Teilkristallin

Teilkristallin

Einen Feststoff, welcher sowohl kristalline als auch amorphe Bereiche (Domänen) enthält, bezeichnet man als teilkristallin. Der Begriff teilkristallin spielt im Wesentlichen in der Polymerphysik eine Rolle. Kühlt man die Schmelze eines Polymer ab, so bewegen sich die Ketten immer weniger und beginnen sich regelmäßig anzuordnen (kristallisieren). Da die Ketten aber ineinander verschlauft sind (englisch entangled), kann dieser Prozess nicht in der ganzen Probe stattfinden sondern nur in Domänen. Im Rest der Probe erstarren die Ketten ungeordnet (amorph).

Polymere kristallisieren umso mehr, je langsamer die Schmelze abgekühlt wird. Es kristallisieren iso- oder syndiotaktische Polymere (Taktizität). Ataktische Polymere kristallisieren nur, wenn die Substituenten sehr klein sind, wie beim Polyvinylfluorid. Polymere mit kleinen Seitenketten kristallisieren besser als solche mit großen. Ebenso kristallisieren vernetzte oder verzweigte Polymere nicht.

Kristalline Substanzen, die nicht als Einkristall sondern als Polykristalle vorliegen, werden nicht als teilkristallin bezeichnet, auch wenn sich zwischen den Kristalliten ein dünner amorpher Film befindet.

Kristallinität, Kristallinitätsgrad, Kristallisationsgrad

Der Kristallinitätsgrad bezeichnet den Anteil eines teilkristallinen Feststoffes, der kristallin ist. Bei Polymeren hängt der Kristallinitätsgrad von der thermischen Vergangenheit des Materials ab. Tempern, das heißt das Polymer lange Zeit auf eine Temperatur knapp unterhalb des Schmelzpunktes zu erwärmen, erhöht die Kristallinität. Die Polymerketten können sich dann ordnen. Methoden zur Bestimmung der Kristallinität bei Polymeren sind DSC, Dichtemessung, Doppelbrechungsmessungen mit dem Polarisationsmikroskop, Röntgenbeugung, Infrarotspektroskopie oder Kernspinresonanz (NMR). Die verwendete Einheit der Kristallinität hängt von der Messmethode ab. In der Regel wird sie als Massenbruch oder Molenbruch angegeben.

Typischerweise werden Kristallinitäten von 10 bis 80 % technisch angewendet. Das Erreichen von höheren Kristallinitäten ist nur möglich bei niedermolekularen Materialien oder speziell getemperten Proben. Im ersteren Fall wird das Material dadurch spröde, im letzteren ist das Tempern zu kostspielig für eine Anwendung. Kristallinitäten unter 10 % führen zu einer zu hohen Kriechneigung, wenn der Glasübergang unterhalb der Anwendungstemperatur liegt.

In der Regel sind teilkristalline Polymere opak, d. h. eingetrübt. Das liegt an der Lichtbrechung aufgrund der unterschiedlichen Brechungsindices von kristallinen und amorphen Bereichen. Der Eintrübungsgrad nimmt mit der Kristallinität zu, hängt aber auch von Unterschieden im Brechungsindex ab. So ist z. B. syndiotaktisches Polypropylen fast vollständig durchsichtig, während isotaktisches Polypropylen mit vergleichbarer Kristallinität von ca. 50 % stark opak ist. Das lässt sich durch die unterschiedliche Kristallstruktur dieser beiden Modifikationen erklären.

Siehe auch

Literatur

  • Bernd Tieke: Makromolekulare Chemie. Eine Einführung. Wiley-VCH, Weinheim 2000, ISBN 978-3527293643.