Plastiksprengstoff
Als Plastiksprengstoffe oder plastische Sprengstoffe werden Sprengstoffe bezeichnet, die sich durch ihre Plastizität auszeichnen, also weich und formbar sind.
Die Bezeichnung „Plastiksprengstoff“ ist eine fehlerhafte Lehnübersetzung des englischen Begriffs plastic explosive. Lautmalend und verkürzend wird „Plastik“, das Nomen für Kunststoffe auf Polymerbasis verwendet. Hingegen wäre „plastisch“ in diesem Kontext die richtige Übersetzung von plastic als Adjektiv mit der Bedeutung „leicht formbar“. Der Begriff „plastischer Sprengstoff“ wäre daher im Sinne der ursprünglichen Bedeutung korrekt.
Geschichte
PE-808-Plastiksprengstoff, eine britische Vorkriegserfindung aus der „Royal Ordnance Factory“ in Bridgwater, bestand damals aus Cyclotrimethylentrinitramin, einem sehr wirkungsvollen Sprengstoff, den die Briten Research Department Explosive oder kurz RDX nannten.
Ein Gemisch aus 91 % RDX und 9 % Plastifizierungsmittel ergab ein stabiles, wasser- und stoßfestes, kittähnliches Material, das man in Behälter füllen oder direkt auf ein Ziel streichen konnte – eine effektive Waffe für den Widerstand, ideal zur Sabotage von Bahngleisen oder anderen verwundbaren Zielen.
PE 808 war gelbbraun und wurde in Stangen von 75 × 30 mm zu je 100 g in Wachspapierhüllen hergestellt. Er hatte einen charakteristischen Marzipangeruch, der beim Einatmen starke Kopfschmerzen verursachte. Zur Explosion gebracht wurde PE 808 mit einem Composition-Explosive-(CE)-TNT-Zünder und einer Nr.27-Mk1-Sprengkapsel. Die Sprengkapsel war ein 45 mm langes, dünnes Aluminiumröhrchen, das am geschlossenen Ende Quecksilberfulminat enthielt. Am offenen Ende wurde ein Sicherheitszünder (Nr.11) befestigt, der durch sogenannte „Crimpers“ gehalten wurde. Der Zünder bestand aus einem Schwarzpulverkern, der mit wasserfestem Material ummantelt war. Er brannte mit 0,6 Metern pro Minute.
Während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kamen eine ganze Reihe RDX-basierter Sprengstoffe auf den Markt (C, C2, C3). C3 war sehr effektiv, aber bei Kälte brüchig. In den 60er Jahren wurde der bekannte C4, ebenfalls auf RDX basierend, mit Polyisobutylen und Di(2-ethylhexyl)sebacat als Binde- und Knetmittel entwickelt. Semtex war ein weiterer Plastiksprengstoff aus den 60ern, den sein tschechischer Erfinder Stanislav Brebera durch Mischen von RDX mit PETN und Zugabe von Binde- und Knetmitteln erhielt.
Verwendung
Plastische Sprengstoffe finden unter anderem bei der Sprengung von Stahl in Schneidladungen Verwendung. Die leichte Handhabbarkeit hat Plastiksprengstoff zu einem von militärischen Spezialeinheiten, aber auch von Terroristen genutzten Sprengstoff gemacht. Aufgrund ihrer höheren Herstellungskosten werden Plastiksprengstoffe selten im Bergbau oder für die Herstellung von Bomben verwendet. Für den Abriss von Bauwerken kommen Plastiksprengstoffe kaum zum Einsatz, vielmehr jedoch Sprengstoffe mit „schiebender“ Wirkung, wie beispielsweise Ammongelit.
Markierung
Plastiksprengstoffe werden bei der Herstellung durch Beimischung von Geruchsstoffen oder Metallspänen markiert, um diese durch Spürhunde und durch Detektionsgeräte (Röntgen) besser auffinden zu können. Gemäß Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms, and Explosives, Justice §555.180 dürfen in den USA seit dem 26. April 1996 nur noch solche formbaren Sprengstoffe (Plastiksprengstoffe) verwendet werden, welche einen Markierungsstoff (engl. tagging agent = taggant) in vorgegebener Mindestkonzentration enthalten.
Solche Taggants sind leicht erriechbare Stoffe mit relativ hohem Dampfdruck wie beispielsweise[1]
- 2,3-Dimethyl-2,3-dinitrobutan (DMNB), [3964-18-9], C6H12N2O4: > 0,1 Gew.-%
- 4-Nitrotoluol (p-MNT), [99-99-0], C7H7NO2: > 0,5 Gew.-%
- 2-Nitrotoluol (o-MNT), [88-72-2], C7H7NO2: > 0,5 Gew.-%
- Ethylenglycoldinitrat (EGDN), [628-96-6], C2H4N2O4: > 0,2 Gew.-%
Die Herstellung formbarer Sprengstoffe ohne Markierungsstoffe ist in den meisten Staaten verboten. Geregelt wird dieses Verbot im sogenannten „Montreal-Abkommen”, das unter anderem auch von Deutschland, Österreich[2] und der Schweiz unterzeichnet wurde. Alle drei Staaten haben sich selbst auch als „producer State”, also als Herstellungsland von plastischen Sprengstoffen deklariert.
Einzelnachweise
- ↑ Wolfgang Legrum: Riechstoffe, zwischen Gestank und Duft, Vieweg + Teubner Verlag (2011) S. 166−167, ISBN 978-3-8348-1245-2.
- ↑ Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich: BGBl. III Nr. 135/1999