Porphyrie

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Klassifikation nach ICD-10
E80 Störungen des Porphyrin- und Bilirubinstoffwechsels
ICD-10 online (WHO-Version 2013)

Unter den Porphyrien (griechisch πορφυρία, porphyría, vom Purpurfarbstoff) versteht man eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, die mit einer Störung des Aufbaus des roten Blutfarbstoffs Häm einhergehen. Betroffen sind die Enzyme der Hämbiosynthese – je nachdem, welches der acht Enzyme einen Defekt aufweist, reichern sich spezifische Zwischenprodukte der Hämsynthese in den verschiedenen Organen an und verursachen die für die jeweilige Porphyrie typischen Symptome. Der Name „Porphyrie“ leitet sich von der ringförmigen Grundstruktur des Häm ab, dem Porphyrin.

Formen der Porphyrie

Es existieren sieben Formen genetisch bedingter Porphyrien: Die Häm-Gruppe (des roten Blutfarbstoffs) wird in acht Schritten aus einfachen Vorstufen aufgebaut, jeder Schritt wird von einem spezifischen Enzym katalysiert (Abb. unter[1]). Je nachdem, welches der Enzyme eine eingeschränkte Aktivität zeigt, reichert sich ein anderes Stoffwechselprodukt an und verursacht die jeweiligen Symptome. Man unterteilt die Porphyrieformen aufgrund ihrer Hauptsymptome in zwei Gruppen, zwischen denen es aber Überschneidungen der Symptome gibt.

Die akuten oder akuten hepatischen Porphyrien gehen mit Attacken plötzlicher starker Bauchschmerzen einher, je nach Erkrankung und Schweregrad treten Leberprobleme und neurologische Ausfälle auf. Kutane Porphyrien zeigen eine schmerzhafte Lichtempfindlichkeit, auch hierbei kann die Leber in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine andere Unterscheidung der Porphyrien in erythropoetische (die Bildung der roten Blutkörperchen betreffende) und hepatische (die Leber betreffende) Formen bezieht sich auf den Bildungsort des Häms, in dem der Enzymmangel die meisten Probleme verursacht.

Erythropoetische Porphyrien:

Hepatische Porphyrien:

Die Orthomolekulare Medizin behauptet, die Hämopyrrollaktamurie, auch genannt Pyrrolurie oder Kryptopyrrolurie, entdeckt zu haben, für deren Existenz jedoch keinen Belege existieren. Die Hämopyrrollaktamurie soll mehr psychische Symptome haben als die anderen Formen.

Erworbene Porphyrien

Vergiftungen z. B. mit Blei oder bestimmten Pflanzenschutzmitteln schädigen Enzyme der Häm-Biosynthese und verursachen die gleichen Symptome wie die jeweilige genetisch bedingte Porphyrie.

Symptome

Akute Porphyrien

Charakteristisch ist der schubweise Verlauf, akute Krisen mit heftigsten Bauchschmerzen und zum Teil Lichtunverträglichkeitsreaktionen (abhängig von der Porphyrieform) wechseln mit oft langen symptomlosen Phasen ab. Zu den akuten Porphyrien zählen die AIP, PV, HCP und die ALAD-Mangel-Porphyrie.

Folgende Symptome können, müssen aber nicht alle bei einer akuten Attacke auftreten:

  • schwere, kolikartige Bauchschmerzen, oft tagelang anhaltend
  • Erbrechen, Übelkeit
  • Schmerzen in Extremitäten und Rücken
  • Rotfärbung des Urins nach längerer Lufteinwirkung
  • neurologische Ausfälle, z. T. bei falscher Behandlung irreversibel
  • Krampfanfälle
  • psychiatrische Symptome (Psychosen)

Auslöser für Attacken sind Medikamente (siehe unten), viele Arten von chemischen Substanzen, Hormone (Menstruation, „Pille“, Stress), Hungerzustände und andere Faktoren.

Problematisch ist, vor allem bei undiagnostizierten Fällen, dass viele Medikamente nicht vertragen werden und zu einer Verschlimmerung des Zustandes des Patienten führen (Medikamente führen über die Aktivierung eines körpereigenen Entgiftungssystems zu einer vermehrten Hämgruppen-Synthese, was die Menge an Häm-Zwischenprodukten erhöht und damit die Symptome verschlimmert).

Eine Liste mit als sicher eingestuften Medikamenten findet sich auf der Homepage der Europäischen Porphyrie-Initiative EPI.

Da viele Fälle von Porphyrie nicht erkannt werden (keine morphologische Veränderung des Abdominaltraktes) und neuropsychische Ausfälle auftreten können, werden die Patienten nicht selten als psychisch krank eingestuft.

Kutane Porphyrien

Charakteristisch ist bei den kutanen (hautbezogenen) Porphyrien die starke, extrem schmerzhafte Lichtempfindlichkeit der Haut gegenüber vor allem sichtbarem Licht um die 406 nm (Soret-Bande), die zu teilweise massiven und entstellenden Haut- und Gewebeschäden führt. Porphyrieformen mit Sonnen- und Lichtunverträglichkeit sind CEP, HEP, PCT, HCP, PV und EPP.

Symptome, abhängig von der Porphyrieform:

  • Vernarbungen, Absterben des Gewebes und Entstellungen (Verlust von Nase, Lippen, Ohrmuscheln, Fingerteilen usw.) (CEP, HEP)
  • Einlagerung der Porphyrine in die Zähne (Erythrodontie) und Knochen, rote Eigenfluoreszenz (CEP)
  • Blasenbildungen der Haut
  • EPP: In frühen Stadien der Sonnenexposition trotz Schmerzen keinerlei sichtbare Veränderungen an der Haut, später (nach 12–24 Stunden) Rötungen und Schwellungen sowie großflächige Verbrennungen
  • nur unbedeckte Bereiche der Haut sind betroffen
  • die Schmerzen beginnen unter Umständen nach wenigen Minuten an der Sonne, nur Opiate sind wirksam
  • die Leber kann durch Porphyrineinlagerungen bis zur Leberzirrhose geschädigt werden.

Erbliche Porphyrien sind seltene Erkrankungen, die meist einen komplizierten Erbgang aufweisen (Überspringen mehrerer Generationen usw.) und daher häufig nicht erkannt werden; dies stellt einen nicht unerheblichen Risikofaktor für die Betroffenen dar, da die Erkrankungen extrem schmerzhaft und potenziell lebensbedrohlich sind.

„Drakula-Symptome“: Erythrodontie („Blutzähne“), Photophobie (Tagschläfer), Anämie (Blässe aufgrund mangelndem roten Blutfarbstoffs)

„Werwolf-Symptome“: Hypertrichose (vermehrte Gesichtsbehaarung nach Abheilen der Photodermatose), Erythrodontie („Blutzähne“), Nasen- und/oder Fingerlosigkeit (Verstümmelung infolge Knorpel-Knochen-Gewebezerstörung)

Nachweis

Die Diagnose einer Porphyrie erfolgt über den Nachweis spezifischer Porphyrin-Vorläuferstoffe in Blut, Urin und/oder Stuhl. Die verschiedenen Vorstufen werden über leistungsfähige chromatographische Verfahren (HPLC) aufgetrennt. Porphyrinvorläufer werden vom Körper normalerweise sofort weiterverwendet, ein Anstieg deutet demnach auf eine Porphyrie hin. Die spezifische Zusammensetzung der in erhöhter Konzentration vorliegenden Vorläuferstoffe zeigt, welche Form der Porphyrie vorliegt. Akute Porphyrien zeigen meist nur bei akuten Attacken erhöhte Werte. Der Nachweis sollte von einem spezialisierten Labor durchgeführt werden.

Einen Hinweis auf einige Formen der akuten Porphyrien liefert der sich manchmal an der Luft rot verfärbende Urin (nur während/vor den Attacken).

Ein veraltetes Nachweisverfahren für EPP war die Anregung des ungebundenen Protoporphyrins im Blut mit bestimmten Lichtwellenlängen, um die Eigenfluoreszenz des Porphyringerüstes anzuregen (Soret-Bande).

Genetische Abklärung

Um das Erkrankungsrisiko für Verwandte und Nachkommen einzuschätzen, werden in den meisten Fällen Analysen des betroffenen Gens durchgeführt. Ist die Mutation im Gen des Erkrankten gefunden, lässt sich der spezifische Genlokus (Ort) bei den Familienmitgliedern sehr einfach auf die Veränderung testen. Genetische Beratungsstellen können dann über das (zum Teil sehr geringe) Risiko der Weitergabe an Kinder aufklären.

Therapie

Akute Porphyrien

Eine ursächliche Therapie existiert bisher nicht. Das Risiko eines Schubes kann vermindert werden, indem auslösende Substanzen wie die meisten Medikamente, Alkohol und Rauchen gemieden und auf eine regelmäßige Kohlenhydratzufuhr (regelmäßig Essen) geachtet wird. Müssen neue Medikamente eingenommen werden, sollte zuvor der Rat eines Porphyrie-Spezialisten eingeholt werden. Zu beachten ist, dass Angaben in gängigen Kompendien häufig veraltet sind. Listen mit Medikamenten, die nach dem aktuellen Stand des Wissens sicher bei akuten Porphyrien eingesetzt werden können, finden sich auf den Internetseiten der Porphyrie-Kompetenzzentren.

Akute Porphyrieschübe können durch die Gabe hoher Kohlenhydratmengen (Glukose) oder Hämin bzw. Hämin-Arginat symptomatisch therapiert werden (Hämin, Markenname Normosang®, sollte nicht mit Hämatin verwechselt werden).

Wirkweise: Die Häm-Gruppe kommt hauptsächlich im Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) vor, aber auch in Enzymen wie dem Cytochrom P450, das u. a. beim Abbau bzw der Entgiftung von Xenobiotika (z. B. Medikamenten) in der Leber eine Rolle spielt. Müssen vermehrt z. B. Medikamente abgebaut werden, kommt es zu einem erhöhten Bedarf an Cytochrom P450 und einer positiven Rückkopplung auf den Häm-Syntheseweg. Bei einer Störung des Synthesewegs aber kann der Bedarf an Häm nicht gedeckt werden, die positive Rückkopplung führt stattdessen zu einer Anreicherung des Stoffwechselproduktes, das nicht mit der normalen Rate umgesetzt (weiterverarbeitet) werden kann. Da Porphyrinvorläufer für den Körper toxisch (giftig) sind, kommt es zu den Symptomen eines Schubes. Hämin-Arginat besetzt die positive Rückkopplungsstelle im Syntheseweg des Häms (es suggeriert dem Körper, dass eine ausreichende Menge Häm vorhanden ist) und unterbricht dadurch die schubauslösende Rückkopplung.

Einige Porphyrien sprechen auf Aderlass-Therapien an, wobei jedoch die Blutarmut verstärkt wird.

Zur Therapie der Porphyrien ist auch Riboflavin im Gespräch. [2] [3]

Kutane Porphyrien

Eine ursächliche Therapie existiert bisher nicht, die Vermeidung von (Sonnen)-Licht und leberschädigenden Substanzen (Alkohol usw.) stellt momentan die einzige Möglichkeit zum Schutz vor einem Ausbruch der Symptome dar. Da die Symptome auslösenden Wellenlängen im sichtbaren Bereich des Lichts liegen, ist Sonnencreme nutzlos, da nur eine Schutzwirkung im UV-Bereich besteht. Ähnliches gilt für andere Materialien (Schutzfolien, Textilien usw.) mit UV-Schutzfaktor. Zurzeit befindet sich aber ein Derivat des Hormons Alpha-MSH in der Testphase, das über hormonelle Anregung zur Bräunung der Haut auch ohne Sonneneinwirkung führt und in Vorstudien einen hohen Schutzeffekt erzielt hat.

Chemie der Porphyrine

Porphyrine sind eine Stoffklasse von farbigen Molekülen (nach griechisch πορφυρ[ί]α, porfir[í]a, dem Purpurfarbstoff). Das in roten Blutkörperchen vorkommende, sauerstofftransportierende Protein Hämoglobin (der rote Blutfarbstoff) enthält als prosthetische Gruppe das Häm, ein Eisen-(II)-Porphyrin, das aus Tetrapyrrol als Grundkörper aufgebaut ist. In seinem Zentrum ist ein Eisenion, das für die Sauerstoffbindung unabdingbar ist, komplexiert. Bei Störungen der Hämsynthese entstehen stattdessen regelwidrig andere Porphyrine, die Namensgeber der Porphyrie. Bei diesen Porphyrinen ist kein Eisenion im Stickstoffring verankert. Da Häm auch Bestandteil von vielen weiteren Proteinen wie Cytochromen oder Myoglobin ist, bedingt dieser zentrale Ort der Störung der Biosynthese eine Fülle unterschiedlichster Symptome bei Porphyrie in den verschiedenen Systemen: Nerven- und Verdauungssystem, innere Atmung, Haut und Psyche.

Literatur

Fachliteratur

Literarische Verarbeitung

Isabel Allende: Paula, Chile 1994 -- Roman der Schriftstellerin Isabel Allende über die Tochter Paula, die an Porphyrie litt.

Einzelnachweise

  1. BIO Tutor: Hämsynthese - Hämabbau - Regulation - Defekte Übersichten zur Biochemie und Molekularbiologie von Prof. Dr. Horst Feldmann, ehemals Adolf-Butenandt-Institut, Molekularbiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  2. Vergl. dazu Diagnostik und Therapie der Porphyrien: Therapie mit Riboflavin. Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 48 vom 26. November 2004, Seite A-3275 / B-2777 / C-2631.
  3. http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=44494 Dorst, Wolfgang: Diagnostik und Therapie der Porphyrien: Therapie mit Riboflavin; Dtsch Arztebl 2004; 101(48): A-3275 / B-2777 / C-2631]

Weblinks

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