Tabakanbau in Deutschland
Der Tabakanbau in Deutschland hat zwar eine über 400 Jahre alte Tradition vorzuweisen, unter den deutschen Klimaverhältnissen ist er jedoch eine Sonderkultur in pflanzenbaulicher Grenzlage. Hohe Nachfrage nach Tabakprodukten, Devisenmangel und Einfuhrbeschränkungen des Staates, sowie hohe Flächen- und ausreichende Arbeitsproduktivität für kinderreiche Bauernfamilien waren die Basis für die Ausbreitung der deutschen Tabakproduktion, die seit Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland kaum noch Bedeutung hat. Die Beschreibung des weltweiten Anbaus findet sich unter Tabak.
Geschichte des Anbaus
Nach einer Urkunde aus der Pfalz soll der erste Tabak in Deutschland im Jahr 1573 im Pfarrgarten von Hatzenbühl (Bistum Speyer) angebaut worden sein. Die Geistlichen jener Zeit galten oftmals als Übermittler botanischer Neuerungen und neuer medizinischer Anwendungen. So interessierte zunächst die Anwendung von Tabak in der Medizin. Pfalzgraf Friedrich IV ordnete bereits 1598 Anbauversuche in der Kurpfalz an. 1615 wurde in Holland der erste Tabakbau zu Erwerbszwecken aufgenommen. „Holländischer Knaster“ in der „Delfter Thonpfeife“ geraucht und holländischer Schnupftabak wurden zur Mode. Holländische Tabakbauern ließen sich im Raum Mannheim nieder und bauten die Sorten „Amersforter“, „Geudertheimer“ und „Goundie“ an. Durch die im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) in Deutschland herumziehenden Söldnerheere wurde das Tabakrauchen stark verbreitet. Die in der Markgrafschaft Baden-Durlach und dem Bistum Speyer aufgenommenen Hugenotten brachten Tabaksamen und Anbauerfahrung aus Frankreich mit und schufen damit die Voraussetzung für die weitere Verbreitung des Anbaus in Deutschland. Die mitgebrachte Tabaksorte wurde nach der neuen Heimat „Friedrichstaler“ genannt. Herrschaftshäuser in Ostdeutschland warben Hugenotten und Pfälzer als Tabakbauern mit großzügigen Privilegien an. So entstanden auch in Pommern und der Uckermark bedeutende Anbaugebiete. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer großen Ausbreitung; ca. 200.000 Landwirtschaftsbetriebe bauten damals auf über 30.000 ha Tabak an. (Baden 10.000 ha, Preußen 7.000 ha, Bayern einschl. Pfalz 7.000 ha, restliche deutsche Länder 6.000 ha). Ab Anfang des 20. Jahrhunderts wurde für die kleinbäuerliche Landwirtschaft insbesondere in Baden und der Südpfalz Tabak eine der wichtigsten Einnahmequellen. Tabak bot vielen Landwirtsfamilien sowie vielen Taglöhnern Arbeit und Einkommen, nachdem ein Beimischungszwang für heimischen Tabak in Zigarren und Zigaretten in Deutschland eingeführt worden war. Zur Verbesserung der deutschen Tabakqualitäten wurde 1927 ein Tabakforschungsinstitut in Forchheim mit Paul Koenig als erstem Direktor gegründet.
Die europäische Tabakblauschimmel-Pandemie im Jahr 1960, die durch unvorsichtiges Hantieren eines Wissenschaftlers mit diesem Peronospora-Pilz an der Bundesanstalt für Tabakbau in Forchheim verursacht wurde, stellte das Überleben vieler landwirtschaftlicher Betriebe in Frage. Der damals bereits begonnene Strukturwandel der Landwirtschaft wurde in den Tabakanbaugebieten durch diesen Einkommensverlust noch verstärkt. Der Tabakanbau spielt in Deutschland seit der Jahrtausendwende nur noch in wenigen Regionen (Südpfalz, Nordbaden, Uckermark) eine wirtschaftlich bedeutsame Rolle[1][2].
Mit 4.600 ha Tabakanbau in Deutschland (2009) hat sich die Anbaufläche seit Jahren kaum verändert. Das größte Anbaugebiet liegt in Baden-Württemberg (39 %), gefolgt von Rheinland-Pfalz (26 %), Bayern (16 %) und Brandenburg (7 %). Alle anderen Länder haben mit zusammen 12 % Anbauflächenanteil keine Bedeutung[3].
Mit 4000 Arbeitsstunden pro Hektar war der Arbeitsaufwand (Ende 19. Jahrhundert) allerdings sehr hoch, aber die Einnahmen pro Flächeneinheit um das 10 bis 20fache höher als bei Getreideanbau. Durch entsprechende Mechanisierung konnte inzwischen der Handarbeitsaufwand gesenkt werden, beträgt aber (2007) noch immer ca. 1000 Std./ha.
Anbau
Die Auspflanzung des Tabaks im Feld erfolgt in Deutschland Anfang Mai, wenn die Gefahr von Spätfrösten nicht mehr besteht. Die früher übliche Handpflanzung ist verschwunden; seit den 1960er Jahren erfolgt die Pflanzung mit traktorgezogenen Pflanzmaschinen. Die Pflege des Tabaks auf dem Feld beschränkte sich bis 1959 in erster Linie auf die mechanische Unkrautbekämpfung mit Handhacke, Hackgeschirr und Häufelpflug.
Nach der Ernte treiben die in den Blattachseln entstehenden „Geiztriebe“ erneut aus. Die neuen Blätter werden als Nachtabak bezeichnet. Im letzten Jahrhundert wurde der Nachtabak von den Anbauern zum „Selbstverbrauch“ aufbereitet und der blattlose „Tabakstrunk“ getrocknet und als Heizmaterial verwendet.
Die geernteten Tabakblätter werden mehrere Wochen lang getrocknet. Der Wassergehalt der Blätter sinkt von 90 % direkt nach der Ernte auf einen Gehalt von etwa 15 %, die Blätter färben sich braun und chemische Abbauprozesse setzen ein. In Deutschland ist die Trocknung in Tabakschuppen die bevorzugte Methode. Solche Tabakschuppen, meist große hölzerne Gebäude, sind typisch für die (süddeutschen) Tabakanbaugebiete.
Vermarktung
Die dunklen Tabaksorten Geudertheimer und Friedrichstaler wurden in der Zigarrenfabrikation verwendet. Die hellen Sorten Burley und Virgin finden noch heute ihren Absatz als Zigarettentabak. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurde durch einen gesetzlichen verordneten Beimischungszwang deutscher Tabake der Absatz gesichert. Zigaretten mit einem Anteil deutschen Tabaks finden sich noch heute in Roth-Händle-Zigaretten. Die Anbauer sind im Bundesverband deutscher Tabakpflanzer[4], die Tabakverarbeiter im Verband der deutschen Rauchtabakindustrie[5] zusammengeschlossen. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts sind mehrere Untersuchungen auf dem Weg, das spezielle pflanzenbauliche Wissen der Tabakanbaubetriebe für andere Kulturen zu nutzen bzw. den Anbauern entsprechende Anbaualternativen aufzuzeigen.[6]
Siehe auch
- Tabakrauchen
- Tabakwerbung
- Tabaksteuer
- Tabakindustrie
- Tabakverordnung
- Rauchverbot
- Rückstandsrauchen
- Tabakmuseum Mahlberg, ein Tabakmuseum in Baden-Württemberg mit rund 1.500 m² Ausstellungsfläche
- Deutsches Tabak- und Zigarrenmuseum in Bünde
Literatur
- Arnold Hauck: Duwaggbreche in Stutensee. Stutensee Hefte, Stadt Stutensee 2003.
- Friedrich Wilhelm Hauck: Untersuchungen über die Absatzverhältnisse inländischer Rohtabake und Möglichkeiten zu deren Förderung. Diss. Stuttgart-Hohenheim, 1952/53.
- Hanna Heidt: Erinnerungen an die Vergangenheit. Schwanen Stutensee.-Staffort 2003.
- B. Hortmann: Der Tabakbau, J.L. Romen’sche Buchhandlung, Emmerich 1855.
- Armando T. Hunziker: The Genera of Solanaceae. A.R.G. Gantner Verlag K.G., Ruggell, Liechtenstein 2001, ISBN 3-904144-77-4.
- Manfred G. Raupp: Die Entwicklung des Tabakanbaus in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in der Gemeinde Staffort. Nürtingen 1962.
- Jacob Wolf: Der Tabak und die Tabakfabrikate. Leipzig 1912.
- Webinformation zu Tabak der Proplanta Hohenheim.
- Fotoreportage zu Tabak in Brandenburg
Einzelnachweise
- ↑ Tabakanbau in Baden-Württemberg 2003
- ↑ Tabakanbau in der Uckermark 1993/94
- ↑ Tabakanbau-Statistik der Proplanta für Deutschland 2009
- ↑ Information zum Bundesverband deutscher Tabakpflanzer
- ↑ Informationen zum Verband der deutschen Rauchtabakindustrie
- ↑ Süßer Abschied vom kratzigen Rauch; Job-Alternativen für Tabak-Bauern, Information der Universität Hohenheim 2008