Sachverständigenrat für Umweltfragen

Sachverständigenrat für Umweltfragen

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (kurz SRU, bis 2005 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen), auch bekannt als Umweltrat, ist ein wissenschaftliches Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung. Der SRU begutachtet die Umweltsituation in Deutschland und berät die Bundesregierung hinsichtlich ihrer zukünftigen Umweltpolitik. Er wurde 1971 durch Erlass der Bundesregierung beim Bundesministerium des Innern eingerichtet.[1] Ein eigenständiges Bundesumweltministerium gibt es in Deutschland erst seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986, an das nach seiner Gründung die fachliche Zuständigkeit für den SRU überging.[2]

Der Umweltrat ist nicht an Weisungen gebunden und entscheidet selbst über die Themen seiner Gutachten, Stellungnahmen und sonstigen Publikationen; diese sind online erhältlich (siehe unten "Weblinks").

Der Sachverständigenrat wird von einer Geschäftsstelle unterstützt, die sich in Berlin befindet.

Mitglieder

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat sieben Mitglieder. Alle Mitglieder müssen über besondere wissenschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen im Umweltschutz verfügen. Sie dürfen in den letzten sieben Jahren vor ihrer Berufung keiner juristischen Person des öffentlichen Rechts angehört haben, etwa der Bundesregierung oder dem öffentlichen Dienst, es sei denn als Hochschullehrer oder -lehrerin oder als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin eines wissenschaftlichen Instituts. Ebenso dürfen sie in dieser Zeit nicht Repräsentant oder Repräsentantin eines Wirtschaftsverbandes, einer Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisation gewesen sein und auch nicht zu diesen in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis gestanden haben. Sie sind in ihrer Arbeit nicht weisungsgebunden. Die Ratsmitglieder werden vom Bundesumweltminister mit Zustimmung der Bundesregierung für die Dauer von vier Jahren berufen. Eine Wiederberufung ist möglich.[3]

Die Mitglieder sind, Stand Juli 2012, ausnahmslos Universitätsprofessorinnen und -professoren verschiedener Fachdisziplinen:[4]

  • Martin Faulstich (Vorsitzender)
  • Heidi Foth (Stellvertretende Vorsitzende)
  • Christian Calliess
  • Harald Bradke
  • Karin Holm-Müller
  • Manfred Niekisch
  • Miranda Schreurs

Publikationsarten

Der SRU gibt fünf Arten von Publikationen heraus:[5]

Umweltgutachten

Die Umweltgutachten erscheinen regelmäßig (alle vier Jahre, zuletzt 2012). Sie dienen der periodischen Berichterstattung und bieten eine detaillierte Gesamtevaluation der Umweltsituation und Umweltpolitik.

Der SRU legte zwischen 1994 und 2004 alle zwei Jahre umfassende Umweltgutachten vor. Der Berichtszyklus wurde danach auf vier Jahre verlängert. Das Umweltgutachten 2008 „Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels“[6] wurde am 18. Juni Bundesumweltminister Sigmar Gabriel überreicht. Mit dem Umweltgutachten 2012 „Verantwortung in einer begrenzten Welt“, das am 4. Juni 2012 Umweltminister Peter Altmaier übergeben wurde, richtete der Umweltrat den Blick auf Möglichkeiten der Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung.

Im Jahr 2009 erschien das Buch „Zwischen Wissenschaft und Politik - 35 Jahre Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen“.[7]

Sondergutachten

Sondergutachten widmen sich jeweils einem ausgewählten Politikfeld. Mit ihnen trägt der SRU zur konzeptionellen Entwicklung neuer umweltpolitischer Strategieansätze einschließlich ihrer handlungsbezogenen Instrumentierung bei.

Über die Themen und Erscheindungsdaten der Sondergutachten entscheiden die Mitglieder selbstständig.

Stellungnahme

Mit seinen Stellungnahmen bezieht der SRU Position in aktuellen politischen Willenbildungsprozessen.

Die Stellungnahme Nr. 15 erschien am 5. Mai 2010 und trägt den Titel „100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar“[8]

Kommentar zur Umweltpolitik

Ein „Kommentar zur Umweltpolitik“ ist ein aktueller „Zwischenruf“. Er basiert in der Regel auf bereits erarbeiteten bzw. veröffentlichten Positionen. Der erste Kommentar erschien 2002 zum Dosenpfand.[9]

Materialien zur Umweltforschung

Die vom SRU herausgegebene Reihe „Materialien zur Umweltforschung“ präsentiert dem interessierten Fachpublikum Auftragsgutachten ausgewiesener Experten zu speziellen Fragestellungen der Umweltforschung.[10] Für den Inhalt dieser externen Zuarbeiten sind allein die Autoren verantwortlich. Die Ergebnisse werden in die Gutachten des SRU integriert.

Versuchte Angriffe auf Unabhängigkeit

Ende 2011 versuchten Politiker von FDP und CDU, die Unabhängigkeit des Rates zu neutralisieren, indem sie die Geschäftsstelle des Rates mit einer hochdotierten Direktorenstelle ausstatten wollten, die vom Rat selbst weder erbeten noch für notwendig erachtet wurde. „Hierdurch soll der SRU auch in seiner Außendarstellung [...] dauerhaft in den (personal)-politischen Einfluss und Steuerungsbereich der Koalitionsfraktionen gebracht werden“, zitiert die taz ein internes Schreiben aus Koalitionskreisen. Der Rat hatte zuvor mehrfach scharfe Kritik an der Energiepolitik der Regierung geübt, beispielsweise an der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke oder dem Bau neuer Kohlekraftwerke.[11][12][13]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Erlass über die Einrichtung eines Rates von Sachverständigen für Umweltfragen bei dem Bundesminister des Innern vom 28. Dezember 1971 (GMBl. 1972, S. 27).
  2. Umweltrat neu berufen. Pressemitteilung. Sachverständigenrat für Umweltfragen, 8. Juni 2000, abgerufen am 6. Juli 2012 (HTML).
  3. Erlass über die Einrichtung eines Sachverständigenrates für Umweltfragen bei dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (GMBl. 2005, Nr. 31, S. 662 f.). 1. März 2005 (HTML).
  4. Die Ratsmitglieder. Sachverständigenrat für Umweltfragen, 2012, abgerufen am 6. Juli 2012 (HTML, Kurzporträts der Mitglieder).
  5. Publikationen des Umweltrats
  6. Umweltgutachten 2008 „Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels“ (PDF, 8 MB), 596 Seiten
  7. Hans Joachim Koch, Christian Hey (Hrsg.): Zwischen Wissenschaft und Politik - 35 Jahre Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen. In: Materialien zur Umweltforschung 38. (PDF, 1 MB).
  8. Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.): 100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar. Mai 2010 (PDF, 4 MB).
  9. Kommentare zur Umweltpolitik - Downloadseite
  10. Materialien der Umweltforschung - Downloadseite
  11. Fritz Vorholz: Schwarz-Gelb will Umweltrat auf Linie bringen. In: Zeit Online. 12. Dezember 2011 (HTML).
  12. Sebastian Fischer: Expertengremium auf Koalitionskurs- FDP will Umweltrat kontrollieren. In: taz. 12. Dezember 2011 (HTML).
  13. Bericht bei Frontal 21