Pipette

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20 ml Messpipette

Die Pipette (frz. Diminutiv von pipe „Pfeife“; auch Saugröhre, Saugheber oder Stechheber) ist ein Laborgerät zum Dosieren von Flüssigkeiten. Die klassische Form ist ein Glasröhrchen, das an der Spitze verengt ist und am anderen Ende entweder offen oder durch einen aufgesetzten, dickwandigen Gummiballon (z. B. einen Peleusball) verschlossen ist. Häufig, vor allem im medizinischen Bereich, werden auch Wegwerfartikel aus Plastik verwendet. Technisch aufwendiger sind die weiter unten beschriebenen Mikropipetten.

Pipettentypen

Ist auf der Pipette eine Volumen-Skala angebracht, spricht man von einer Messpipette. Diese gibt es für völligen oder teilweisen Ablauf. Eine Pipette, die nur eine oder zwei Marken für ein definiertes Volumen hat, heißt Vollpipette. Messpipetten sind für unterschiedliche Flüssigkeitsmengen geeignet und damit flexibler, aber auch ungenauer als Vollpipetten. Beide Pipettenarten sind auf Flüssigkeiten mit der Temperatur von 20 °C und auf Ausfluss (Ex.) justiert, Auslaufzeiten werden, wenn nötig, auf den Pipetten angegeben.

Pasteurpipette aus Natron-Kalk-Glas (ISO 7712) mit einem Volumen von 2 ml und einem Durchmesser von 7 mm, welches am unteren Ende verjüngt ist, besitzt eine lang ausgezogene, feine Spitze von 45 oder 120 mm Länge und am Saugrohrende (Länge 25 mm) mit einem Gummisauger versehen werden kann oder wegen der Verengung auch für Wattestopfen geeignet ist. Sie dient zum tropfenweisen Dosieren von kleinen Flüssigkeitsmengen. Sie hat keine Markierung, die das genaue Volumen anzeigt.

Pasteurpipette zum Einmalgebrauch aus PE-LD (Polyethylen niedriger Dichte). Sehr gute Reproduzierbarkeit der Tropfenzahl pro Milliliter, daher ideal zum Verteilen aliquoter Flüssigkeitsmengen. Diese Pasteurpipette lässt sich in gefülltem Zustand tiefgefrieren oder bei Bedarf durch Hitzeversiegelung in ein geschlossenes Gefäß verwandeln. Der integrierte Saugbalg lässt sich ganz leicht zusammendrücken, so bleiben auch bei häufigem Pipettieren die Finger ermüdungsfrei. Stabil gegen Gas oder Gammastrahlen-Sterilisations-Verfahren.

Skalierte „serologische“ Wegwerfpipetten aus Kunststoff mit meist 5 oder 10 ml Volumen werden heutzutage für häufige und einfachere Dosierarbeiten mit geringerer Genauigkeitsanforderung verwendet und ersetzen die gläsernen Messpipetten. Sie sind auch einzeln verpackt und mit zertifizierter Sterilität erhältlich, was die Qualitätssicherung im Labor vereinfacht.

Manche Medikamente (Augen-, Ohren-, Nasentropfen) werden fertig dosiert in versiegelten Plastikbehältern angeboten. Auch diese Behälter sind Pipetten. (Bild)

Bei einer Messpipette mit Saugkolben erfolgen Ansaugen und Entleeren mittels eines oben eingeschliffenen Glaskolbens (Kolben-Pipettierhilfe) mit Haltefeder.[1]

Mikropipetten

Manuelle Mikroliterpipetten

Eine modernere mechanische Variante ist die 1957 von Heinrich Schnitger entwickelte Mikroliter- oder Kolbenhubpipette, kurz Mikropipette. Diese Pipette dosiert kleine Volumina von 0,1µl bis 5000 µl genauer als herkömmliche Glaspipetten. Kolbenhubpipetten arbeiten nach dem Verdrängungsprinzip: Ein beweglicher Kolben verdrängt beim Herunterdrücken die unter ihm liegende Luftsäule bzw. zieht die Luftsäule in der Aufwärtsbewegung mit sich nach oben und dadurch auch die zu pipettierende Flüssigkeit in die aufgesteckte Pipettenspitze. Diese Pipettenspitze ist ein Wegwerfartikel aus Plastik, nur sie kommt mit der Flüssigkeit in Berührung.

Direktverdrängende Kolbenhubpipetten benutzen spezielle Pipettenspitzen mit einem eingebauten Kolben, der direkt mit dem Medium in Kontakt kommt und so das Luftpolster eliminiert. Hierdurch ist ein Pipettieren von stark viskosen Lösungen möglich und der versehentliche Transfer von Substanzen in Form von Aerosolen über das Luftpolster wird ausgeschlossen.

Wie bei Mess- und Vollpipetten gibt es auch Kolbenhubpipetten mit fest eingestelltem Volumen sowie Kolbenhubpipetten, die im Volumen variabel sind. Hier lässt sich die gewünschte Mikroliterzahl mittels eines Stellwerks einstellen. Sie lösen Pipetten mit festem Volumen zusehends ab. Kolbenhubpipetten haben den Vorteil auswechselbarer Kunststoffpipettenspitzen, wodurch sie sich für Arbeiten mit häufig wechselnden Substanzen oder Substanzkonzentrationen eignen. Elektronisch gesteuerte Kolbenhubpipetten sind besonders für repetitive Arbeiten geeignet, da sie den Daumen entlasten und teilweise wie ein Handdispenser (s. u.) benutzt werden können.

Mehrkanalpipetten

Multipette mit eingesetzter Spitze
12-Kanal-Pipette
Vollpipetten verschiedener Volumina

Eine Sonderbauform der Kolbenhubpipetten sind Mehrkanalpipetten, die über 8 oder 12 gleichzeitig betriebene Kanäle verfügen. Die Kanäle sind im Raster von Mikrotiterplatten (8 Reihen mal 12 Spalten) angeordnet, so dass sich diese schnell bearbeiten lassen.

Wie bei den Mikropipetten mit einem Kanal kommt die Flüssigkeit auch hier nur mit den Pipettenspitzen (Wegwerfartikel aus Plastik, fehlen im nebenstehenden Bild) in Berührung.

Multipetten

Verwandt mit den Kolbenhubpipetten sind Handdispenser, die auch unter den Namen Multipette, Stepper, Tacker und Repeater bekannt sind. Diese besitzen anstelle der Pipettenspitze ein direktverdrängendes Reservoir (Wegwerfartikel aus Plastik) ähnlich einer Spritze, welches die Aufnahme eines größeren Volumens einer Substanz erlaubt, die dann wiederholt in kleinen Schritten gleichen Volumens abgegeben werden kann. Dieses erlaubt wiederum schnelles Arbeiten mit Mikrotiterplatten oder vielen parallelen Reaktionsansätzen (z. B. bei der PCR).

Genauigkeitsklassen

Die handelsüblichen Größen der Vollpipetten sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Die Einteilung erfolgt in zwei Genauigkeitsklassen. Bei den Pipetten der Klasse A ist die Ablaufzeit für die Flüssigkeit durch Verengung der Ablaufspitzen verlängert, so dass während des Ablaufs bereits das Nachlaufen der Flüssigkeit an der Glaswandung erfolgt. Die Fehlergrenzen dieser Pipetten entsprechen den Vorschriften der Deutschen Eichordnung. Pipetten der Klasse B haben erheblich kürzere Ablaufzeiten, aber auch doppelt so große Fehlergrenzen wie die der Klasse A. Nach dem Ablauf der Pipetten der Klassen A und B sind keine Wartezeiten einzuhalten.

Mit verbesserten Fertigungsmethoden wurde die Herstellung von Pipetten möglich, die innerhalb der Eichfehlergrenzen (Klasse A) liegen und dennoch kurze Ablaufzeiten aufweisen. Für solche Pipetten wurde die Klasse AS eingeführt. Sie erfordern nach dem Ablauf jedoch eine Wartezeit von 15 Sekunden. In der Praxis haben sich Pipetten der Klasse AS stark durchgesetzt und die der Klasse A mit längeren Ablaufzeiten fast verdrängt.

Fehlergrenzen von Vollpipetten
Nennvolumen
[ml]
Klasse A Klasse AS Klasse B
max. Fehler
[%]
Ablaufzeit
[s]
max. Fehler
[%]
Ablaufzeit
[s]
max. Fehler
[%]
Ablaufzeit
[s]
0,5 ± 1 10–20 ± 1 4–8 ± 2 4–20
1 ± 0,7 10–20 ± 0,7 5–9 ± 1,5 5–20
2 ± 0,5 10–25 ± 0,5 5–9 ± 1 5–20
2,5 ± 0,4 7–11
3 ± 0,33 7–11
4 ± 0,25 7–11
5 ± 0,3 15–30 ± 0,3 7–11 ± 0,6 7–30
6 ± 0,25 8–12
7 ± 0,21 8–12
8 ± 0,19 8–12
9 ± 0,17 8–12
10 ± 0,2 15–40 ± 0,2 8–12 ± 0,4 8–40
15 ± 0,13 9–13
20 ± 0,15 25–50 ± 0,15 9–13 ± 0,3 9–50
25 ± 0,13 25–50 ± 0,13 10–15 ±0,32 10–50
30 ± 0,12 13–18
40 ± 0,09 13–18
50 ± 0,1 30–60 ± 0,1 13–18 ± 0,2 13–60
100 ± 0,08 40–60 ± 0,08 25–30 ± 0,16 25–60

Messpipetten gibt es ebenfalls in drei Genauigkeitsklassen: Klasse A, Klasse B und Klasse AS. Für schnell ablaufende Pipetten der Klasse AS ist nach dem Ablauf wieder eine Wartezeit von 15 Sekunden einzuhalten.

Benutzung

Offene Pipette

Das Aufnehmen der Flüssigkeit wurde, im Fall der offenen Pipette, früher durch Ansaugen mit dem Mund durchgeführt. Da dies eine nicht unerhebliche Gesundheitsgefahr darstellen kann, muss eine Pipettierhilfe benutzt werden. Mit dieser Pipettierhilfe wird die Flüssigkeit nach dem Eintauchen der Pipettenspitze angesaugt. Beim Transport der Flüssigkeit muss das obere Ende einer offenen Pipette (im Allgemeinen mit dem Zeigefinger oder der aufgesetzten Pipettierhilfe) verschlossen gehalten werden. Die Abgabe der Flüssigkeit erfolgt abhängig von der Art der Pipettierhilfe. Auf jeden Fall gilt, dass nach dem Auslaufen 20 Sekunden zu warten ist, damit die restliche Flüssigkeit nachlaufen kann. Anschließend ist die Pipettenspitze kurz am Gefäßrand abzustreifen, da Pipetten auf Auslauf (auf 'Ex') justiert sind. Sollen mit einer Messpipette ein Teil des gesamten Skalabereiches benutzt werden, so unterscheidet man zwischen "Vorwärts" - und "Rückwärtspipettieren". Ist die Substanz kostbar, oder will man sich unnötige Arbeit ersparen. so verwendet man die "Vorwärts"- Methode. Hier wird die gewünschte Substanzmenge beim Einsaugen in die Pipette abgemessen und die Pipette am Zielort vollständig entleert. Da in der Pipettenspitze mehr Substanz hängenbleibt als in einem anderen Bereich des Schaftes mit gleichem Volumen, werden zähe Flüssigkeiten jedoch gerne "rückwärts" pipettiert. Hier wird die Flüssigkeit bis zur obersten Marke der Pipette eingesaugt, die Dosierung erfolgt anhand der Skala beim Auslassen. Anschließend wird der Rest der Flüssigkeit wieder in das Vorratsgefäß gegeben, wodurch die Gefahr einer Kontamination entsteht. Da in beiden Fällen die Skala entgegengesetzt verwendet wird, gibt es Pipetten mit beiden Ausführungen von Skalen.

Eine Rückwärts-(oben) und eine Vorwärtspipette(unten)

Die Benutzung einer Pipette erlaubt eine gute Kontrolle der Flüssigkeitsmenge, im Allgemeinen ist eine tropfenweise Dosierung möglich. Vollpipetten zählen zu den genauesten Volumenmessgeräten im Laborbereich.

Weitere Bedeutung

Pipette-Werkzeug (GIMP)

In der digitalen Bildbearbeitung ist die Pipette ein Werkzeug, mit der ein Farbwert aus einem bestehenden Bild entnommen werden kann, indem mit der Spitze der virtuellen Pipette auf ein Pixel geklickt wird. Je nach Programm ist es auch möglich (zum Beispiel in Adobe Photoshop), einen Mittelwert der umgebenden Pixel zu ermitteln.

Siehe auch

  • Mikrodosierung

Weblinks

 Commons: Pipette – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Pipette – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Walter Wittenberger: Chemische Laboratoriumstechnik, Springer-Verlag, Wien, New York, 7. Auflage, 1973, S. 87−88, ISBN 3-211-81116-8.

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