Völklinger Hütte
49.2505555555566.8452777777778Koordinaten:
Die Völklinger Hütte ist ein 1873 gegründetes ehemaliges Eisenwerk in der saarländischen Stadt Völklingen. Es wurde 1986 stillgelegt.
1994 erhob die UNESCO die Völklinger Hütte als erstes Industriedenkmal auf der Welt in den Rang eines Weltkulturerbes der Menschheit. 2007 wurde sie für die Auszeichnung als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland nominiert. Sie ist ein geschütztes Kulturgut nach der Haager Konvention.
Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte ist heute ein wichtiger Standort der Industriekultur in Europa und Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur (ERIH). Es wurde von rund 400.000 Besuchern im Jahre 2011 aufgesucht.[1]
Geographische Lage
Die Hütte befindet sich süd-westlich der Innenstadt Völklingens, unmittelbar am Bahnhof Völklingen, dessen umfangreiche Gleisanlagen dem Rohstoff-Transport zur Hütte dienten und der heute als „Eingangstor“ gestaltet ist.[2]
Geschichte
1873 gründete der Hütteningenieur Julius Buch bei Völklingen an der Saar ein Puddel- und Walzwerk. Nach sechs Jahren musste er sein Werk schließen, da es sich wegen der hohen Zölle für das Roheisen nicht mehr für die Verhüttung rentierte.
Im Jahr 1881 kam es unter Carl Röchling zu einem Neuanfang. Er kaufte die stillgelegten Anlagen, und zwei Jahre später konnte der erste Hochofen in Betrieb gehen. 1890 waren die „Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke“ der größte Eisenträgerhersteller Deutschlands.
Ein Jahr später wurde das Thomas-Stahlwerk der Völklinger Hütte eröffnet. Das Thomas-Verfahren wurde relativ spät eingeführt, zeigte jedoch bald Erfolge. Nun konnte auch die lothringische Minette, ein Eisenerz aus der benachbarten Grenzregion, in Völklingen verhüttet werden. Bis 1963 wurde Minette eingesetzt.
Um die zur Stahlherstellung notwendigen hohen Temperaturen zu erreichen, brauchte man außer Kohle vor allem auch Koks. Deshalb wurde 1897 die erste Koksbatterie direkt neben den Hochöfen errichtet. Drei Jahre später nahm die erste Gasgebläsemaschine ihren Betrieb auf. 1911 entstand eine Hängebahnanlage zur Beschickung der Hochöfen.
Als 1928 die Sintertechnik Einzug hielt, entstand in Völklingen eine der modernsten und größten Sinteranlagen Europas. Sie erlaubt das Recycling von Abfallprodukten wie Gichtstaub und Feinerz.
Während des Zweiten Weltkrieges arbeiteten etwa 70.000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in den Bergwerken, Hütten und Fabriken des Saarreviers. Für leichtere Arbeiten wurden auch Frauen eingesetzt, denen bis dahin das Betreten der Produktionsanlagen verboten gewesen war. In der Völklinger Hütte waren bis zum Kriegsende etwa 14.000 Männer und Frauen unter anderem aus der Sowjetunion, Polen, Jugoslawien, Frankreich, Belgien und Luxemburg unter schwersten Bedingungen beschäftigt.[3]
1952 erreichte die Hütte ihren Produktionshöchststand, bedingt durch den Bauboom in der Nachkriegszeit. Erst mit der Rückkehr des Saarlandes nach Deutschland Ende 1956 erhielten die alten Besitzer, die Industriellenfamilie Röchling, die Völklinger Hütte zurück.
Im Jahr 1965 zählten die gesamten Produktions- und Verwaltungsbereiche der Völklinger Hütte insgesamt 17.000 Mitarbeiter. Die weltweite Stahlkrise erfasste 1975 auch die Völklinger Hütte. Während der luxemburgische Stahlkonzern Arbed bis 1971 im Saarland den Standort Burbach betrieb, fusionierte die Völklinger Hütte mit den „Vereinigten Hüttenwerken Burbach-Eich-Düdelingen“ zur gemeinsam mit Röchling betriebenen „Stahlwerke Röchling-Burbach GmbH“. Mit der Integration des Neunkirchener Eisenwerks wurde 1982 die Arbed Saarstahl GmbH geschaffen, bei der die Familie Röchling (1978) ausschied. Seit 1986 heißt das Unternehmen Saarstahl.
Nach der Stilllegung der Roheisenphase (1986) wurde dieser Teil als Industriedenkmal unter Denkmalschutz gestellt.[4] Nach kontinuierlicher Instandsetzung und Begehbarmachung folgte die Nutzung als musealer Betrieb.
1994 erklärte die UNESCO den Hochofenbereich der Völklinger Hütte zum Weltkulturerbe.
Umgangssprachlich wird auch das gesamte Völklinger Werksgelände der Saarstahl AG als Völklinger Hütte bezeichnet. Das heutige Weltkulturerbe Völklinger Hütte umfasst mit 10 Hektar Grundfläche nur einen Bruchteil des rund 260 Hektar großen Völklinger Saarstahl-Areals.
Weltkulturerbe Völklinger Hütte
Seit Mitte der 1990er Jahre finden auf dem Gelände des Weltkulturerbes Völklinger Hütte Kulturveranstaltungen statt. Das Spektrum reicht vom Open-Air-Rockkonzert über Kammermusik bis hin zu Ausstellungen über Mensch, Natur und Technik.
Im Juli 1999 gründete das Saarland die Trägergesellschaft Weltkulturerbe Völklinger Hütte - Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur GmbH und berief den in Saarbrücken geborenen Direktor des Historischen Museums der Pfalz (Speyer),Meinrad Grewenig, zum Generaldirektor und Leiter der Geschäftsführung.
Seit 1999 wird die Hüttenlandschaft durch eine Lichtinstallation von Hans-Peter Kuhn illuminiert. Im Jahre 2001 wurde die nächtliche Szenerie um eine Lichtinstallation von Michael Seyl erweitert.
Seit 2004 ist das Ferrodrom zu besichtigen, das erste Science Center im Saar-Lor-Lux-Raum, eine multimediale Erlebniswelt rund um Eisen und Stahl. Es gibt Exponate zur Kulturgeschichte des Eisens, Eisen zum Anfassen, Filme, aber auch Gespräche mit Zeitzeugen und Führungen durch frühere Hüttenarbeiter, die plastisch von der Arbeit am Hochofen berichten.
Ausstellungen (Auswahl)
- Leonardo da Vinci – Maschine Mensch (1. November 2002 bis 30. März 2003)
- magnum – 50 Jahre Weltgeschichte (13. April 2003 bis 2. November 2003)
- GameArt (22. November 2003 bis 18. April 2004)
- InkaGold – 3000 Jahre Hochkulturen – Meisterwerke aus dem Larco Museum Peru (17. Juli 2004 bis 3. April 2005)
- Schätze aus 1001 Nacht – Faszination Morgenland (14. Mai 2005 bis 13. November 2005)
- nackt - nu 1850-1900 (11. Dezember 2005 bis 23. April 2006; zeigte über 100 historische Aktfotografien aus der saarländischen Sammlung Uwe Scheid)
- Macht&Pracht. Europas Glanz im 19. Jahrhundert (20. Mai 2006 bis 15. April 2007; über den Glanz Europas im 19. Jahrhundert)
- Genius I. Die Mission: entdecken erforschen erfinden (13. Mai 2007 bis 30. März 2008; „eine spannende Reise zu den Sehnsüchten, Träumen und Visionen der Menschheit”)
- Duane Hanson – Sculptures of the American Dream (20. Oktober 2007 bis 12. Mai 2008)
- Staatsgeschenke – 60 Jahre Deutschland (16. Mai 2009 bis 5. September 2010)
- Dein Gehirn. denken.fühlen.handeln. (16. Mai 2009 bis 25. Juli 2010)
- Die Kelten – Druiden. Fürsten. Krieger. Das Leben der Kelten in der Eisenzeit (20. November 2010 bis 22. Mai 2011)
Wissenswertes
1989 wurde das Weltkulturerbe Völklinger Hütte als Drehort für Pete Yorks Schlagzeug-Show „Super Drumming“ genutzt. Seit 1989 befinden sich in der Handwerkergasse Ateliers, die den Kunststudierenden der Hochschule der Bildenden Künste Saar zur Verfügung gestellt werden. Seit 2002 wird der Platz am Weltkulturerbe Völklinger Hütte einmal im Jahr als temporäres Autokino genutzt. 2007 wurde auf dem Gelände der Völklinger Hütte ein Teil des Films Die Wilden Kerle 5, Hinterm Horizont gedreht.
Galerie
Einzelnachweise
- ↑ Völklinger Hütter erlebt Besucherrekord Trierischer Volksfreund, 30. Dezember 2011
- ↑ Alter Bahnhof Völklingen (PDF), abgerufen am 22. Februar 2012
- ↑ memotransfront: Fabian Lemmes: Ehemaliges Arbeitserziehungslager der Röchling’schen Eisen- und Stahlwerke. Abgerufen am 29. Mai 2010.
- ↑ Teildenkmalliste der Mittelstadt Völklingen. In: Denkmalliste des Saarlandes. 19. Mai 2010, abgerufen am 6. April 2011. (PDF; 410 KB)
Literatur
- Ralf Banken: Die Industrialisierung der Saarregion 1815-1914. Band 2: Take-Off-Phase und Hochindustrialisierung 1850-1914, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997
- Initiative Völklinger Hütte (Hg.): Die Völklinger Hütte, Sutton Verlag, Erfurt 2008
- Harald Glaser: Die Völklinger Hütte, Homilius Verlag, Berlin 1997
Weblinks
- Offizielle Webseite
- Völklingen im Wandel: Informationen zur Völklinger Hütte
- Initiative Völklinger Hütte
- Literatur über die Völklinger Hütte in der Saarländischen Bibliographie
- www.monumente-online.de: Wissenswertes zur Völklinger Hütte
- Fotos der Völklinger Hütte von Harald Finster
- Bericht mit Fotos der Völklinger Hütte von Stefan Kälberer
- Eintrag in der Welterbeliste der UNESCO auf Englisch und auf Französisch
Weltkulturerbe: Aachener Dom | Dom zu Speyer | Würzburger Residenz mit Hofgarten und Residenzplatz | Wallfahrtskirche auf der Wies | Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl | Dom St. Mariae und Michaeliskirche in Hildesheim | Römische Baudenkmäler, Dom und Liebfrauenkirche in Trier | Historische Hansestadt Lübeck | Schlösser und Gärten von Potsdam und Berlin | Abtei und Altenmünster des Klosters Lorsch | Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar, Kloster Walkenried, Grube Samson und Oberharzer Wasserregal | Zisterzienserabtei Kloster Maulbronn | Eisenhütte in Völklingen | Kölner Dom | Bauhaus-Stätten: Bauhaus Dessau, Kunstschule und Kunstgewerbeschule Weimar, Musterhaus Am Horn | Lutherstädte Eisleben und Wittenberg | Klassisches Weimar | Museumsinsel in Berlin | Wartburg bei Eisenach | Dessau-Wörlitzer Gartenreich | Klosterinsel Reichenau im Bodensee | Zeche Zollverein und Kokerei Zollverein | Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal | Die historischen Altstädte Stralsund und Wismar | Bremer Rathaus und Bremer Roland | Fürst-Pückler-Park Bad Muskau | Obergermanisch-Rätischer Limes | Stiftskirche und Altstadt Quedlinburg | Altstädte von Bamberg und Regensburg | Siedlungen der Berliner Moderne | Fagus-Werk in Alfeld | Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen | Markgräfliches Opernhaus Bayreuth
Weltnaturerbe: Grube Messel | Wattenmeer der Nordsee | Alte Buchenwälder
Weltdokumentenerbe: Edisonwalzen des Berliner Phonogramm-Archivs | Gutenberg-Bibel | Literarischer Nachlass Goethes | Beethovens 9. Sinfonie | Metropolis | Reichenauer Handschriften | Grimms Märchen | Waldseemüller-Karte | Bibliotheca Corviniana | Briefwechsel von Gottfried Wilhelm Leibniz | Nibelungenlied
Ehemaliges Welterbe: Dresdner Elbtal