Europäische Stechpalme
Europäische Stechpalme | ||||||||||||
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Europäische Stechpalme, oder Gemeine Stechpalme, (Ilex aquifolium), Illustration | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Ilex aquifolium | ||||||||||||
L. |
Die Europäische Stechpalme (Ilex aquifolium), auch Gemeine Stechpalme, Holly oder nach dem botanischen Namen Ilex genannt, ist die einzige in Mitteleuropa heimische Vertreterin aus der Familie der Stechpalmengewächse (Aquifoliaceae).
Bezeichnung
Regional existieren viele Bezeichnungen für die Europäische Stechpalme. In Deutschland ist etwa Hülse, Hulstbaum gebräuchlich, in der Eifel und im Hunsrück auch Walddistel.
In Österreich wird die Pflanze auch als Stechlaub (Vorarlberg), Schralab, Schradl oder Schradlbam (Ober- und Niederösterreich) bezeichnet.
Beschreibung
Die Stechpalme ist ein immergrüner, aufrechter ein- oder auch mehrstämmiger, bis zu einem Meter hoher Strauch oder ein 10 bis 15 Meter hoher, dicht verzweigter Baum mit kegelförmiger Krone. Junge Zweige sind grün und dicht behaart, verkahlen jedoch, wenn sie älter werden. Auch die Rinde des Stamms bleibt lange grün und bildet erst spät eine dünne schwarzgraue Borke. Die Stämme der Baumform können bis zu 50 cm Durchmesser erreichen. Die Sträucher werden bis zu 300 Jahre alt.
Die Blätter sind wechselständig angeordnet und haben einen 10 bis 15 Millimeter langen Stiel. Sie sind recht dick und ledrig, auf der Oberseite glänzend dunkelgrün und unterseits gelbgrün. Die Blattform ist elliptisch, beidseitig zugespitzt; der gezackte Blattrand ist auf beiden Seiten mit bis zu sieben Stachelzähnen besetzt, die alternierend aufwärts und abwärts geneigt sind. Im Bereich der Blütenstände kommen auch ungezähnte Blätter vor. Die Lebensdauer der Blätter beträgt etwa drei Jahre. Die Blattform variiert mit der Höhe des Astes, an dem sie wachsen. Niedrige Blätter sind stark stachlig, hohe Blätter dagegen nicht.
Stechpalmen sind zweihäusig, die unscheinbaren Blüten sind weiß, manchmal rötlich und etwa 8 Millimeter groß. Sie stehen in Dolden in den Achseln vorjähriger Blätter, als Bestäuber dienen Insekten, vor allem Bienen. Die Blütezeit ist von Mai bis Anfang Juni.
Die Früchte sind 8 bis 10 Millimeter große, erbsenförmige, rote, glänzende, saftige Steinfrüchte. Sie enthalten vier Steinkerne (Samen). Die Fruchtreife tritt ab Oktober ein.
Sie gilt in Winterhärte-Zone 7b als frosthart.
Verbreitung und Standort
Die Art ist submediterran-subozeanisch verbreitet, sie findet sich also in Gebieten mit milden Wintern und nicht zu trockenen Sommern wie dem atlantisch beeinflussten Europa. Im Mittelmeerraum, Südosteuropa und Nordafrika kommt die Stechpalme nur in Hochlagen mit entsprechendem Klima vor, in Mitteleuropa im Flachland und im Alpenvorland bis 1800 Meter aufsteigend. Die Nordgrenze ihrer natürlichen Verbreitung deckt sich etwa mit dem Verlauf der 0-°C-Januar-Isotherme. In der Mitte des 20. Jahrhunderts erstreckte sich ihr natürliches Vorkommen nur bis Dänemark und Südwest-Norwegen, in den vergangenen Jahrzehnten hat sie ihr Areal jedoch nach Norden und Nordosten hin ausgeweitet, was mit dem Anstieg der Wintertemperaturen in diesem Zeitraum in Verbindung gebracht wird. Aktuell wurde sie an der Küste Norwegens bis 63 °N nachgewiesen und hat an küstennahen Standorten in Südschweden und Bornholm Fuß gefasst.
In Deutschland kommt sie im Bereich des Mittelgebirgsgürtels vor allem westlich des Rheins, im Schwarzwald, im nördlichen Tiefland und im Alpenvorland auch weiter östlich vor, in Österreich, wo sie sonst selten ist, finden sie sich zerstreut in Vorarlberg; in Wien, Kärnten und Osttirol fehlt sie. Im östlichen Alpengebiet ist sie stark gefährdet.
Außerhalb Europas kommt die Stechpalme auch in Nordafrika, im Kaukasus und im Nordiran vor.
In Mitteleuropa und anderen Gebieten der gemäßigten Breiten werden Stechpalmen gerne als Zierpflanzen in Gärten und Parks angepflanzt. Neben der Wildform sind mehrere Kulturformen im Handel, teils mit anderer Blattgestalt und anderen Blattfarben.
Bevorzugt wächst die Stechpalme auf nährstoffreichen und kalkarmen, lockeren oder auch steinigen Lehmböden. In Mischwäldern wächst die Strauchform, da sie viel Schatten verträgt. Die Stechpalme bildet Wurzelsprosse und wächst deshalb oft in großen Beständen. Man findet die Stechpalme zerstreut, aber meist gesellig vor allem in Buchen- und Buchen-Tannen-Wäldern, auch in frischen Eichen-Hainbuchen- oder Eichen-Birkenwäldern. Sie bevorzugt kalkfreien, gleichwohl nährstoffreichen, lockeren und daher sandigen Lehmboden. Sie scheut Licht und gedeiht am besten im Halbschatten oder Schatten.
Nach Ellenberg ist sie ein Mäßigwärmezeiger mit ozeanischem Verbreitungsgebiet, ein Frischezeiger, auf mäßig stickstoffreichen Standorten wachsend und eine Klassencharakterart der Sommerlaubwälder (Querco-Fagetea).
In Deutschland steht die Stechpalme nach der Bundesartenschutzverordnung unter besonderem Schutz.
Giftigkeit
Die (roten) Beeren und Blätter sind stark giftig. Die Stechpalmen enthalten das Nitril Menisdaurin, Rutin, Ursolsäure und Ilicin. In den Früchten sind Triterpene, in den Blättern Saponine enthalten. 20 bis 30 rote Beeren gelten für Erwachsene als tödliche Dosis, bei Kindern entsprechend weniger.
Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen, Lähmungen, Nierenschäden, Durchfall, Magenentzündung, Schläfrigkeit.
Ökologie
Die Samen werden von Amseln und Drosseln, Rotkehlchen und Mönchsgrasmücken verbreitet (Endochorie). Den Vögeln schaden die Giftstoffe der Früchte offenbar nicht. Die Früchte werden erst weich und für Vögel essbar, wenn sie mehrmals Frost bekommen haben; sie können den ganzen Winter ohne zu verderben an der Pflanze bleiben und stellen ein sehr wichtiges Winterfutter für die Vögel dar. Die immergrüne Stechpalme ist im Winter auch ein beliebter Schlafplatz für kleinere Vögel.
Trotz der wehrhaften Blätter wird vor allem im Winter das feste Laub vom Wild verbissen.
Superlativ
Die größte Stechpalme Deutschlands steht im Odenwald in Trösel im Gorxheimertal.
Die Stechpalme in der Symbolik
Am Palmsonntag wird an den Einzug Jesu in Jerusalem gedacht. Zu diesem christlichen Feiertag werden in der gemäßigten Klimazone mangels echter Palmen Zweige von immergrünen oder zu dieser Jahreszeit bereits ergrünten Pflanzen (Weiden, Buchsbaum, Stechpalme) als Palm geweiht. Von dieser Tradition lässt sich der Namensteil „Palme“ ableiten.
Johann Wolfgang von Goethe schrieb zur Verwendung an christlichen Festen:
- „Im Vatikan bedient man sich
Palmsonntag echter Palmen
Die Kardinale beugen sich
und singen alte Psalmen.
Dieselben Psalmen singt man auch,
Ölzweiglein in den Händen,
Muß im Gebirg zu diesem Brauch
Stechpalmen gar verwenden.“
Da Bäume mit immergrünem Laub in Mitteleuropa sehr selten sind, wurden sie entsprechend von den Germanen, Angelsachsen und den Kelten verehrt. Das sattgrüne Laub und die kräftig roten Beeren, die zu einer dunklen Jahreszeit erschienen, verkörpern die Farben der Hoffnung und der Liebe. Im Christentum werden sie verbunden mit Leben und Blut.
Schon vor der Eroberung Britanniens durch die Römer war es Sitte, den Wohnraum mit beerentragenden Ilex-Ästen und Efeu (männliches und weibliches Prinzip) zu schmücken.
Auch Plinius der Ältere erwähnt bereits die Verwendung als Hausschmuck.
In Großbritannien und Nordamerika werden auch heutzutage Stechpalmenzweige gerne als Weihnachtsschmuck benutzt, da sich Blätter und Früchte auch in warmen Wohnräumen lange an den Zweigen halten.
Besonders in Lagen mit hoher Luftfeuchtigkeit konnte die Stechpalme undurchdringliche Dickichte bilden, in denen Familien in Kriegs- und Räuberzeiten ihr Leben mitsamt Hab und Gut retten konnten. Daher wird diese Pflanze auch als ein Symbol für den Schutz vor allem Bösen angesehen.
Durch die Tatsache, dass Blätter im unteren Baumbereich stärker bewehrt sind und im oberen Bereich, den das Wild nicht mehr erreicht, fast glattrandige Blätter ausbildet, wird die Stechpalme auch als Symbol der weisen Voraussicht gewertet.
Verwendung
Im Elsass wird aus den Beeren ein Obstbrand, Baie de Houx, hergestellt.
Das dichte, schwere, aber gut polierfähige grüne Holz wurde früher zu Intarsien oder Druckstöcken für Holzschnitte verarbeitet, manchmal auch zu Messerfurnieren oder Spazierstöcken. In der Feintischlerei diente es als Ebenholzersatz, da es dunkle Lacke sehr gut annimmt.
Ein bekanntes Stück Hülsenholz ist Johann Wolfgang von Goethes Spazierstock; er steht noch immer im Goethehaus in Weimar.
Die giftigen Früchte wurden früher gegen Verstopfung und Epilepsie verwendet. Die gerösteten Samen dienten als Kaffee-Ersatz. In ihnen sind nach neuen Untersuchungen Antioxidantien enthalten, Derivate der Phenylessigsäure[1]. Stechpalmenzweige im Kälberstall beugen erfolgreich der Rinderflechte, einer Hauterkrankung beim Rindvieh, vor.
Die belaubten Zweige können gebündelt werden und an einem Seil befestigt zur Reinigung eines Schornsteins verwendet werden. Dabei funktioniert dieser Stechpalmenbüschel wie eine Stahlbürste[2].
Sonstiges
Auf die starke Vermehrung der „Hülse“ bezieht sich ihr Ruf als „Waldunholz“ und der Spruch: „Ilse bilse, keiner willse, die böse Hülse!“
Die Orte Hülsede, Hüls, Hüllhorst, Hülsenbusch, Hülscheid oder der Geburtsort von Annette von Droste-Hülshoff verdanken der Hülse ihren Namen. Die Stadt Hüllhorst führt den Ilex offiziell als Kennzeichen (Jugendcafé Ilex, Ilex-Halle usw.). Auch der Name des wohl berühmteste Stadtteil von Los Angeles, Hollywood, geht auf die Stechpalme zurück (engl: holly).
J. R. R. Tolkien hatte ein Faible für den Hulstbaum; in seinem Roman Der Herr der Ringe ist das Land Hulsten (Hollin im englischen Original) Herkunftsland der Elbenringe.
Zweige und Blätter der Pflanze wurden einst auch gegen die Ratten- und Mäuseplage eingesetzt. So ist aus Lübeck bekannt, dass im Kanzleigebäude Hohlräume in Decken zur Abwehr mit „Hülsbusch“ ausgefüllt waren.[3]
In den Niederösterreichischen Voralpen (Wienerwald, Mostviertel, Elsbeerreich) gehörte die Stechpalme zum traditionellen Bauerngarten. Zumindest ein Baum wurde in ein nördliches Eck (um den Garten durch den Baum möglichst wenig zu beschatten) gesetzt. Bei verlassen, öd liegenden Gehöften ist sie ein Anzeiger, wo sich einst das 'Gartl' befand.
Quellen
- ↑ L. Nahar u. a.: Antioxidant phenylacetic acid derivatives from the seeds of Ilex aquifolium. In: Acta Pharm. 55, Nr. 2, 2005, S. 187–193, PMID 16179132
- ↑ John Seymour: Leben auf dem Lande Urania, Freiburg 2002, ISBN 3332010603.
- ↑ Heinrich Tannert: Eine eigenartige Verwendung der Stechpalme (Ilex aquifolium L.) in Lübeck. In Berichte des Vereins "Natur und Heimat" und des Naturhistorischen Museums zu Lübeck, Heft 13/14, Lübeck 1975.
Literatur
- Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-458-34694-5.
- Gunter Steinbach: Strauchgehölze - Erkennen und Bestimmen, Niedernhausen, ISBN 3-576-11478-5.
- Lutz Roth, Kurt Kormann, Max Daunderer, Max Daunderer, Max Daunderer: Giftpflanzen - Pflanzengifte : Giftpflanzen von A - Z, Notfallhilfe, Vorkommen, Wirkung, Therapie, allergische und phototoxische Reaktionen. Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg 1994, ISBN 3933203317.
Siehe auch
- Stechpalmen
Weblinks
- Karte des Gesamtareals
- Verbreitungskarte für Deutschland
- Die Giftpflanze Stechpalme
- Ilex auf www.foto.nabu-uelzen.de
- Steckbriefe
- Einfluss des Klimawandels
- Bilder
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