Garum

Garum

Antike Garum-Fabrik in Baelo Claudia.
Eine von vier Mosaiken, die die Ecken des Atriums der Villa des berühmten Garum-Produzenten Aulus Umbricius Scaurus in Pompeji schmückten. Der hier gezeigte Krug (urceus) stand für die beste der vier Sorten, die Makrelentunke. G(ari) F(los) SCOM(bri) SCAURI;
Gefäße zur Aufbewahrung von Garum (urcei) aus Pompeji. Pompeji-Ausstellung Europäischer Kulturpark Bliesbruck.

Garum (auch: Liquamen) war das Standardgewürz in der antiken römischen Küche. Diese Würzsoße wurde für salzige und süße Speisen verwendet, etwa in der Häufigkeit, wie heutzutage Fischsoße in der asiatischen Küche verwendet wird.

Herkunft

Garum erfreute sich in der römischen Küche größter Beliebtheit. Die Herkunft wird entweder in Griechenland oder Karthago vermutet. Für eine griechische Herkunft sprechen die schriftlichen Quellen.[1] Der Name Garum leitet sich demnach über Garos vom griechischen Wort Gauros (Γαύρος) für die Europäische Sardelle (Engraulis encrasicolus) ab, die ursprünglich für die Produktion von Garum verwandt wurde (Plinius: [garum] olim conficiebatur ex pisce quem Graeci garon vocabant). Doch kannten auch die Phönizier solche Soßen. Für eine nordafrikanische Herkunft würde sprechen, dass die Nachweise für Produktion schwerpunktmäßig in den ehemals punischen Gebieten Portugals, Spaniens und Nordafrikas vorliegen. Zudem liegen die frühesten Nachweise für Garum in einer Zeit, in der diese Gebiete römische Provinzen wurden. Die früheste Erwähnung im Lateinischen findet sich bei Varro in de lingua latina.[2]

Herstellung

Garum war eine Flüssigkeit, die dadurch entstand, dass man Fische wie Thunfisch, Europäische Sardelle, Aal, Makrele und andere einschließlich ihrer Eingeweide mit Salzlake vermischte und teilweise monatelang der Sonne aussetzte. Dabei wurde das Fischeiweiß durch in den Eingeweiden enthaltene Enzyme abgebaut. Bei konstant gehaltener Temperatur von ca. 40 °C ist die Fermentation nach ca. einer Woche abgeschlossen. Dieses Gemisch wurde dann ausgepresst und mehrfach gefiltert, bis man eine klare, bernsteinfarbene Flüssigkeit erhielt. Der zurückbleibende Satz wurde als allec bezeichnet. Während das Endprodukt einen feinen, charakteristischen Geruch hat, war die Geruchsbelästigung während der Produktion beträchtlich, weshalb die Produktionsstätten für Garum außerhalb der Ortschaften lagen. Der Herstellungsprozess wird in mehreren antiken Quellen beschrieben.[3]

Variationen

Garum wird als Oberbegriff für verschiedene Varianten von Fischpasten in verschiedenen Preisklassen gebraucht, wie Salsamenta, Liquamen, Muria oder Hallex. Als exquisiter Luxusartikel galt etwa das Garum, das aus gesalzenem Thunfisch aus Byzanz hergestellt wurde. Demgegenüber zeichnete sich Hallex, als billiges Produkt, dadurch aus, dass zu seiner Herstellung jedwede Art Fisch oder derjenige Fischabfall dienen konnte, der bei der Herstellung von hochwertigem Garum entstand.

Für die Römer war es ein gängiges Gewürz in der allgemeinen und gehobenen Küche. Im römischen Kochbuch De re coquinaria aus dem 1. Jahrhundert wird Garum für die meisten Rezepte benötigt. Gemischt mit Wein (oenogarum), Essig (oxygarum), Pfeffer, Speiseöl (oleogarum) oder Wasser (hydrogarum), wurde Garum zum Verfeinern vieler Speisen verwendet. Zusätzlich galt Garum in der Medizin als Heilmittel bei zahlreichen Leiden wie Hundebissen, Geschwüren, Darmgrippe und Durchfall.

Die bei Apicius erwähnten Variationen sind als Aufschrift der zum Transport verwendeten Amphoren (tituli picti) so gut wie nicht belegt. Häufiger finden sich dagegen Zusätze zur Reinheit (per se oder castum). Weitere Bezeichnungen nennen Reifegrad (flos – „die Blüte“, selten vetus – „gereift, alt“), Qualität (optimum, primum, secundum), oder den Fisch, aus dem er hergestellt wurde (scombri). Fast ein Markenprodukt im heutigen Sinne stellt dabei das im Fundmaterial häufig vertretene garum sociorum dar, das wohl aus dem Gebiet von Carthago nova (heute Cartagena an der spanischen Mittelmeerküste) stammt und von einer Gesellschaft vertrieben wurde.[4]

Der Begriff liquamen taucht erst im 1. Jahrhundert n. Chr. auf und hat wahrscheinlich später den Begriff Garum ersetzt. Auf Fischsoßenbehältern aus Pompeji dominiert noch das Garum im Verhältnis 2:1. In spätantiken Quellen wie dem Höchstpreisedikt Diokletians[5] findet sich nur noch liquamen, ebenso wird es ausschließlich verwendet im Kochbuch des Apicius, dessen endgültige Form erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts entstand.

Allec (auch Halles oder Allex) bezeichnet die beim Absieben der Flüssigkeit zurückbleibenden Feststoffe. Der Beschreibung der Fischsoßen bei Plinius zufolge[6] soll auch dieses zu einem Luxusartikel geworden sein. Wahrscheinlich bezog er sich auf hochwertigere Sorten des allec. Dies wurde nämlich auf den tituli picti der Amphoren mit dem Qualitätszusätzen wie etwa optimum versehen, seltener mit Zusätzen des Reifegrades (z. B. flos), wie wir sie von den anderen Fischsoßen kennen. Plinius erwähnt auch, dass allec der faex (Auswurf) des Garum sei. Nicht ganz geklärt ist der Begriff muria, wahrscheinlich ursprünglich eine Salzlake, der oft im Kontext der Fischsoßen genannt wird, etwa auf den tituli picti der üblichen Fischsoßenamphoren.

Handel

Der Unternehmer Aulus Umbricius Scaurus ist aus Pompeji als Garumproduzent im großen Stil durch verschiedene Quellen fassbar. Sein Name, der seiner Familienangehörigen, Sklaven oder Freigelassenen erscheint auf 31 % aller in Pompeji und Herculaneum gefundenen Fischsoßenbehälter. In einem größeren Wohngebäude in der Nähe der Porta Marina, Region VII, 16 (Ins. Occ.), Eingänge 12- 15, wurden Mosaiken mit Fischsoßenbehältern entdeckt, die den Namen des Scaurus tragen. Das vermutliche Grabmal der Familie wurde an der Gräberstraße vor dem Herculaneum-Tor lokalisiert. Eine Inschrift erwähnt dort wahrscheinlich den verstorbenen Sohn des A. Umbricius Scaurus, dem als Duumvir ein Grabmal von den Dekurionen zuerkannt wurde.[7] Auf den Garumhändler Scaurus bezieht sich möglicherweise eine kurze Erwähnung im Satyricon des Petronius während des Gastmahls des Trimalchio.[8]

Innerhalb der Stadtgrenzen von Pompeji wurden jedoch keine Produktionsstätten gefunden, woraus die Ausgräber schlossen, dass sie außerhalb der Stadtgrenzen lagen. Gegenwärtig kann man ausgegrabene Garum-Manufakturen in Baelo Claudia (Spanien) und in Lixus (Marokko) besichtigen. Garum war ein Exportschlager, der weit in das Römische Reich exportiert wurde: So wurden im römischen Militärlager Haltern (Kreis Recklinghausen) Garum-Amphoren aus Spanien gefunden; Garum aus der Provinz Lusitania im heutigen Portugal, das über den Hafen Lacobriga (Lagos) verschifft wurde, erzielte Höchstpreise auf den Märkten in Rom.

Mehrere tituli, die auf Amphoren in der Nähe der Castra praetoria in Rom gefunden wurden, belegen wahrscheinlich eine Familie, die in diesem Geschäft tätig war. Eine ganze Reihe von Amphoreninschriften nennt die Namen des Aulus bzw. C. Atinius.[9] Zwei Inschriften aus Colijnsplaat (Gemeinde Zierikzee, Provinz Seeland) in den Niederlanden nennen zwei negotiatores allecarii.[10]

Garum heute

Will man heute antike römische Rezepte nachkochen, kann man Garum durch hochwertige asiatische Fischsoßen ersetzen, wenn sie in der Herstellung ähnlich sind (Fisch oder Fischextraktanteil in der Zutatenliste beachten). Sie sind in Asienläden leicht erhältlich. Vincent Klink hat zudem eine auf eingelegten Sardellen, getrockneten Steinpilzen und Algen basierende Soße als Ersatz vorgeschlagen.[11]

Eine traditionell weitergeführte und verfeinerte Variante des Garum wird an der Amalfiküste zwischen Neapel und Salerno hergestellt und ist in Süditalien als Colatura (di alici) erhältlich, die vorzugsweise nur aus Sardellen gewonnen wird.[12] Außerhalb des Mezzogiorno sinkt die Verfügbarkeit und außerhalb Italiens ist es nur über den Fachhandel zu bekommen. Der Zusatz anderer Fischarten wird zumeist mit di Cetera gekennzeichnet, was zwar nur die Geschmacksrichtung beeinflusst, aber kein grundsätzliches Qualitätskriterium ist. Zur Anregung, Beschleunigung und Steuerung der Fermentation werden der Würzlake alte, bereits ausgepresste Anchovis (Sardellen) zugesetzt, so wie es in ähnlicher Weise auch bei der Käse- oder Joghurtherstellung geschieht.

Eine dem Garum ähnliche Lake bildet die historische Grundlage der englischen Worcestershiresauce von Lea & Perrins (seit ca. 1830), der auch noch andere Würzmittel zugesetzt werden und die in ihrer heutigen Form deshalb das Garum oder die Colatura ersetzen kann, wenn diese Gewürze ohnehin gebraucht werden (was aber oft der Fall ist oder, wie beim Caesar Salad, sogar erwünscht ist). Andere, als Worcestershire- oder gar Worcestersauce bezeichnete Produkte, haben mit Garum (und Fischsoße und der Original-Worcestershiresauce) meistens wenig gemein. Diese basieren zumeist auf aromatisierten Sojaprodukten.

Literatur

  • Robert Maier (Hrsg.): Das römische Kochbuch des Apicius. Phillipp Reclam jun., Stuttgart 1991, ISBN 3-15-008710-4
  • Robert Irvin Curtis: Garum and salsamenta - production and commerce in materia medica. Brill, Leiden 1991, ISBN 90-04-09423-7
  • Robert Irvin Curtis: The Production and Commerce of Fish-Sauce in the Western Roman Empire. A social and economic study. University Microfilms Int., Ann Arbor MI 1982.
  • J. C. Edmondson: Two industries in Roman Lusitania - mining and garum production. BAR international, Oxford 1987, ISBN 0-86054-469-9
  • Michel Ponsich, Miguel Tarradell: Garum et industries antiques de salaison dans la méditerranée occidentale. Presses universitaires de France, Paris 1965.

Weblinks

Commons: Garum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Einzelnachweise

  1. Etwa Plinius, naturalis historia 31,93 oder Ausonius, epistulae 25
  2. Varro, de lingua latina 9,40,66
  3. z. B. Geoponica 20,46.
  4. Robert Étienne: A propos du garum sociorum. Latomus 29,1970, 297- 313.
  5. 3. 6-7, S. Lauffer, Diokletians Preisedikt. Texte und Kommentare 5 (Berlin 1971) 102- 105.
  6. naturalis historia 31,95.
  7. CIL 10, 01024
  8. Petronius, Satyricon 77.
  9. CIL 15, 03639; CIL 15, 03640; CIL 15, 03641; CIL 15, 04695−4702; CIL 15, 04739; CIL 15, 04742; CIL 15, 04744.
  10. AE 1973, 00365; AE 1973, 00375.
  11. Das Maggi der Römer auf blog.zeit.de vom 6. Januar 2009
  12. La cucina italiana, Heft 4/2011, S.63