Sanfilippo-Syndrom

Sanfilippo-Syndrom

Klassifikation nach ICD-10
E76.2 Sonstige Mukopolysaccharidosen
Sanfilippo-Krankheit
ICD-10 online (WHO-Version 2013)

Das Sanfilippo-Syndrom ist eine seltene angeborene, erblich bedingte Stoffwechselerkrankung. Sie gehört zu den Mucopolysaccharidosen, einer Gruppe von Störungen des Abbaus von langkettigen Zuckermolekülen, den Glykosaminoglykanen. Als Sanfilippo-Syndrom wird der Typ III der Mucopolysaccharidosen bezeichnet, welcher wiederum in vier Untertypen (A-D) unterteilt wird. Betroffene Kinder sind bei Geburt noch unauffällig. Ab dem dritten bis vierten Lebensjahr stellt sich eine verzögerte geistige Entwicklung und ein aggressives, extrem unruhiges Verhalten (Hyperaktivität) ein. Etwa im zweiten Lebensjahrzehnt tritt die Verhaltensstörung in den Hintergrund und wird durch eine zunehmende spastische Lähmung abgelöst. Im Gegensatz zu den übrigen Mucopolysaccharidosen sind andere Organe außer dem Gehirn weniger betroffen. Beispielsweise sind die Patienten in der Regel normalwüchsig und haben wenig Skelettauffälligkeiten. Eine ursächliche Therapie gibt es nicht, so dass die Behandlung rein symptombezogen ist.

Ursache

Das Sanfilippo-Syndrom wird durch einen autosomal-rezessiv vererbten Defekt von vier verschiedenen Enzymen (Typ A-D), die das Glykosaminoglykan Heparansulfat abbauen sollen, verursacht.

MPS-Typ Enzym Gen OMIM
IIIA N-Sulfoglucosamin Sulfohydrolase (SGSH) 17q25.3 252900
IIIB N-alpha-Acetylglucosaminidase (NAGLU) 17q21 252920
IIIC Heparan-alpha-Glucosaminid N-Acetyltransferase (HGSNAT) 8p11.1 252930
IIID N-Acetylglucosamin-6-Sulfatase (GNS) 12q14 252940

Das nicht abgebaute Heparansulfat wird in kleinen, von einer eigenen Membran umschlossenen funktionellen Unterheiten der Zellen (Organellen), den Lysosomen, gespeichert (lysosomale Speicherkrankheit). Mit zunehmender Überladung vor allem von Nervenzellen werden diese in ihrer Funktionsfähigkeit immer mehr gestört und es kommt zu den entsprechenden Symptomen. In den Knochen und anderen Organen ist die Speicherung von Heparansulfat nicht so ausgeprägt, so dass diese Organe im Gegensatz zu anderen Mucopolysaccharidosen nicht so stark betroffen sind.

Symptome

Bei Geburt sind die Kinder zunächst völlig unauffällig. Mit Beginn im zweiten bis vierten Lebensjahr bleiben sie zunehmend in ihrer Entwicklung zurück. Außerdem bekommen sie ein auffällig unruhiges, überaktives und oft auch aggressives, zerstörerisches Verhalten. In dieser Phase haben betroffene Patienten auch ausgeprägte Schlafstörungen. Die Kinder hören auf zu Sprechen und verlieren das Sprachverständnis. Erst später kommen zunehmende Lähmungserscheinungen hinzu. Die Kinder laufen immer unsicherer und verlieren die Gehfähigkeit schließlich aufgrund einer spastischen Lähmung ganz. Dazu treten Schluckstörungen, die zunehmend zu Schwierigkeiten bei der Ernährung führen. Auch eine Epilepsie kann Ausdruck der zunehmenden Störung der Hirnfunktion sein. Gegenüber den Symptomen von Seiten des Nervensystems sind die Krankheitserscheinungen an anderen Organen im Vergleich zu den übrigen Mucopolysaccharidosen gering ausgeprägt. Die Körperlänge erreicht fast normale Ausmaße, die Gesichtszüge werden erst mit ausgeprägtem Abbau der Gehirnfunktion etwas vergröbert. Lediglich das Haar ist auffallend dick und spröde. Auch die Augenbrauen sind so buschig, dass sie manchmal in der Mitte zusammenwachsen. Der Verlauf ist sehr variabel, je nach Schweregrad versterben die Patienten im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt.

Diagnose

Bei Verdacht auf Vorliegen eines Sanfilippo-Syndrom kann zunächst eine Bestimmung der Glykosaminoglykane (GAG) im Urin erfolgen. Die Ausscheidung kann aber beim Sanfilippo-Syndrom nur grenzwertig oder mild erhöht sein. Größere Sicherheit bietet daher eine Elektrophorese, bei der die erhöhte Ausscheidung von Heparansulfat sicher erkannt wird. Bei anhaltendem Verdacht kann die Diagnose durch die Bestimmung der Enzymaktivitäten in weißen Blutkörperchen (Leukozyten) oder Fibroblasten gesichert werden.[1]

Therapie

Da es sich beim Sanfilippo-Syndrom um eine erblich bedingte Erkrankung handelt, ist keine ursächliche Behandlung möglich. Eine Gentherapie ist aber zumindest für die Mucopolysaccharidose Typ II (Hurler) schon in klinischer Erprobung beim Menschen. Bei einigen Formen der Mucopolysaccharidosen kann unter bestimmten Umständen eine Knochenmarktransplantation den Verlauf der Erkrankung abmildern, insbesondere wenn sie vor Eintritt der Skelettveränderungen durchgeführt wird. Für das Sanfilippo-Syndrom ist diese prinzipiell nicht empfohlen. Dennoch gibt es einzelne Berichte über ein vermindertes Ausmaß der Behinderungen nach einer Knochenmarktransplantation auch bei diesem Krankheitsbild. [2] Eine Enzymersatztherapie, wie sie für andere Typen der Mucopolysaccharidosen schon zugelassen ist, existiert für den Typ III ebenfalls noch nicht. Symptomatisch können die Hyperaktivität und die Schlafstörungen medikamentös behandelt werden. Allerdings reagiert jedes Kind anders auf die verschiedenen Medikamente und diese können nach einer gewissen Zeit ihre Wirkung auch wieder verlieren, so dass für jeden Patienten eine individuelle Behandlung herausgefunden werden muss. Bei ausgeprägt überaktivem und aggressiven Verhalten sind entsprechende Schutzmaßnahmen in der häuslichen Umgebung nötig, damit sich die Kinder nicht selbst verletzen. Treten Schluckstörungen auf kann nach einem Übergang auf breiige Kost auch eine Ernährung über eine Magensonde nötig werden. Mit zunehmendem Verlust der Gehfähigkeit kann es vermehrt zu Versteifungen der Gelenke kommen. Diesen kann mit Krankengymnastik vorgebeugt werden.

Geschichte

Die Krankheit wurde das erste Mal 1963 von dem Arzt Dr. Sanfilippo und seiner Arbeitsgruppe beschrieben. Daher kommt auch der Name Sanfilippo.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zschocke/Hoffmann: Vademecum metabolicum 3. Aufl., Schattauer 2004 ISBN 3-7945-2375-X
  2. A. Vellodi et al.: Bone marrow transplantation for Sanfilippo disease type B. In: J Inherit Metab Dis. 1992; 15:911-918 PMID 1293388
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