. Sharp, Allen F. Glazier: Geology Underfoot in Death Valley and Owens Valley. Mountain Press Publ., Missoula 1997, ISBN 0-87842-362-1.
- George M. Stanley: Origin of playa stone tracks. Racetrack Playa, Inyo County, California. In: Geological Society of America Bulletin, Bd. 66 (1955), S. 1329–1350, ISSN 0016-7606.
- John B. Reid Jr., Edward P. Bucklin, Lily Copenagle, Jon Kidder, Sean M. Pack, Pratigya J. Polissar, Michael L. Williams: Sliding rocks at the Racetrack, Death Valley. What makes them move? In: Geology, Bd. 23 (1995), Heft 9, S. 819–822, ISSN 0091-7613.
- Robert P. Sharp, Dwight L. Carey, John B. Reid Jr., Pratigya J. Polissar, Michael L. Williams: Sliding rocks at the Racetrack, Death Valley. What makes them move? Discussion and Reply. In: Geology, Bd. 25 (1996), S. 766–767, ISSN 0091-7613.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Axel Bojanowski: Forscher erklärt Mysterium der streunenden Felsen. In: Der Spiegel vom 16. Dezember 2010 (populärwissenschaftlicher Bericht)
36.681295-117.5626941130Koordinaten: