Urmeter
Als Urmeter (französisch mètre des archives ‚Archivmeter‘) bezeichnet man die Maßverkörperung der in Frankreich am 1. August 1793 erstmals eingeführten dezimalmetrischen Längeneinheit Meter.
In der Intention der bürgerlichen Dezimalmeterdefinition sollte ein Meter der zehnmillionste Teil des Viertels des meridionalen Erdumfanges sein, was etwa der Länge eines Sekundenpendels entspricht.
Der Begriff des Urmeters bezieht sich insbesondere auf das zweite Spezimen von 1799, jenes Endmaß aus Platiniridium, das bis 1889 die Längeneinheit verkörperte. Vielfach wird aber auch der internationale Meterprototyp von 1889 als Urmeter bezeichnet.
Herstellung des ersten Urmeters
Am 26. März 1791 beschloss die verfassunggebende Versammlung in Paris auf Vorschlag der Académie des sciences (Akademie der Wissenschaften) die Einführung einer universellen Längeneinheit. Das neue, noch nicht „Meter“ genannte Längenmaß solle der zehnmillionste Teil des Erdmeridianquadranten (Strecke vom Pol zum Äquator) sein. Dazu sollte der Meridianbogen von Dünkirchen bis Barcelona von zwei französischen Astronomen, Jean-Baptiste Joseph Delambre und Pierre Méchain, neu vermessen werden, was sich allerdings in den Wirren der französischen Revolution bis 1798 hinzog. 1791 wurde ein anderer Definitionsvorschlag Talleyrands und Jeffersons, basierend auf einem Sekundenpendel, verworfen, da diese Methode von lokalen Unterschieden der Erdbeschleunigung beeinflusst worden wäre.
Am 1. August 1793, unter der Terrorherrschaft, wurde dieses Längenmaß – auf Vorschlag Bordas Meter genannt – im Nationalkonvent gesetzlich eingeführt, allerdings mit einem provisorischen Wert von 443,440 Pariser Linien, was knapp 1000,325 Millimetern entspricht. Auf Grundlage dieses Wertes wurde 1795 ein erster Messing-Prototyp hergestellt.
Das zweite, „definitive“ Urmeter
Nach Abschluss der Triangulationen zwischen Dünkirchen und Barcelona wurde 1799 ein zweites sogenanntes definitives Urmeter aus Platin hergestellt und am 22. Juni 1799 im französischen Nationalarchiv in einem Stahlschrank verschlossen. Heute wird es in einem Tresor des Internationalen Büros für Maß und Gewicht (BIPM) in Sèvres bei Paris aufbewahrt.
Allerdings ist dessen Genauigkeit – bezüglich des angestrebten zehnmillionsten Teils der Distanz vom Äquator zum Pol – mit definierten 443,296 Pariser Linien, noch geringer als die des sogenannten „provisorischen Meters“, da diese Distanz nach dem WGS84 etwa 10001,966 km beträgt.[1] Die Übernahme dieses Urmeters als Maßeinheit wurde am 20. Mai 1875 in der „internationalen Meterkonvention“ von siebzehn Staaten beschlossen.
Internationaler Meterprototyp von 1889 (drittes Urmeter)
Am 26. September 1889 wurde das Urmeter von der Generalkonferenz für Maß und Gewicht durch einen Meterprototypen aus einer Legierung aus 90 % Platin und 10 % Iridium ersetzt. Auf diesem 102 cm langen Normal mit X-förmigem Querschnitt (20 × 20 mm) repräsentierten Strichgruppen die Länge von einem Meter. Definiert wurde er über den Abstand der Mittelstriche dieser Strichgruppen – aufgrund der Wärmeausdehnung des Materials bei einer Temperatur von 0 °C. Diese Längendefinition besaß eine Genauigkeit von 10−7 und war damit um drei Größenordnungen genauer als das Urmeter von 1799. Kopien dieses Meterprototyps wurden an die Eichinstitute in vielen Ländern vergeben.
Besitz offizieller Kopien des Prototyps von 1889 in Deutschland
Gleichzeitig mit dem Pariser Urmeter von 1889, sozusagen der Nummer Null, wurden noch dreißig nummerierte Kopien des dritten Urmeters hergestellt. Die Kopien, in Deutschland despektierlich auch „Knüppel“ genannt, wurden an die Mitgliedsstaaten verlost. Deutschland erhielt die Kopie Nr. 18. Da das Königreich Bayern 1870, noch vor der Reichsgründung, als eigenständiges Mitglied beigetreten war, nahm es auch an der Verlosung teil und erhielt die Kopie Nr. 7. Während des Dritten Reiches musste Bayern sein Exemplar an die Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR) Berlin abgeben. Weil die meisten PTR-Laboratorien 1943 von Berlin vor allem nach Weida in Thüringen verlagert worden waren, blieben auch beide Spezimen zwischen 1949 und 1990 im Besitz der DDR. Da Westdeutschland nun ohne Prototyp dastand, erwarb es 1954 die Kopie Nr. 23 von Belgien, das auch zwei Kopien (für Flandern und Wallonien) erhalten hatte. Zwei der drei Exemplare (die Kopien Nr. 18 und 23) befinden sich heute in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Dort befand sich bis 2001 auch die Kopie Nr. 7, bevor sie an den Freistaat Bayern zurückgegeben wurde und seitdem im Bayerischen Landesamt für Maße und Gewichte in München aufbewahrt wird.
Neudefinitionen des Meters aufgrund Optik und Zeitmessung
Der Meterprototyp wurde erst 1960 abgelöst, als die Generalkonferenz für Maß und Gewicht den Meter als das 1.650.763,73 fache der Wellenlänge der von Atomen des Nuklids Krypton-86 beim Übergang vom Zustand 5d5 zum Zustand 2p10 ausgesandten, sich im Vakuum ausbreitenden Strahlung definierte. Damit wurden Genauigkeiten von 10-8 erreicht.
Da die früheren Definitionen des Meters im SI-System auf der Basis des Internationalen Meterprototyps oder einer bestimmten Wellenlänge im Vergleich zur mit Atomuhren gemessenen Sekunde relativ ungenau waren, entschloss man sich, das Meter auf der Basis der Sekunde und der Vakuumlichtgeschwindigkeit neu zu definieren. Seit 1983 ist demnach die SI-Basiseinheit Meter wie folgt festgelegt.
- 1 Meter ist jene Strecke, die das Licht im Vakuum in 1 / 299.792.458 Sekunden zurücklegt.
Der „krumme“ Wert für die fest definierte Vakuumlichtgeschwindigkeit wurde gewählt, um die Abweichungen zum alten System möglichst gering zu halten, das heißt eine aus der Zeit errechnete Länge hat fast denselben Wert, der sich aus einem Vergleich mit dem Urmeter ergeben würde. Es ist dabei vollkommen unerheblich, ob eine Strecke ($ x $) oder eine Zeitspanne ($ t $) als Längenmaß verwendet werden, da diese zwei Größen durch die Vakuumlichtgeschwindigkeit ($ c_{0} $) über die Formel
- $ x=c_{0}\cdot t\, $
miteinander verknüpft sind. Mit Hilfe der Vakuumlichtgeschwindigkeit kann man so räumliche und zeitliche Größen ineinander überführen. Ein Lichtjahr ist beispielsweise die Strecke, die das Licht in einem irdischen Jahr zurücklegt: Etwa 9,4605 Billionen Kilometer.
Festzuhalten bleibt aber, dass alle Änderungen der Definition seit 1799 stets nur eine höhere Präzision anstrebten. Keinesfalls wurde je beabsichtigt, das Maß an sich zu ändern, etwa um die ursprüngliche Definition bezüglich des Abstandes vom Pol zum Äquator genauer zu erreichen.
Siehe auch
Weblinks
Referenz
- ↑ The Earth according to WGS 84, calculated by Sigurd Humerfelt.