Denosumab
Denosumab | ||
---|---|---|
— | ||
Masse/Länge Primärstruktur | 146 kDa | |
Bezeichner | ||
Externe IDs | CAS-Nummer: 615258-40-7 | |
Arzneistoffangaben | ||
ATC-Code | M05BX04 | |
Wirkstoffklasse | Monoklonaler Antikörper | |
Verschreibungspflicht | ja |
Denosumab (Handelsname Prolia® und XGEVA®; Hersteller von Beiden Amgen) ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der im Knochenstoffwechsel die Effekte von Osteoprotegerin (OPG) imitiert. Denosumab ist ein IgG2-anti-RANKL-Antikörper,[1] der mit sehr hoher Affinität an RANKL bindet und so dessen Interaktion mit RANK hemmt.
Wirkweise
Schon seit längerem ist bekannt, dass die regelmäßige Erneuerung der Knochenmatrix auf einem komplexen Zusammenspiel spezieller Knochenzellen beruht: Neben Osteoklasten (verantwortlich für Knochenabbau) und Osteoblasten (verantwortlich für Knochenaufbau) spielen auch Osteozyten und so genannte „Lining cells“ eine Rolle. Für deren unterschiedliche Aktivitäten besteht eine fein abgestimmte Koordination. Diese Koordination erfordert ausgeklügelte intrazelluläre Kommunikationspfade, die die Übertragung des Kopplungssignals erklären.
Neuere Erkenntnisse im Verständnis der Knochenbiologie führten auf die Spur eines – von den Osteoblasten gebildeten – Proteins, des so genannten Receptor Activator of Nuclear Factor Kappa B Ligand (RANKL), der als Signalüberträger von Osteoblasten zu Osteoklasten gilt. RANKL bindet an seinen auf der Oberfläche von Präosteoklasten lokalisierten Rezeptor RANK, einem Mitglied der Tumornekrosefaktor-Rezeptor-Superfamilie, wandelt die Vorläuferzellen in Osteoklasten um und erhöht damit die Aktivität und das Überleben der für die Knochenresorption verantwortlichen Zellen. RANKL stellt demzufolge den primären Mediator von Knochenabbau dar. Knochenabbau führt langfristig zu Osteoporose.[2]
Um seinen Effekt zu modulieren und die physiologische Balance aufrechtzuerhalten, sezernieren die Osteoblasten ein weiteres Protein – das Osteoprotegerin (OPG), das als „Abfang“-Rezeptor agiert. OPG bindet an RANKL, hindert ihn dadurch, mit RANK zu interagieren und steuert so Intensität und Dauer der RANKL-induzierten Osteoklastenfunktion.
Die Entschlüsselung dieses RANK/RANKL/OPG-Pfades, an der das amerikanische Biotech-Unternehmen Amgen zusammen mit anderen wissenschaftlichen Labors seit Mitte der 1990er Jahre gearbeitet hat, war wegweisend für die Entwicklung eines klinisch einsetzbaren RANKL-Inhibitors: Denosumab, ein humaner monoklonaler IgG2-anti-RANKL-Antikörper, der die Effekte von OPG imitiert. Im Gegensatz zu OPG ist Denosumab hochselektiv, d. h. der Antikörper bindet nicht an andere Vertreter der TNF-Familie und ermöglicht dadurch die spezifische Inhibierung der RANKL-Aktivität. Ein wichtiger Vorteil der Antikörper-Gabe liegt zudem darin, dass es – anders als bei dem früher zur RANKL-Hemmung diskutierten rekombinanten OPG – nicht zu einer Immunsensibilisierung gegen OPG kommt.[3]
Therapeutischer Einsatz
- Behandlung von Osteoporose bei Frauen in der Postmenopause mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche (Handelsname Prolia®)[4][5]
- Behandlung von Osteoporose bei Männern mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche (Handelsname Prolia®)[6]
- Behandlung von Osteoporose bei Männern, verursacht durch Hormontherapie bei Prostatakrebs (Handelsname Prolia®)[5]
- Prävention von skelettbezogenen Komplikationen bei Erwachsenen mit Knochenmetastasen aufgrund solider Tumoren (Handelsname XGEVA®)[7][8]
Da die kritische Signalbahn RANKL/RANK bei allen mit Knochenverlust assoziierten Krankheiten besteht, könnte Denosumab neben der postmenopausalen möglicherweise auch bei der männlichen Osteoporose, dem steroid-induzierten Knochenabbau und nicht zuletzt bei der rheumatoiden Arthritis einsetzbar sein. Dafür ist der Wirkstoff allerdings noch nicht zugelassen (Off-Label-Use).
In zwei multizentrischen doppel-blinden randomisierten Placebo-kontrollierten Studien wurde Denosumab (60 mg alle sechs Monate subkutan injiziert) inzwischen bezüglich der Minderung osteoporotischer Frakturen überprüft. Bei 734 Männern (mittlere 75,3 Jahre) unter Anti-Androgen-Therapie wegen eines Prostata-Krebses zeigte sich nach zwei Jahren ein Anstieg der Knochendichte um 5,6 % im Vergleich zu einer Knochendichteminderung um 1,0 % in der Placebo-Gruppe. Es traten in 1,5 % Wirbelkörperfrakturen auf, im Vergleich zu 3,9 % in der Placebogruppe (Relative Risikoreduktion 62 %).[9] Die zweite Studie („FREEDOM Trial“) umfasste 7868 Frauen nach der Menopause zwischen 60 und 69 Jahren mit Osteoporose. Eine Wirbelkörperfraktur trat binnen 36 Monaten bei 2,3 % auf, in der Placebo-Gruppe bei 7,2 % (Relative Risikoreduktion 68 %). Oberschenkelschaftbrüche traten bei 0,7 % versus 1,2 % in der Placebo-Gruppe auf (Relative Risikoreduktion 40 %).[10] Das Risiko eines Knochenbruchs konnte in beiden Studien somit in der gleichen Größenordnung gesenkt werden wie bei Zoledronat und Teriparatid, und etwas mehr als bei den oralen Aminobisphosphonaten.
Die Forscher des Institut für Molekulare Biotechnologie stellten 2010 fest, dass das Protein RANKL, eigentlich ein Schlüsselmolekül des Knochenstoffwechsels, auch für die Entstehung von hormonabhängigem Brustkrebs verantwortlich ist.[11] Das US Verteidigungsministerium investiert in 2012 7,4 Millionen Dollar in österreichische Brustkrebsforschung.[12]
Zulassungsstatus
Das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der European Medicines Agency (EMA), also die europäische Zulassungsbehörde, erteilte im Dezember 2009 eine „Positive Opinion for Denosumab“. In der Regel bedeutet eine solche positive Empfehlung eine Zulassung in wenigen Monaten in Europa, da sich die Europäischen Behörden so gut wie immer an diese Empfehlung halten.[13][14] Entsprechend wurde Denosumab im Mai 2010 (mit dem Handelsnamen Prolia®) für alle 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sowie in Norwegen, Island und Liechtenstein in der Osteoporose Indikation (für Frauen mit erhöhtem Knochenbruchrisiko) zugelassen.[5] Die US-amerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) folgte im Juni 2010 mit einer Zulassung für Denosumab (Osteoporose bei Frauen).[15] Die FDA hat am 20. September 2012 Denosumab zur Behandlung von Osteoporose bei Männern mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche zugelassen. Eine Zulassung für diese Indikation innerhalb der EU steht noch aus.[6]
Die Food and Drug Administration hat im November 2010 Denosumab (Handelsname: XGEVA®) für die USA zur Prävention skelettbezogener Komplikationen bei Patienten mit Knochenmetastasen durch solide Tumore zugelassen.[16] Im Juli 2011 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) für die EU XGEVA® die Zulassung zur Prävention von skelettbezogenen Komplikationen bei Knochenmetastasen durch solide Tumoren erteilt.[7][8]
Risiken
Laut EMA sind die häufigsten Nebenwirkungen:[17][18] Harnwegsinfektionen, obere Atemwegsinfektionen, grauer Star, Verstopfung, Ausschlag, Ischias und Gelenkschmerzen.
In einer kleineren Studie wurde zwar ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen und für schwere Infektionen gefunden, dies war jedoch statistisch nicht signifikant.[19] Der Freedom-Trial von Cummings et al.[10] mit Frauen, die an Osteoporose leiden, zeigte signifikant höhere Raten von Ekzemen und von Krankenhauseinweisungen wegen Hautinfektionen. Ein möglicher Zusammenhang besteht darin, dass RANKL als Ziel von Denosumab auch auf Immunzellen exprimiert wird, die Bedeutung von RANKL dort jedoch bisher nicht bekannt ist.[20]
Im September 2012 verschickte der Hersteller Amgen einen Rote-Hand-Brief zu einer schweren symptomatischen Hypokalzämie (einschließlich Fällen mit tödlichem Ausgang) bei Patienten, die mit XGEVA® (Denosumab) behandelt wurden.[21]
Sonstiges
Schätzungen von Thomson Reuters gehen davon aus, dass im Jahr 2014 Denosumab einen weltweiten, jährlichen Umsatz von 3,3-Milliarden-Dollar erreichen wird.[22]
Im November 2010 erhielt Denosumab von SCRIP, dem international führenden Publikationsorgan zur Healthcare Marktanalyse, den Scrip Award als bestes neues Medikament des Jahres.[23][24]
Amgen erhielt 2011 für Denosumab den Galenus von Pergamon-Preis (Prix Galien) in der Kategorie Primary Care.[25]
Weblinks
- Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Denosumab-Präparate
- www.prolia.de, WebSite für die Fachkreise
Einzelnachweise
- ↑ Preisinger E: RANK/RANK-Ligand/OPG: Ein neuer Therapieansatz in der Osteoporosebehandlung. In: Journal für Mineralstoffwechsel. 14, Nr. 4, 14. November 2007, S. 144-145. ISSN 1023-7763. Abgerufen am 8. Juli 2012.
- ↑ Denosumab bei postmenopausale Frauen mit Osteoporose. medknowledge.de. Abgerufen am 8. Juli 2012.
- ↑ RANK Ligand Virtual Press Kit. amgen.com. Archiviert vom Original am 2. Februar 2009. Abgerufen am 8. Juli 2012.
- ↑ Bone HG, Bolognese MA, Yuen CK, et al.: Effects of denosumab on bone mineral density and bone turnover in postmenopausal women. In: The Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism. 93, Nr. 6, Juni 2008, S. 2149–2157. PMID 18381571. Abgerufen am 19. August 2010.
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Prolia(R) (Denosumab) Granted Marketing Authorization in the European Union, Pressemitteilung vom 28. Mai 2010
- ↑ 6,0 6,1 FDA Approves New Indication For Prolia® (Denosumab) For The Treatment Of Bone Loss In Men With Osteoporosis At High Risk For Fracture, Pressemitteilung vom 20. September 2012
- ↑ 7,0 7,1 XGEVA® (Denosumab) Granted Marketing Authorization in the European Union, Pressemitteilung vom 15. Juli 2011
- ↑ 8,0 8,1 Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ): "Neue Arzneimittel" XGEVA® Zugegriffen am 1. Dezember 2011.
- ↑ Smith MR, Egerdie B, Hernández Toriz N, et al.: Denosumab in men receiving androgen-deprivation therapy for prostate cancer. In: The New England Journal of Medicine. 361, Nr. 8, August 2009, S. 745–755. PMID 19671656. Abgerufen am 19. August 2010.
- ↑ 10,0 10,1 Cummings SR, San Martin J, McClung MR, et al.: Denosumab for prevention of fractures in postmenopausal women with osteoporosis. In: The New England Journal of Medicine. 361, Nr. 8, August 2009, S. 756–765. PMID 19671655. Abgerufen am 19. August 2010.
- ↑ Wie Hormone Brustkrebs auslösen können, IMBA Presseinformation vom 29. September 2010
- ↑ US Verteidigungsministerium investiert 7,4 Millionen Dollar in österreichische Brustkrebsforschung, IMBA Presseinformation vom 22. Oktober 2012
- ↑ Committee for Medicinal Products for Human Use: Summary of Positive Opinion for Prolia (PDF). emea.europa.eu (17. Dezember 2009). Abgerufen am 8. Juli 2012.
- ↑ Amgen Receives CHMP Positive Opinion for Prolia(TM) (Denosumab) in the European Union, Pressemitteilung vom 18. Dezember 2009
- ↑ FDA Approves Amgen's Prolia(TM) (Denosumab) for Treatment of Postmenopausal Women With Osteoporosis at High Risk for Fracture, Pressemitteilung vom 1. Juni 2010
- ↑ FDA Approves Amgen's XGEVA(TM) (Denosumab) for the Prevention of Skeletal-Related Events in Patients with Bone Metastases from Solid Tumors, Pressemitteilung vom 18. November 2010
- ↑ Europäische Arzneimittelagentur (EMA): : Prolia EPAR - Summary for the public Zugegriffen am 1. Dezember 2011.
- ↑ Europäische Arzneimittelagentur (EMA): : Xgeva EPAR - Summary for the public Zugegriffen am 1. Dezember 2011.
- ↑ McClung MR, Lewiecki EM, Cohen SB et al.: Denosumab in postmenopausal women with low bone mineral density. New England Journal of Medicine 2006; 354 (8): 821-31, PMID 16495394
- ↑ Khosla S.:Increasing options for the treatment of osteoporosis. New England Journal of Medicine 2009; 361 (8): 818-820, PMID 19671654
- ↑ Rote-Hand-Brief von Amgen im September 2012. Abgerufen am 4. September 2012.
- ↑ Amgen Drug Approved to Fight Osteoporosis. In: New York Times, 1. Juni 2010.
- ↑ "Scrip Awards 2010 Winners Announced, Scrip Awards 2010
- ↑ Prolia(TM) (denosumab) Receives Best New Drug Honor at Scrip Awards, Pressemitteilung vom 4. November 2010
- ↑ Galenus-von-Pergamon-Preis 2011 für drei Spitzenleistungen in der Pharmakologie vergeben, Pressemeldung von Springer Medizin
Bitte den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten! |