Trägheitsradius
Bei Strukturuntersuchungen an weicher Materie ist der Trägheitsradius (auch Streumassenradius genannt) eine wichtige Größe zur Charakterisierung der räumlichen Ausdehnung unregelmäßig geformter Partikel. Er lässt sich durch Streuexperimente bestimmen.
Die Definition des Trägheitsradius ähnelt der des Trägheitsmoments. Bestehen die Partikel aus N gleichartigen Bausteinen mit Ortsvektoren $ {\vec {r}}_{1}\dots {\vec {r}}_{N} $, so ist das Quadrat des Trägheitsradius $ R_{G} $ definiert als der mittlere quadratische Abstand der Bausteine zum Schwerpunkt $ {\vec {r}}_{S} $ des Partikels,
- $ R_{G}^{2}={\frac {1}{N}}\sum _{i=1}^{N}\left|{\vec {r}}_{i}-{\vec {r}}_{S}\right|^{2} $.
Bei den „Bausteinen“ kann es sich beispielsweise um die Monomere einer Polymerkette handeln. Ist die Massenverteilung im Partikel durch eine Massendichte $ \rho ({\vec {r}}) $ gegeben, so ergibt sich für den Trägheitsradius
- $ R_{G}^{2}={\frac {1}{M}}\int {\mbox{d}}^{3}r\,\rho ({\vec {r}})\left|{\vec {r}}-{\vec {r}}_{S}\right|^{2} $,
wobei M die Masse des Partikels ist. Je kompakter ein Objekt ist, desto kleiner ist sein Trägheitsradius. Im Extremfall einer homogenen Kugel mit Radius R ergibt sich RG = (3/5)1/2R.
Der Trägheitsradius lässt sich durch Streuexperimente an einer verdünnten Suspension bzw. Lösung der Partikel bestimmen: Für kleine Streuvektoren $ {\vec {q}} $ lässt sich die Strukturfunktion S durch
- $ S({\vec {q}})\approx N\left(1-{\frac {q^{2}R_{G}^{2}}{3}}\right) $
annähern, sie hängt dann also nur von der Zahl der Bausteine N und dem Trägheitsradius ab. Dieser Zusammenhang ist als Guinier-Gesetz bekannt. Zur Messung des Trägheitsradius von suspendierten Kolloiden oder gelösten Polymeren eignet sich oft die Lichtstreuung. Um die räumliche Ausdehnung der verknäuelten Kettenmoleküle in einer Polymerschmelze zu charakterisieren, bietet sich die Kleinwinkel-Neutronenstreuung an; um einen Streukontrast zu erhalten, wird dabei der Schmelze ein geringer Anteil deuteriertes Polymer zugesetzt.