Kohortenstudie

Kohortenstudie

Die Kohortenstudie ist eine spezielle Form der Paneluntersuchung, bei der alle Personen einer Stichprobe derselben Kohorte angehören. Unter einer Kohorte versteht man eine Gruppe von Personen, in deren Lebensläufen ein bestimmtes biographisches Ereignis annähernd zum selben Zeitpunkt aufgetreten ist. Je nach definierendem Merkmal unterscheidet man Geburtskohorten, Einschulungskohorten, Scheidungskohorten und viele andere mehr.

Formen von Kohortenstudien

Es werden zwei Formen von Kohortenstudien unterschieden: Intra- und Inter-Kohortenvergleiche. Im Intra-Kohortenvergleich wird die zeitliche Entwicklung bestimmter Merkmale einer Kohorte untersucht. Inter-Kohortenvergleiche vergleichen dagegen Mitglieder verschiedener Kohorten miteinander. Voraussetzung ist allerdings, dass die Personen zum jeweiligen definierenden Merkmal zum Untersuchungszeitpunkt den gleichen zeitlichen Abstand haben.

Interpretation und Probleme

Die Veränderungen, die in Kohortenstudien beobachtet werden, sind durch drei Faktoren bedingt:

  • Alterseffekt oder Lebenszykluseffekt: (z. B. zunehmende Angst; mit 18 Jahren schließen viele einen Bausparvertrag ab, Scheidungsrisiko im 3. Ehejahr)
  • Kohorteneffekt oder Jahrgangseffekt: (z. B. 68er–Einstellung; Der Jahrgang 1989 (1999 zehn Jahre alt), überdurchschnittlich viele Kinokarten für den Film „1989“)
  • Periodeneffekt oder Jahreseffekt: (z. B. Hamsterkäufe vor Katastrophen; Im Jahr 2000 kauften sich überdurchschnittlich viele einen 2000er-Kalender)

Der Begriff „Alterseffekte“ bezeichnet die Wirkungen des Älterwerdens. Periodeneffekte werden angenommen, wenn die Änderungen mit der Kalenderzeit korrelieren. Kohorteneffekte bezeichnen die Einflüsse der Kohortenzugehörigkeit. Ein Problem bei der Interpretation von Kohortenstudien besteht darin, dass sich die drei genannten Effekte in einzelnen Studien nur unter zusätzlichen Annahmen trennen lassen. Dies wird als Identifikationsproblem bezeichnet. [1]

A: Alterseffekt,
K: Kohorteneffekt,
P: Periodeneffekt (Längsschnitt)

Wenn Kohortenstudien Paneluntersuchungen sind, weisen sie auch alle Vor- und Nachteile dieser Untersuchungsform auf.

Anwendung von Kohortenstudien

Kohortenstudien werden häufig zur Untersuchung entwicklungspsychologischer und generationssoziologischer Fragestellungen eingesetzt. Eine charakteristische Kohortenstudie ist beispielsweise die „British National Child Development Study“ (NCDS) von Ferri und Sherpherd aus dem Jahr 1992 [2], welche die Entwicklung von 11.400 vom 3. bis 9. März in Großbritannien geborenen Kindern hinsichtlich Ausbildung, bestimmten Einstellungen, Einkommen und Gesundheit über eine Zeitspanne von 34 Jahren mit fünf Erhebungszeitpunkten untersucht hat.

Darüber hinaus werden Kohortenstudien in der medizinischen Forschung durchgeführt. Dabei handelt es sich meist um Risikostudien, mit denen ätiologische Faktoren eines bestimmten Krankheitsbildes nachgewiesen werden sollen. Das Studiendesign ist prospektiv. Das heißt: Die Untersuchungsrichtung ist in die Zukunft gerichtet. Man beginnt die Studie in der Gegenwart mit Teilnehmern, die in unterschiedlich stark exponiert sind und wartet dann ab, welche Teilnehmer erkranken. Ein bekanntes Beispiel stellt die Framinghamstudie dar. Der Vorteil dieses Studientypus liegt darin, dass sich Inzidenzen für unterschiedliche Gruppen in Abhängigkeit vom Expositionsstatus berechnen und miteinander vergleichen lassen. Nachteilig sind dagegen eine lange Studiendauer und ein hohe Anzahl von Teilnehmern, die bei solchen Studien in der Regel erforderlich sind. Eine Risikostudie kann auch als Fall-Kontroll-Studie retrospektiv durchgeführt werden.

Literatur

  • David A. Grimes, Kenneth F. Schulz: Cohort studies: marching towards outcomes. In: Lancet. 359, 2002, S. 341–345, online (PDF; 203 KB).
  • Rüdiger Jacob, Willy H. Eirmbter: Allgemeine Bevölkerungsumfragen. Einführung in die Methoden der Umfrageforschung mit Hilfen zur Erstellung von Fragebögen. Oldenburg, München u. a. 2000, ISBN 3-486-24157-5, S. 347.
  • Rainer Schnell, Paul B. Hill, Elke Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung. 7. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenburg, München u. a. 2005, ISBN 3-486-57684-4, S. 244–245.
  • Christel Weiß: Basiswissen medizinische Statistik. 5. Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-642-11336-9, Abschnitt 13.4.

Einzelnachweise

  1. Norval D. Glenn: Distinguishing Age, Period, and Cohort Effects. In: Jeylan T. Mortimer, Michael J. Shanahan (Hrsg.): Handbook of the life course. Kluwer Academic/Plenum Publishers, New York NY u. a. 2003, ISBN 0-306-47498-0, S. 465–476.
  2. E. Ferri, P. Sherperd: National Child Development Study: Prospectus for Analysis. In: ESRC data archive bulletin. ISSN 0307-1391, 50, 1992, S. 6–11.