Majolika
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Majolika (manchmal auch Maiolica; nach der altitalienischen Bezeichnung für Mallorca) bezeichnet im engeren (kunstwissenschaftlichen) Sprachgebrauch vor allem die farbig bemalte zinnglasierte italienische Keramik des 15. und 16. Jahrhunderts, im weiteren Sinne auch viele andere Arten farbig glasierter Tonware.
Begriff
Der Name wird von Mallorca abgeleitet, der Mittelmeerinsel, von der aus die im maurischen Spanien hergestellte Fayence, in der Frühzeit vor allem Lüsterware, nach Italien ausgeführt wurde. Der Name der Exportware wurde später auch auf die selbständig entwickelten italienischen Produkte übertragen. Kunstgeschichte, keramische Industrie und Haushaltswarenhandel benutzen den Begriff nicht in gleicher Weise. Außerdem hat er einen historischen Bedeutungswandel erfahren. Die kunstwissenschaftliche Fachterminologie und ihr folgend auch der Kunsthandel beschränken den Begriff möglichst auf die italienische und spanische (allenfalls noch auf die ihr voraufgehende islamische) zinnglasierte Irdenware, die mit den vier Scharffeuerfarben Kupfergrün, Antimongelb, Kobaltblau und Manganviolett (-braun) dekoriert sind. Technisch bestand zunächst kein Unterschied zu den entsprechenden, seit dem 17. Jahrhundert in anderen europäischen Ländern hergestellten Keramiken, die ausschließlich als Fayence bezeichnet werden. Doch verwenden diese seit dem 18. Jahrhundert auch die Aufglasurmalerei, für die ein zweiter, weniger heißer Brand nötig ist.
In Keramiktechnologie und Umgangssprache wird Majolika für verschiedene Arten von glasierten Tonwaren angewendet, seit gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge des Historismus die weitgehend untergegangene Produktion von zinnglasierter Ware wieder aufgegriffen wurde und auch deren Hersteller sich gern Majolika-Manufakturen nannten. Heutige Keramiker verstehen unter Majolika teilweise auch eine Ware mit gefärbter Zinnglasur.[1]
| Klasse: Irdengut | Unterklasse: Sonstiges Irdengut | Gruppe: Tonware |
Untergruppe: glasiert |
Technisches
Majolika (und Fayence) hat einen weißen, gelbgrauen oder hell-rot-braunen, porösen (nicht gesinterten) Scherben. Das fertig geformte Gefäß wird bei mäßiger Temperatur einem ersten Brand („Schrühbrand“) ausgesetzt. Dann wird es mit einer opak-weißen Zinnglasurschicht bedeckt, die in ungebranntem Zustand stark aufsaugend einen idealen Untergrund für die oben genannten Scharffeuerfarben bietet. Beim zweiten Brand verschmelzen Glasur und die jetzt leuchtend werdenden Farben zu einer glänzenden, wasserdichten und dauerhaften Aussenhaut.
Geschichte
Wichtige Voraussetzung für die Anfänge der Majolika in Italien sind die Importe aus dem islamisch dominierten Spanien. Dort wurde spätestens seit dem 13. Jahrhundert Lüsterkeramik hergestellt, die ihrerseits auf ägyptischen und persischen Überlieferungen beruhte. Bis zur Vertreibung der Mauren aus Spanien um 1610 lieferten diese auch dann noch an christliche Auftraggeber (oft nach deren motivischen Vorgaben), als sich in Italien schon längst eine eigene Majolikakultur entwickelt hatte.[2] Diese hatte um 1400 eingesetzt, zunächst noch unter Verwendung grau-weißer Engobe statt der weißen Zinnglasur. Diese erste italienische Majolika, die sogenannte Mezzo-Majolika (Halb-Majolika), versuchte, in der Glasur denselben schillernden Metallglanz wie die Arbeiten der arabischen Töpferkunst zu erzielen.
Um 1480-1490 waren Werkstätten in der Stadt Faenza die ersten, die ihre Töpferwaren mit Zinnglasur überzogen. Um 1500 werden Grotesken und Arabesken in die Ornamentik übernommen. Ab 1508 blüht Casteldurante (heute Urbania) auf, hier wurden um 1520 die Anfänge des istoriati-Stils entwickelt, der dann in Urbino zur reichsten Ausprägung kommt. In kräftigen Farben breiten sich szenische Bilder von biblischen, mythologischen und geschichtlichen „Historien“ (daher der Name), oft nach Vorlagen bedeutender Künstler, über die ganze Fläche der Teller oder anderer Geschirrteile aus. Gefördert von den dort residierenden Herzögen war um 1535 Urbino die führende Stadt unter den majolikaproduzierenden Konkurrenten. Charakteristisch für die Maiolika aus Siena (um 1500-1530) sind strenge Groteskenmuster auf blauem Grund. Deruta (um 1500-1550) folgt in vielem dem Stil aus Faenza, aber auch spanischen Vorbildern (Lüster, geometrische Ornamente). Von Venedig aus wurde die frühe niederländische Fayence angeregt.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geriet diese Luxusindustrie ins Abseits, war immer mehr auf größeren Absatz und schnelleres Produzieren angewiesen und wurde im Lauf des 17. Jahrhunderts im Herzogtum Urbino ganz aufgegeben. In Pesaro bestand 1718 noch eine Töpferfabrik, die nur noch gewöhnliche Gefäße fertigte; mancherorts hatte man die eigenen Traditionen ganz aufgegeben und ahmte das modische blauweiße Geschirr in Delfter Art nach. Nur in den Abruzzen und in Neapel versuchte man um 1700 eine Erneuerung der Majolikenfabrikation. Aber diese häufig vorkommende neapolitanische Majolika erreichte nicht den Rang der früheren Erzeugnisse.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebte die Majolikafabrikation an vielen Stellen in Europa wieder auf. Der erste, der dies in ausgedehntem Maße versuchte, war Ginorie in seiner Fabrik zu Doccia bei Florenz. Er nahm vor allen die urbinatischen Majoliken zum Muster. Auch der opalisiernde Metallglanz der Majolika zu Gubbio wurde imitiert. Vielfach wurden Nachbildungen der farbigen und glasierten Reliefs von Luca della Robbia und seinen Nachfolgern Kunsthändlern und Touristen als Originale verkauft. Eine neue Manier war dadurch entstanden, dass Farben und Glasur der Majolika auf Statuetten und Gruppen sehr populärer Art und drastisch-lebendiger Wirkung übertragen wurden.
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. gründete 1904 bei seiner Sommerresidenz in Kadinen eine Majolika-Werkstatt, deren Produkte als Kadiner Kacheln beispielsweise in Berlin bei U-Bahnhöfen, repräsentativen Gebäuden (Wertheim am Leipziger Platz, Weinhaus Kempinski) und dem Trausaal der Synagoge Fasanenstraße Verwendung fanden.[3]
Bekannt ist auch das Majolikahaus, ein bedeutender Jugendstilbau in Wien.
Im letzten Drittel des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es eine Reihe keramischer Betriebe, die farbig glasierte Keramiken herstellten. Auch für sie hat sich der Begriff „Majolika“ etabliert, doch nur solche mit weißen Blei-Zinnoxid-Glasuren werden korrekt als Majolika benannt.[4]
Literatur
- Tjark Hausmann: Majolika. Spanische und italienische Keramik vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. Berlin 1972.
- Rainer G. Richter: Götter, Helden und Grotesken – Das Goldene Zeitalter der Majolika. Ausst. Kat. der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Kunstgewerbemuseum Schloss Pillnitz, Hirmer Verlag, München 2006, ISBN 3-7774-3195-8.
- Georg Ulrich Grossmann (Hrsg.): Feuerfarben. Majolika aus Sizilien, 1550–2000. Ausst. Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, 2000, ISBN 3-926982-70-5.
- Jirina Vydrová, Josef Ehm, Oskar Vogel: Italienische Majolika in tschechoslowakischen Sammlungen. Prag 1960.
- Nicola Moufang: Die Grossherzogliche Majolika Manufaktur in Karlsruhe. Karl Winter, Heidelberg 1920.
- Jörn Barfod: Des Kaisers Keramik. 100 Jahre Königliche Majolika-Werkstätten Cadinen. Husum Verlag, Husum 2003, ISBN 3-89876-129-0.
- Krutisch Petra: Im Sinne der Alten… Italienische Majolika des Historismus. (Ausstellungskatalog) Hatje, Stuttgart 1995.
- Georg Kaspar Nagler: Die Monogrammisten und diejenigen bekannten und unbekannten Künstler aller Schulen, welche sich zur Bezeichnung ihrer Werke eines figürlichen Zeichens, der Initialen des Namens, der Abbreviatur desselben &c. bedient haben. Mit Berücksichtigung von Buchdruckerzeichen, der Stempel von Kunstsammlern, der Stempel der alten Gold- und Silberschmiede, der Majolicafabriken, Porcellan-Manufacturen u.s.w. Nachrichten über Maler, Zeichner, Bildhauer, Architekten, Kupferstecher, Formschneider, Briefmaler, Lithographen, Stempelschneider, Emailleure, Goldschmiede, Niello-, Metall- und Elfenbein-Arbeiter, Graveure, Waffenschmiede u.s.w. Mit den rasonirenden Verzeichnissen der Werke anonymer Meister, deren Zeichen gegeben sind, und der Hinweisung auf die mit Monogrammen oder Initialen bezeichneten Produkte bekannter Künstler ... auch Ergänzung ... des Neuen allgemeinen Künstler-Lexicons, und Supplement zu den bekannten Werken von A. Bartsch, Robert-Dumesnil, C. le Blanc, F. Brulliot, J. Heller u.s.w.
- Erster Band, München: Georg Franz, 1858
- auch als Nachdruck ab 1991 erhältlich[5]
Siehe auch
- Fayence
- Klassifikation keramischer Massen
Fußnoten
- ↑ Gustav Weiß: Keramik-Lexikon. 3. Aufl. Bern 1998/2003, S. 197.
- ↑ Eine ausführliche Zusammenfassung der Forschung zu dieser Vorgeschichte in: Brigitte Klesse: Majolika. (Kataloge des Kunstgewerbemuseums Köln) Köln 1966, S. 8–18.
- ↑ Cadiner Ziegelei.
- ↑ Vgl.: Tjark Hausmann.
- ↑ Angaben der Deutschen Nationalbibliothek
Weblinks
- Majolikaherstellung in der Porzellanmanufaktur Nymphenburg
- Staatliche Majolika Manufaktur Karlsruhe