Riesenchromosom

Riesenchromosom

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Polytänchromosomen in einer Speicheldrüsenzelle von Chironomus sp.
Präparierte Polytänchromosomen von Drosophila

Als Riesenchromosom oder Polytänchromosom wird ein Chromosom bezeichnet, das viele parallel verlaufendene chromosomale Einzelstränge mit jeweils den gleichen Gensequenzen enthält. Riesenchromosomen sind viel größer als normale Chromosomen und können durch ein Lichtmikroskop gut erkannt werden. Der Vorgang bei dem ein Riesenchromosom gebildet wird, wird auch als Polytänisierung bezeichnet. Da DNA-Replikation ohne Zellteilung stattfindet handelt es sich um eine Form der Endoreplikation.

Die einzelnen Stränge innerhalb des Polytänchromosoms liegen mit den entsprechenden DNA-Sequenzen exakt ausgerichtet eng aneinander, so dass dichter gepackte Bereiche (Heterochromatin) als „Banden“ sichtbar werden. Aufgrund dieser Banden hat man schon frühzeitig Chromosomenkarten erstellen können.

Bei denjenige Insektenarten, die Riesenchromosomen ausbilden, sind die homologen (also die entsprechenden von Vater und Mutter erhaltenen) Chromosomen auch während der Interphase in diploiden Zellen häufig eng gepaart. Dies ist auch bei Riesenchromosomen der Fall (Eine Paarung der Homologen findet üblicherweise nur im Zygotän/Pachytän, einer Phase der Reifeteilung statt). Beispielsweise bilden Zellen mit acht Chromosomen (vier Chromosomenpaaren) vier Riesenchromosomen. Die Polytänisierung geht oft mit zehn oder mehr Replikationsrunden einher, so dass „Kabel“ von 1024–2048 identischen ausgestreckten Chromatin-Fäden entstehen. Die Vervielfältigung, Polytänisierung, betrifft hier nicht das ganze Chromosom, ein Teil des Heterochromatins nimmt daran nicht teil, ein anderer anscheinend in reduziertem Maße.[1]

In Bereichen mit Transkriptionsaktivität kommt es zu einer Entspiralisierung, wodurch der Gen-Ort im Mikroskop heller erscheint. Solche Regionen bezeichnet man als Puff, besonders große Puffs bezeichnet man nach ihrem Entdecker Édouard-Gérard Balbiani (1823–1899) als Balbiani-Ring.

Besonders große Polytänchromosomen finden sich in den Speicheldrüsen der Larven mancher Insektenarten wie der Zuckmücke (Chironomus sp.), wo sie 1881 von Balbiani erstmals beschrieben wurden, oder bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster. Zumindest bei D. melanogaster sind auch viele andere Gewebe polytän. In Spinndrüsen von Insektenlarven kurz vor und während der Verpuppung findet man ebenfalls polytäne Chromosomen. Die Gene, die für die Seidenproteine kodieren, sind dort als Balbiani-Ringe (sehr hohe Transkriptionsraten) zu identifizieren.

Polytänchromosomen treten auch bei Springschwänzen (Collembola), bei einigen Pflanzen in den Suspensorzellen, bei Wimpertierchen (Ciliophora) und Zweiflüglern (Diptera) in den Speicheldrüsen, Borstenbildungszellen und Nährzellen auf.

Einzelnachweise

  1. Jochen Graw, Genetik, Springer-Lehrbuch, S. 249 ff