Ziviler atomarer Sprengsatz

Ziviler atomarer Sprengsatz

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Neben der militärischen Bedeutung wurde die Kernwaffe auch zivil genutzt. Sowohl die USA (Operation Plowshare) als auch die Sowjetunion (Atomexplosionen für die Volkswirtschaft) nahmen zahlreiche Versuche vor, um Rohstoffvorkommen durch unterirdische Nuklearexplosionen ergiebiger zu machen, sowie im Bauwesen, speziell im Kanalbau. Sämtliche gedachten zivilen Anwendungsgebiete erwiesen sich aufgrund der hohen Radioaktivität und Verseuchung als nicht praktikabel.

Kratererzeugende Explosionen

Krater des Sedan-Tests
Sedan-Explosion

Bekanntestes Beispiel einer zivil genutzten Atombombe ist die so genannte Sedan-Explosion der USA am 6. Juli 1962. Mit einer Explosionsstärke von 100 kt TNT-Äquivalent wurde ein eindrucksvoller Krater mit 390 m Durchmesser und einer Tiefe von 98 m ausgehoben. In einem sowjetischen Experiment wurden drei Kernladungen mit jeweils 15 kt TNT-Äquivalent in etwa 165 m Abstand und in einer Tiefe von 127 m gezündet. Damit wurde ein länglicher Krater von 700 m Länge und 10 m bis 15 m Tiefe auf der Route des Petschora-Kolwa-Kanals erzeugt. Weitere US-amerikanische Atombombenexplosionen zur Erzeugung von Kratern waren die Experimente Danny Boy, Sulky, Cabriolet, Buggy und Schooner. Bei kratererzeugenden Explosionen wird der Atomsprengsatz zwar unterirdisch gezündet, jedoch in einer so geringen Tiefe, dass die Explosion bis zur Erdoberfläche durchschlägt und eine große Menge Gestein in die Umgebung verteilt.

Rohstoffgewinnung

Bei den vollkommen unterirdischen US-amerikanischen Testexplosionen Gasbuggy am 10. Dezember 1967 mit 28 kT Sprengkraft, Rulison am 10. September 1969 mit 43 kT Sprengkraft und Rio Blanco am 17. Mai 1973 mit drei Atombomben von je 33 kT wurden die Auswirkungen unterirdischer Atombombenexplosionen auf natürliche Gasreservoire untersucht. Ziel war insbesondere eine erhöhte Ergiebigkeit der Gasvorkommen durch eine Lockerung des Gesteins.

Obwohl insb. der Rulison-Test sehr erfolgreich war (die Ausbeute des Gasvorkommens wurde um den Faktor zehn gesteigert), konnte das so gewonnene Erdgas trotz der nur sehr geringen radioaktiven Belastung kaum verkauft werden.

Kavernen

Unterirdische Atombombenexplosionen erzeugen bei geeigneter Tiefe, Bodenbeschaffenheit und Sprengkraft große Hohlräume. Davon ausgehend gab es Pläne, damit Kavernen beispielsweise für unterirdische Öllager, Gaslager oder auch für die dauerhafte Lagerung von Abfallstoffen zu schaffen.

Bekämpfung von Öl- und Gasunglücken

Im Zuge der Versuche, die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko 2010 unter Kontrolle zu bringen, trat der Vorschlag, einen atomaren Sprengsatz zur Bekämpfung des Öllecks zu benutzen, in der Öffentlichkeit hervor. Russischen Medienberichten zufolge wurde diese Methode dabei bereits wiederholt in der damaligen Sowjetunion bei der Bekämpfung von unkontrollierbaren Gaslecks benutzt.[1] Die Atombombenexplosion soll dabei dazu geführt haben, dass durch die enorme Hitze das das Bohrloch umgebende Gestein geschmolzen ist und das Leck dadurch verschlossen hat. Steven Chu, Minister des United States Department of Energy (DOE), und weitere Regierungsmitglieder erklärten als Reaktion auf diesen und verschiedene andere Berichte in den Medien, dass die Verwendung einer Atombombe zum Verschließen des Öllecks von offizieller Seite nie erwogen worden sei.[2]

Erzeugung seismischer Tiefenprofile

Nukleare Explosionen können zur Erzeugung seismischer Tiefenprofile verwendet werden. Der Vorteil gegenüber der Erzeugung mit konventionellen Sprengungen oder Schwingmaschinen liegt in der wesentlich höheren Sprengkraft, die stärkere Schallwellen erzeugt und damit die Erstellung größerer (mehrere tausend Kilometer) und tiefergehender seismischer Profile ermöglicht. In der Sowjetunion wurden in den 1970er Jahren im Rahmen des "Russian Deep Seismic Sounding"-Programmes mehrere zivile nukleare Sprengsätze zur Gewinnung seismischer Daten gezündet.[3]

Nukleares Pulstriebwerk

Eine weitere mögliche zivile Anwendung wären Raumschiffe mit nuklearem Pulsantrieb. In den 1950er und 1960er Jahren gab es in den USA das Orion-Projekt, dessen Ziel es war, ein solches durch Atombombenexplosionen betriebenes Raumschiff zu konstruieren. Das Projekt wurde jedoch 1965 eingestellt, ohne dass Tests mit nuklearen Explosionen stattgefunden hatten.

1978 veröffentlichten Wissenschaftler der British Interplanetary Society ihren Entwurf zum Projekt Dädalus: Ein unbemanntes Forschungsraumschiff sollte mit Hilfe von gepulsten Wasserstoff-Explosionen binnen nur 50 Jahren zu dem 6 Lichtjahre entfernten Barnards Stern fliegen.

Ablenkung von Asteroiden

Große kosmische Gesteins- oder Wasserbrocken (je nach Herkunft, Größe und Zusammensetzung als Asteroiden, Meteoroiden, Kometen, Planetoiden etc. bezeichnet) stellen aufgrund der hohen Geschwindigkeit eine große Gefahr für das Leben auf der Erde dar, wenn sie in die Erdatmosphäre eintreten und dort verglühen oder gar auf der Erdoberfläche aufschlagen. So wird allgemein das Aussterben der Dinosaurier auf eine solche kosmische Katastrophe zurückgeführt, bei der ein riesiger Meteorit auf der Erde einschlug.

Wird ein Objekt, welches sich auf Kollisionskurs mit der Erde befindet, rechtzeitig vor dem Einschlag entdeckt, besteht jedoch die Möglichkeit, es abzulenken. Eine Änderung der Geschwindigkeit um nur 5 cm pro Sekunde (entsprechend 0,18 km/h) bewirkt in der Schwerelosigkeit des Weltraums binnen 10 Jahren eine Kursabweichung von über 15 000 km, also mehr als dem Durchmesser der Erde. Aufgrund der hohen Masse von großen Asteroiden wird jedoch auch für eine solche kleine Geschwindigkeitsänderung bereits eine hohe Energiemenge benötigt. Eine Atombombe könnte diese leisten, indem sie in der Nähe des Asteroiden gezündet wird. Die freigesetzte Strahlung verdampft Material von der Oberfläche des Asteroiden, wodurch der Asteroid einen Rückstoß erfährt.

Kritisch ist an diesem Vorgang, dass sich Größe und Richtung des Rückstoßes vor Durchführung der Ablenkung nur ungefähr vorhersagen lassen. Die Probleme beginnen schon mit dem Kernsprengsatz selbst, dessen Sprengkraft abhängig davon schwankt, wann genau nach der Herstellung der Überkritikalität die ersten Neutronen die Kettenreaktion auslösen. Ebenso wenig lässt sich der Energieübertrag auf den Asteroiden oder Meteoroiden genau vorhersagen, da dieser u.a. vom Absorptionsgrad und der Struktur der Oberfläche abhängt. Die chemische Zusammensetzung bestimmt dann wiederum, wie viel Material anschließend verdampft und wie hoch der dabei entstehende Gasdruck wird.

Bei ausreichend viel Zeit bis zum möglichen Einschlag erscheint es somit generell erfolgversprechender, exaktere Methoden, wie z.B. große Parabolspiegel im Weltraum, zu verwenden.

Für den Fall nur noch wenig verbleibender Zeit bis zum Einschlag oder sehr hoher abzulenkender Massen ist jedoch die Ablenkung per Nuklearexplosion die einzige derzeit technologisch verfügbare Alternative. Nicht praktikabel ist in der Regel hingegen, den Asteroiden selbst zu sprengen, wie es in einigen Hollywood-Filmen dargestellt wird, da die einzelnen Asteroidenteile nur noch schwerer zu kontrollieren wären und wahrscheinlich einen viel größeren Schaden anrichten würden.

Gefahren

Durch die zivilen Explosionen wurden abseits der bekannten Atomwaffen-Testgelände vergleichsweise große radioaktive Kontaminationen erzeugt. Es werden radioaktive Stoffe in die Atmosphäre und in das Gestein eingebracht, weshalb diese Anwendungen heute gemeinhin als zu gefährlich und zu umweltbelastend angesehen werden. Außerdem besteht bei allen hier aufgezeigten Anwendungen extrem hohes Proliferationsrisiko, da die für zivile Zwecke bestimmten atomaren Sprengsätze jederzeit für militärische Zwecke missbraucht werden könnten.

Siehe auch

Anmerkungen

Weblinks