Siedekühlung
Siedekühlung (Verdampfungskühlung) ist im Vergleich mit den konkurrierenden Methoden Wärmeleitung, Konvektion und Wärmestrahlung die wirkungsvollste Möglichkeit, einem System oder Gegenstand Wärme bzw. thermische Energie zu entziehen.
Prinzip
Ein gut wärmeleitendes Metall wie Kupfer erhält eine große Anzahl paralleler, vertikaler Bohrungen, in die von unten eine Kühlflüssigkeit, meist Wasser, gepumpt wird. Diese verdampft an der heißen Oberfläche und benötigt dazu sehr viel Wärmeenergie (latente Wärme), was wiederum für sehr effektive Kühlung des Metalls sorgt. Der Dampf wird abgesaugt und an anderer Stelle durch einen Luftkondensator geleitet, wodurch der Dampf unter Wärmeabgabe wieder kondensiert.
Bohrungen besitzen gegenüber glatten Flächen den Vorteil, dass die aufsteigenden Dampfblasen eine stärkere turbulente Strömung erzeugen und so das Filmsieden mit zu geringem Wärmeübergang vom Metall zur Flüssigkeit unterbinden.
Der große Vorteil der Siedekühlung gegenüber anderen Kühlverfahren ist die sehr große Leistungsdichte und auch der Schutz vor Überhitzung, solange Kühlflüssigkeit nachgepumpt wird. Es lassen sich mit Wasser Wärmestromdichten von maximal 300 kW/m2 erreichen, ohne die Wärmeübergangsflächen zu beschädigen.
Um Wasser bei 100 °C und 1013 mbar zu verdampfen, ist nach Tabelle[1] die Verdampfungswärme von ΔU = 2257 kJ/kg aufzuwenden. Die spezifische Wärmekapazität von flüssigem Wasser beträgt dagegen lediglich 4,187 kJ/(kg·K). Um mit einer konventionellen Wasserkühlung bei identischem Kühlmittelumlauf dieselbe Wärmeabfuhr zu erreichen, müsste somit das Wasser um 540 K erwärmt werden.
Leistungsvergleich
Die folgende Tabelle zeigt am Beispiel von Senderöhren für verschiedene Kühlungsarten den Aufbau der Anode und die maximale spezifische Belastbarkeit.
Kühlungsart | Anodenart | max. spezifische Belastbarkeit |
---|---|---|
Strahlung | Graphit, Molybdän | 10 W/cm² |
Druckluft | Außenanode aus Kupfer mit Kühlrippen | 50 W/cm² |
Wasser- oder Ölkühlung | Außenanode aus Kupfer, von Kühlflüssigkeit umströmt | 100 W/cm² |
Siedekühlung | Außenanode aus Kupfer, Wasser wird verdampft | 500 W/cm² |
Die mit Abstand größte Belastbarkeit ergibt sich bei der Siedekühlung. Hierbei wird die hohe Verdampfungswärme des Wassers ausgenutzt, um auf diese Weise eine hohe Leistungsdichte zu erzielen.
Anwendungen
Anoden von Elektronenröhren
Lee de Forest, von der Western Electric Company in Chicago, hatte bereits im Jahre 1915 in den USA vorgeschlagen, größere Leistungen der Elektronenröhren durch eine Wasserkühlung der Anode abzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war man jedoch nicht in der Lage, vakuumdichte Verbindungen zwischen Glas und Kupfer (Anode) herzustellen. Erst in den 20er Jahren wurde dieses Problem durch eine sogenannte Schneiden-Anglasung gelöst. Im Laufe der Jahre wurden neben der Luftkühlung auch weitere Kühlarten entwickelt und eingeführt. Die zuletzt eingeführte Kühlart ist die Verdampfungskühlung (Siedekühlung). Sie ist auch die wirtschaftlichste Form. Der Kühlmittelverbrauch beträgt pro kW Röhrenleistung etwa 0,03 l/min. Bei Rück-Kühlung des Dampfes ist nur eine Ergänzung eventueller Wasserverluste im Kreislauf notwendig.
Wärmerohr
Wärmerohre (Heat Pipes). Diese Methode benötigt keine Hilfsenergie und arbeitet geräuschlos.
Siedewasserreaktoren
In Siedewasserreaktoren werden so die Brennstäbe gekühlt.
Hochofenmantelkühlung
Hochöfen können für die Mantelkühlung statt mit einer normalen Wasserkühlung auch mit einer Siedekühlung ausgerüstet werden. Die Siedetemperatur liegt bei dieser Kühlart entsprechend der höhenmäßigen Anordnung für die obere Trommel, in der die Trennung in Wasserdampf und Wasser erfolgt, nur wenig über 100 °C. Hauptvorteil ist die konstante Materialtemperatur für den äußeren Mantel des Hochofens einschließlich der Verrohrung und der Anschlüsse für die Kühlkästen.
Siedekühlung für Verbrennungsmotoren
Die Siedekühlung (Verdampfungskühlung) bezeichnet bei Verbrennungsmotoren ein offenes Kühlsystem und fand wegen ihres einfachen Aufbaus ohne Wärmeübertrager (Kühler) und Zirkulationspumpe (Wasserpumpe) in den Anfängen des Motorenbaus Verwendung, vorwiegend bei einzylindrigen Stationärmotoren[2], Traktoren und Baumaschinen, vereinzelt allerdings auch bei Flugzeugmotoren.
Der Zylinder ist im Motorblock von einem Wassermantel umgeben, das erforderliche Kühlwasser (Kühlmedium) wird einfach von oben durch eine Öffnung im Motorblock eingefüllt. Die Einfüllöffnung hat einen Durchmesser von ca. 15 cm und wird nicht verschlossen. Die beim Betrieb des Verbrennungsmotors entstehende Wärme bringt nach einiger Zeit, abhängig von Belastung, Höhe über dem Meeresspiegel und Außentemperatur, das Kühlwasser zum Kochen und Verdampfen, ohne dass es zu einem weiteren Temperaturanstieg kommt. Die Motortemperatur beträgt konstant 100 °C (auf Meereshöhe) und kann diesen Wert nicht übersteigen, solange sich ausreichend Wasser im System befindet. Der entstehende Wasserdampf entweicht durch die Einfüllöffnung nach oben. Zur Kontrolle des Wasserstandes befindet sich an der Einfüllöffnung ein Schwimmer mit einem Messstab, der nach oben aus dem Motorblock ragt.
Der Vorteil des offenen Kühlsystems ist sein einfacher Aufbau. Die Nachteile sind der hohe Wasserverbrauch (bei Volllast bis zu mehreren Eimern Wasser pro Tag), und der durch den Wassermantel erforderliche vergleichsweise sehr große Motorblock und das damit verbundene hohe Gewicht.
Die Verdampfungskühlung findet in den westlichen Industrieländern bei Verbrennungsmotoren seit ca. 1950 keine Verwendung mehr, jedoch werden in China, Indien usw. auch heute noch Motoren mit Verdampfungskühlung hergestellt, da durch den einfachen Aufbau (ohne Wasserpumpe, Schläuche, Kühler und Thermostat) die Herstellung und eventuelle Reparaturen sehr einfach sind.
Quellen
- Hans Heinrich Meinke, Friedrich-Wilhelm Gundlach: Taschenbuch der Hochfrequenztechnik. Springer 1992, ISBN 3-540-54715-0
- Tom Lewis: Empire of the Air: The Men Who Made Radio. Harpercollins 1991, ISBN 0-06-018215-6