Elektrofilter

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Elektrofilter eines Biomasseheizwerkes

Elektrofilter, auch: EGR (Elektrische Gasreinigung), Elektro-Staubfilter, Elektrostat (engl.: ESP electrostatic precipitator) sind Anlagen zur Abscheidung von Partikeln aus Gasen, die auf dem elektrostatischen Prinzip beruhen. Da es sich strenggenommen um keinen Filter im klassischen Sinne handelt, ist die wissenschaftlich korrekte Bezeichnung Elektroabscheider oder Elektro-Staubabscheider.

Prinzip

Prinzipskizze eines Plattenelektrofilters mit Drahtelektrode

Die Abscheidung im Elektrofilter kann in fünf getrennte Phasen unterteilt werden:

  1. Freisetzung von elektrischen Ladungen, meist Elektronen
  2. Aufladung der Staubpartikel im elektrischen Feld
  3. Transport der geladenen Staubteilchen zur Niederschlagselektrode (NE)
  4. Anhaftung der Staubpartikel an der Niederschlagselektrode
  5. Entfernung der Staubschicht von der Niederschlagselektrode.

Die Staubteilchen besitzen zwar oft eine natürliche Ladung, diese reicht aber bei weitem nicht aus, um das Teilchen mit ausreichender Kraft zur entgegengesetzt geladenen Elektrode zu beschleunigen. Deshalb werden sie in einem elektrischen Feld stark aufgeladen. Das Feld wird zwischen der emittierenden negativen Sprühelektrode mit einer Hochspannung von 20 kV bis 80 kV und der geerdeten Niederschlagselektrode gebildet. Der für die Verhältnisse im Elektrofilter maßgebliche Mechanismus der Ladungserzeugung ist die „Stoßionisation“. Die im Gas vorhandenen freien Elektronen werden im elektrostatischen Feld der Koronahaut in der Umgebung der Sprühelektrode stark beschleunigt (Gasentladung). Beim Auftreffen auf Gasmoleküle werden entweder weitere Elektronen abgespaltet oder an die Gasmoleküle angelagert. Im ersten Fall entstehen so neue freie Elektronen und positive Gasionen, im zweiten Fall negative Gasionen. Die positiven Gasionen werden vom Sprühgitter neutralisiert, während die negativen Ladungen (freie Elektronen und Gasionen) in Richtung der Niederschlagselektrode wandern

Die Aufladung eines Staubteilchens beginnt mit seinem Eintritt in den vom Sprühstrom durchflossenen Raum und wird verursacht durch die Anlagerung von negativen Ladungen, wenn diese mit dem Staubkorn zusammenstoßen. Der Aufladevorgang erfolgt durch Feldaufladung bzw. durch Diffusionsaufladung. Bei der Feldaufladung treffen die Gasionen auf Grund ihrer gerichteten Bewegung auf die Staubpartikel und laden diese soweit auf, bis eine Sättigung eintritt. Für sehr kleine Partikel (d < 0,1 µm) verschwindet der Einfluss der Feldaufladung. Die Staubpartikel werden durch von der thermischen Bewegung der Gasmoleküle verursachte Stoßvorgänge aufgeladen.

Die aufgeladenen Staubpartikel wandern durch die einwirkende elektrische Kraft (Coulomb'sches Gesetz) des anliegenden Gleichspannungsfeldes quer zur Strömungsrichtung des Gases zur Niederschlagselektrode, wo sie ihre Ladungen abgeben. Da die Driftgeschwindigkeit zur Niederschlagselektrode relativ gering ist (Gesetz von Stokes), muss die Filtergasse eine gewisse Länge aufweisen und darf nur langsam von dem zu reinigenden Gas durchströmt werden.

Nachdem die Staubteilchen ihre Ladung abgegeben haben, werden sie durch Haftkräfte gebunden, die im Wesentlichen durch die elektrische Feldstärke innerhalb der anhaftenden Staubschicht bestimmt werden. Ein Staubkorn gilt als „abgetrennt“, wenn die Haftkräfte größer sind als die Strömungskraft des Gases.

Die sich auf der Niederschlagselektrode bildende Staubschicht muss in regelmäßigen Abständen abgereinigt werden. Dies geschieht in den meisten Fällen durch Klopfschläge mit einem Hammerwerk. Der Staub löst sich und fällt in einen Sammelbunker. Allerdings wird ein gewisser Prozentsatz der Staubteilchen vom Gasstrom wieder mitgerissen und muss erneut aufgeladen und abgeschieden werden.

In kleineren Elektrofiltern, z. B. zur Raumluftreinigung, werden die Partikel meist positiv aufgeladen, wobei der Abscheidungsmechanismus nach dem Penney-Prinzip funktioniert. [1] [2] [3] In großen Elektrofiltern werden die Partikel (meist Staubteilchen) negativ aufgeladen (sog. Cotrell-Prinzip, vgl. Stiess, 1997, Mechanische Verfahrenstechnik, Bd. 2, S. 40).[4]

Stromversorgung und Steuerung des Elektrofilters

Der Abscheidegrad eines Elektrofilters ist insbesondere von der Spannung zwischen Sprüh- und Abscheideelektrode abhängig. Die dafür notwendige gleichgerichtete Hochspannung wird von der Spannungsumsetzanlage erzeugt. Diese besteht normalerweise aus einem Hochspannungstrafo, der die Netzspannung auf etwa 80 kV bis 100 kV (Leerlauf) hochsetzt, und einem Gleichrichter auf der Hochspannungsseite. Als Stellglied ist ein Thyristorsteller mit zwei antiparallel geschalteten Thyristoren in den Primärkreis geschaltet. Ein Nachteil dieser Art der Spannungsversorgung ist die Restwelligkeit – die Plattenanordnung der EGR ist mit einem Kondensator vergleichbar – so dass im Kurvenverlauf nicht immer die maximale Spannung ansteht.

In letzter Zeit sind durch die Entwicklung kostengünstiger Leistungstransistoren Spannungsumsetzanlagen auf den Markt gekommen, die eine glatte Gleichspannung und ausreichende Leistung liefern, wodurch ein im Mittel höherer Sprühstrom in die EGR eingetragen werden kann. Auch ein Pulsbetrieb mit weitaus kürzeren Reaktionszeiten (ms-Pulser, µs-Pulser) kann damit realisiert werden.

Zur Steuerung des Elektrofilters werden vor allem folgende Größen benötigt, aus denen dann die erforderlichen Reaktionen abgeleitet werden:

  • Primärstrom zum Hochspannungstrafo
  • Sekundärstrom zum Elektrofilter
  • Sekundärspannung (Hochspannung)

Aufgabe der Filtersteuerung:

  • Begrenzung der Aussteuerung (vor allem des Primärstroms) auf vorgegebene Werte
  • Führen der Hochspannung auf den maximal möglichen Wert – dicht unterhalb der Durchschlagsgrenze – und damit Erzielen eines ausreichenden Sprühstroms
  • Feststellen der Durchschlagsgrenze selbst
  • Exaktes Erfassen eines Durchschlags
  • Unterscheidung verschieden gearteter Durchschläge
  • Optimale Reaktion auf die verschiedenen Arten von Durchschlägen
  • Erfassung des Rücksprühens bei hochohmigen Stäuben
  • Optimale Steuerung bei erkannten Rücksprühbedingungen

Die Filtersteuerung für Netzfrequenz arbeitet generell als Stromsteller und würde nach dem Einschalten in einer vorgegebenen Rampe auf den eingestellten Nennstrom (Primärstrom) regeln. Gleichzeitig sind aber noch Funktionen zur Begrenzung von Filterstrom und Filterspannung und, vor allem, zur Durchschlagserkennung und Durchschlagsverarbeitung unterlagert. Bei einem erkannten Durchschlag wird die Hochlauframpe abgebrochen, eventuell der Thyristorsteller zur Entionisation kurzzeitig gesperrt und eine neue Hochlauframpe, gegebenenfalls mit neuen internen Begrenzungswerten, gestartet.

Einflüsse auf die Abscheidung / Effektivität

Partikeltransport

Der Partikeltransport ist abhängig von dem anstehenden elektrischen Feld, sowie von den Eigenschaften des durchströmenden Gases und des abzuscheidenden Staubes. Sowohl die elektrischen Bedingungen als auch die Strömungsdynamik werden stark von der Geometrie des Abscheiders bestimmt (insbesondere die Geometrie der Abscheide- und Sprühelektroden). Ein weiterer Effekt ist die Rückwirkung der geladenen Partikel auf das elektrische Feld. Da die Aufladezeit der Partikel gegenüber der Abscheidezeit relativ klein ist, entsteht eine Wolke negativ geladener Partikel. Die negativ geladenen Partikel (Partikel-Raumladung) beeinflussen sich auf dem Weg zur Abscheideelektrode (Abstoßung gleicher Polarität) gegenseitig und begrenzen dadurch den Ionenstrom. Dies ist ein genereller Vorgang, der bei elektrischen Abscheidern in geringem Ausmaß immer auftritt. Bei sehr hoher Eingangskonzentration, insbesondere feiner Partikel, kann diese Partikel-Raumladung allerdings so stark werden, dass der Strom der Koronaentladung auf Promille-Werte der Reingasstromaufnahme absinkt.[5] Man spricht dann von Corona-Quenching. Dieses Problem lässt sich durch die Wahl eines geeigneten Abstandes zwischen Sprüh- und Abscheideelektrode (etwa 4...6 cm bei Umgebungsbedingungen) und die Verwendung von Sprühelektroden mit kleiner Corona-Einsatzspannung (dünne Drähte oder Konstruktionen mit Spitzen) weitgehend minimieren oder sogar vermeiden.

Staubschicht

Die Ladung der abgeschiedenen Partikel und des ankommenden Ionenstroms müssen durch die Staubschicht der bereits abgeschiedenen Partikel auf den Niederschlagsplatten abfließen. Besitzt die Staubschicht einen hohen elektrischen Widerstand (abhängig von: Zusammensetzung, Korngrößen, Temperatur, etc.), kommt es zu einem starken Spannungsabfall über die Staubschicht, die schließlich zu einer Koronaentladung in der Staubschicht führen kann. Hierbei entstehen Ladungsträger beider Polaritäten, was zu einem Ionenstrom, entgegen dem Abscheidestrom, in Richtung der Sprühelektroden führt. Teilweise kommt es auch zu Überschlägen innerhalb der bereits abgeschiedenen Staubschicht, die wie bei einer Explosion Staub zurück in den Gasstrom schleudert. Dieser Effekt wird Rücksprühen (Back-Corona) genannt und führt zu einer Verminderung der Partikeltransportgeschwindigkeit.

Reentrainment

Unter Reentrainment versteht man den Mitriss von bereits abgeschiedenem Staub mit dem Gasstrom. Der Großteil des Reentrainments entsteht beim Abklopfen der Niederschlagsplatten (Klopfverluste). Aber auch im normalen Abscheidebetrieb entstehen Reentrainment-Verluste aus der Staubschicht. Hier spricht man von Erosionsverlusten. Konstruktiv versucht man durch entsprechende Elektroden-Geometrien (beispielsweise Fangräume) dem Reentraiment entgegenzuwirken.

Anwendung

Elektrofilter nach einem biomassebefeuerten Kessel mit Trogkettenförderer (grün) für den Aschetransport in die Aschemulde (orange)

Ihre hauptsächliche Anwendung finden Elektrofilter in der Reinigung von Rauchgasen, beispielsweise bei der Stromerzeugung aus Kohle, bei der Verhüttung oder der Zementherstellung. Dort werden Gesamtabscheidegrade bis zu 99,9 % erreicht, was bei einem Kohlekraftwerk die Emission von bis zu 10 t Staub pro Tag verhindert. Ein Kraftwerksfilter ist unter Umständen einige zehn Meter hoch, die Plattenabstände liegen im Bereich von einigen zehn Zentimetern, bis zu mehrere hundert Filtergassen können parallel geschaltet sein. Abhängig von der Art des eingesetzten Klopfungssystems entsteht ein nicht zu vernachlässigender Verschleiß sowohl an den klopfenden Teilen und deren Antrieben selbst als auch an den geklopften Niederschlags- bzw. Sprühelektroden und deren Aufhängungen und den (meistens keramischen) Isolatoren.

Über den Einsatz von Elektrofiltern in Pkws wurde nachgedacht, bisher ist dies jedoch nicht zu verwirklichen.

In der Metall bearbeitenden und verarbeitenden Industrie finden elektrostatische Abscheider insbesondere bei der Absaugung und Abscheidung von Aerosolen, bestehend aus Kühlschmierstoffen (KSS) und Stoffabriebpartikeln, Anwendung. Ungefähr 50 % der in der Praxis Metall bearbeitender und verarbeitender Betriebe eingesetzten Abscheider sind elektrostatische Abscheider unterschiedlicher Bauformen (vgl. BGIA-Report 9/2006, S. 10f)[6].

Bauformen

Elektrofilter unterscheiden sich in Form und Größe der Filtergasse (Rohre, Platten), der Form der Sprühelektroden (Helix, Draht, Dornelektrode), der Betriebsspannung (Gleichspannung, Wechselspannung, gepulste Gleichspannung, pulsüberlagerte Gleichspannung) und der Art der Reinigung (Klopfen, Spülen). In aggressiven Atmosphären werden Spezialstähle oder sogar Blei verbaut.

Herausforderungen

Die Abscheidung von besonders giftigen Feinststäuben im Bereich unter ein Mikrometer stellt eine besondere Herausforderung an die Abscheiderate von Elektrofiltern dar. Solche Stäube gelangen in die Lunge (sie sind lungengängig) und können daher nicht abgehustet werden. Sie stellen je nach Substanz ein erhebliches Krebsrisiko dar.

Geschichte

  • Erste überlieferte Aufzeichnung der elektrischen Abscheidung von Rauch durch W. Gilbert um 1600.
  • Eine Studie von B. Franklin um 1745 befasst sich mit Korona-Entladungen.
  • Experimentelle Reinigung eines Nebels in einem Glasgefäß durch Hohlfeld im Jahr 1824.
  • Veröffentlichung von O. Lodge 1884 über dieses Phänomen.
  • Erster kommerzieller Versuch der elektrischen Abscheidung 1885 durch Walker, Hutchings und Lodge in einer Bleihütte, der allerdings misslang, da Bleistaub außerordentlich schlecht abscheidbar ist.
  • Versuche von F. Cottrell um 1906 führten zur ersten erfolgreichen kommerziellen Anwendung bei der Abscheidung von Schwefelsäurenebel in den Pulverfabriken von Pinole und der Selby-Hütte.
  • W. A. Schmidt, ein früherer Student von Cottrell, entwarf um 1910 die ersten Elektrofilter in der Zementindustrie.
  • Ableitung des exponentiellen Abscheidegesetzes durch W. Deutsch im Jahr 1922.

Siehe auch

Literatur

  •  Harry J. White: Entstaubung industrieller Gase mit Elektrofiltern. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1969.
  •  VDI 3678 Bl.1 Elektrofilter: Prozeßgas- und Abgasreinigung. VDI-Verlag, Düsseldorf 1996.
  •  Friedrich Löffler: Staubabscheiden. Thieme, Stuttgart; NewYork 1988, ISBN 3-13-712201-5.

Einzelnachweise

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