Ergin

Ergin

Dieser Artikel behandelt den Stoff aus der Gruppe der Mutterkornalkaloide; für den türkischen Personennamen siehe Ergin (Name).
Strukturformel
Strukturformel von Ergin
Allgemeines
Name Ergin
Andere Namen
  • D-(+)-Lysergsäureamid (LSA)
  • 9,10-Didehydro-6-methyl-ergolin-8β- carboxamid
  • LA-111
Summenformel C16H17N3O
CAS-Nummer 478-94-4
Eigenschaften
Molare Masse 267,33 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

242 °C (Zersetzung)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
keine Einstufung verfügbar
H- und P-Sätze H: siehe oben
P: siehe oben
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Ergin, auch D-Lysergsäureamid (LSA), ist ein dem LSD verwandter Stoff aus der Gruppe der Mutterkornalkaloide. LSA kann als Grundstoff für die Synthese von LSD dienen. Alleine entfaltet es beim Menschen eine dem LSD ähnliche, aber nicht die gleiche Wirkung halluzinogenen Typs.

Natürliches Vorkommen

Ergin kommt im Gegensatz zum LSD auch in der Natur vor, wie in einigen der rund 2.000 Windengewächse, unter anderem kommt er in den Samen von Rivea corymbosa und den Prunkwinden (Ipomoea) vor, allerdings nicht in allen davon nennenswert. Insbesondere die Art Ipomoea tricolor (bzw. Ipomoea violacea) verfügt über eine nennenswerte Konzentration. In der stärksten natürlich vorkommenden Konzentration liegt LSA aber in den Samen der Hawaiianischen Baby-Holzrose (Argyreia nervosa) vor, wo die Konzentration bis zu 10 mal höher als bei Ipomoea tricolor angegeben wird. Wie bei den meisten Naturdrogen ist der Gehalt der Stoffe je nach Anbauregion und Sorte schwankend.

Geschichte

Die Nutzung erginhaltiger Windengewächse hat neben weiteren natürlichen halluzinogen wirkenden Substanzen im süd- und zentralamerikanischen Raum eine lange rituelle Tradition. Erstmals im Labor hergestellt wurde LA-111 bei Albert Hofmanns Studien mit den Mutterkornalkaloiden Ende der 1930er/ Anfang der 40er Jahre, während deren er auch LSD entdeckte. Dabei war Hofmann noch nicht bewusst, dass erginhaltige Pflanzen eine jahrhundertelange traditionelle Nutzung besaßen. Im Zuge seiner später folgenden Studien zu süd- und zentralamerikanischen Naturdrogen - er synthetisierte beispielsweise erstmals die Hauptwirkstoffe der psilocybinhaltigen Pilze - wurde er auch auf den rituellen Trank Ololiuqui aufmerksam. In traditionellen rituellen Zusammenhängen dient das Ololiuqui als religiöses und magisches Mittel von Heilpriestern zur Kontaktaufnahme mit den Göttern, zur Beratschlagung oder Diagnostik von Krankheiten. Nachdem er herausfand, dass Ololiuqui aus den Samen von Trichterwindengewächsen bestand, machte er sich an eine Analyse der enthaltenen Stoffe. Schließlich gelang es ihm, LA-111 aus den Samen der Pflanze zu gewinnen und seine vor zuvor durchgeführte Synthese im Labor nun in der Natur wiederzuentdecken. Besonders ist, dass sich die Alkaloide, die in den niederen Mutterkornpilz entdeckt wurden, auch in einer höheren Pflanze finden, was äußerst selten in der Natur vorkommt. Deshalb wurden Hofmanns Entdeckungen zuerst in Zweifel gezogen und auf unsauberes Arbeiten in seinem Labor zurückgeführt. Erst als der Nachweis auch in anderen Laboratorien gelang, wurden letzte Zweifel ausgeräumt. Auch das von Hofmann synthetisierte Psilocybin ist verwandt mit diesen Stoffen, wie er nachweisen konnte.

Wirkung

Wirkung erginhaltiger Pflanzen

Erginhaltige Pflanzen sind auch wie isoliertes LSA weit weniger Potent als LSD. Nichtsdestoweniger kann es bei entsprechender Überdosierung auch zur völligen Abschottung von der Realität kommen. Der Trip verläuft visuell weit weniger stark als mit LSD und generell mehr auf einer geistig-gedanklichen Ebene. Im Vergleich zu LSD soll LSA aber ausgeprägtere auditive Halluzinationen hervorrufen. CEV (engl. Closed Eye Visuals), also visuelle Erscheinungen bei geschlossenen Augen, sind dagegen, als optische Halluzinationen gewertet, oftmals gegeben. Das Zeitempfinden wird beeinträchtigt; alles erscheint dem Konsumenten langsamer. Ein schnelles und vielfältiges Gedankenaufkommen sind für einen LSA-Trip ebenfalls charakteristisch. Die Gedanken werden oft als sehr klar und geordnet empfunden, jedoch kann auch ein verwirrter Zustand vorherrschen. Der Verlauf des Konsums hängt stark von Set und Setting ab.

Die Wirkung hält üblicherweise 4–8 Stunden an, wobei die eigentliche Wirkung je nach Zubereitungs- und Konsumform nach etwa 30 Minuten bis zwei Stunden einsetzt. Bei mangelnder Zerkleinerung der Samen kann eine Wirkung auch erst Stunden später (Gefahr der Überdosierung) oder gar nicht eintreten.

Körperliche Nebenwirkungen

Während ein Teil der Nebenwirkungen anderen Stoffen in den Samen zugeschrieben wird, ist nicht klar, inwiefern Ergin selbst ungewollte Effekte in höheren Dosen hervorrufen kann. Außer „einer nicht unangenehmen körperlichen Müdigkeit“ beschreibt Hofmann keine körperlichen Wirkungen des Ergins in Reinform, jedoch sehr wohl bei den mit Pflanzen hergestellten Mitteln. Schwangere dürfen aufgrund möglicher Gebärmutterkontraktionen kein Ergin zu sich nehmen. Ebenso ist Ergin für Personen mit Leberfunktionsstörung gefährlich.

Die häufigste Nebenwirkung vom Konsum erginhaltiger pflanzlicher Stoffe ist Übelkeit, die wenige Minuten bis mehrere Stunden nach Einnahme auftreten kann. Je nach Konsummaterial, Konsumform (von Zerkauen und Essen der ganzen Samen bis zum Kaltwasserauszug mit Abseihen des Suds), Konsummenge und individueller Veranlagung kommt es unterschiedlich häufig und stark zu Übelkeit oder seltener Erbrechen. Oft wird empfohlen, auf leeren Magen zu konsumieren. Es können durch Konsum chemisch behandelter Samen gegen Schimmel und ähnliches Vergiftungserscheinungen auftreten.

Schon bei geringen, vor allem aber bei höheren Dosierungen kann es zu Kreislaufproblemen und damit verbundenen Blackouts kommen. Dies kann das Risiko von Stürzen erhöhen. Oftmals wird bei höheren Dosen auch von einem Stechen in den Beinen berichtet. Der Körper fühlt sich im Rausch teilweise träge an, gerade zu Beginn kann ein Mattigkeitsgefühl vorherrschen. Das Schmerzempfinden kann stark reduziert sein. Es kann zu Verstopfung kommen.

Allgemeine Gefahr im Umgang mit psychotropen Substanzen

Durch zu unruhige Umgebung bzw. falsches Setting können sich, wie unter Einfluss anderer psychotropen Substanzen auch, besonders bei hohen Dosen Paranoia oder Horrortrips entwickeln. Wie bei allen halluzinogenen Substanzen besteht zudem die Gefahr der Aktivierung latenter Psychosen oder die Möglichkeit der Entstehung einer Drogenpsychose.

LSA als Wirkstoff traditioneller Naturdrogen

Meist wird unter der Wirkung und Nebenwirkung des Ergins die Wirkung der unterschiedlichen LSA-haltigen natürlichen Pflanzen verstanden. Es ist umstritten, ob das LSA für die Hauptwirkung der Pflanzen verantwortlich ist. Albert Hofmann, der LSA in Reinform sowie in Pflanzenform konsumierte, schrieb diesem und weiteren verwandten Stoffen die Wirkung des Ololiuqui zu und beschrieb die Wirkung:

Nach der Entdeckung der psychischen Wirkungen von LSD hatte ich auch Lysergsäure-amid im Selbstversuch geprüft und festgestellt, daß es — allerdings erst in einer etwa zehn- bis zwanzigmal höheren Dosierung als LSD — ebenfalls einen traumartigen Zustand erzeugte. Dieser war gekennzeichnet durch ein Gefühl geistiger Leere und der Unwirklichkeit und Sinnlosigkeit der äußeren Welt, durch gesteigerte Empfindlichkeit des Gehörs und eine nicht unangenehme körperliche Müdigkeit, die schließlich in Schlaf mündete. ... Ferner sind die psychischen Wirkungen von Ololiuqui doch verschieden von denen von LSD, da die euphorische und die halluzinogene Komponente weniger ausgeprägt sind und meistens Gefühle geistiger Leere, oft der Angst und Depression vorherrschen. Auch der schlapp- und müdemachende Effekt ist bei einem Rauschmittel unerwünscht.

Alexander Shulgin kommt zu dem Schluss, dass Versuche mit dem Reinstoff, wie sie Hofmann durchführte, zeigten, dass nicht das LSA der Hauptwirkstoff der jahrhundertelang genutzten natürlichen Substanzen sein kann.

Rechtslage

Auch wenn LSA und LSA-haltige Pflanze generell als legal angesehen werden, da sie nicht dem BtMG unterliegen, ist davon auszugehen, dass LSA unter die Definition von § 2(1) des AMG fällt, sobald es für die Anwendung an Mensch oder Tier bestimmt ist. Somit ist Herstellung und Verkauf einer Substanz nach dem AMG reguliert, unabhängig davon, in welcher Form die Substanz vorliegt, wenn sie in Bestimmung § 2 Abs. 1 erfüllt.[3][4] Der Verkauf und die Herstellung von Arzneimitteln ohne Genehmigung ist strafbar nach AMG § 2 Abs. 1 Nr. 5 a. F., § 2 Abs. 1 Nr. 2a n. F., § 5, § 95 Abs. 1 Nr. 1, StPO § 354a. Dies wurde in einem Urteil des Bundesgerichtshofs zu der frei verfügbaren Chemikalie γ-Butyrolacton (GBL) bestätigt, welche nach dem AMG als Arzneimittel eingestuft wird, sobald sie für den Konsum bzw. Gebrauch an Mensch oder Tier bestimmt ist.[5][6]

Literatur

  • Albert Hofmann: LSD – mein Sorgenkind. Die Entdeckung einer „Wunderdroge“. Klett-Cotta, Stuttgart 1979; 2. A. ebd. 2001, ISBN 3-608-94300-5
  • Albert Hofmann: Teonanácatl and Ololiuqui, two ancient magic drugs of Mexico. in: Bulletin on Narcotics Issue 1, 1971; 3-14.
  • Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendungen. AT Verlag, 7. Auflage 2004. ISBN 978-3-85502-570-1
  • Bert Marco Schuldes: Psychoaktive Pflanzen. Synergia/Syntropia; 2. Auflage, 1993. ISBN 978-3-925817-64-9
  • Alexander Shulgin, Ann Shulgin: TIHKAL, the Continuation. Abschnitt 26, LSD. Transform Press, Berkeley 1997, ISBN 0-9630096-9-9.

Einzelnachweise

  1. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 976-977, ISBN 978-0-911910-00-1.
  2. Diese Substanz wurde in Bezug auf ihre Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. Erwin Deutsch, Rudolf Ratzel, Hans-Dieter Lippert: Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG). 3. Auflage, Gabler Wissenschaftsverlage, 2010, ISBN 978-3-6420-1454-3, S. 64–66.
  4. ArzneimittelG § 2 Abs. 1 Nr. 5 a. F., § 2 Abs. 1 Nr. 2a n. F., § 5, § 95 Abs. 1 Nr. 1. Abgerufen am 16. Mai 2012.
  5. Martin Kämpf: Strafrecht: Handel mit Gamma-Butyrolacton (GBL, liquid ecstasy) zu Konsumzwecken. 25. Juli 2011.
  6. Das unerlaubte Inverkehrbringen von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumzwecken ist nach dem Arzneimittelgesetz strafbar. BGH-Urteil vom 8. Dezember 2009, 1 StR 277/09, LG Nürnberg-Fürth bei Lexetius.com/2009,3836.

Weblinks

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