Sekundärelektronenmikroskop
Bei der Sekundärelektronenmikroskopie (SEM) handelt es sich um die Standardbetriebsart des Rasterelektronenmikroskops (REM, englisch scanning electron microscope).
Verwechselungsgefahr der Abkürzung mit anderen Verfahren
SEM und STEM dürfen nicht mit Rastertunnelmikroskopie (RTM, engl. scanning tunneling microscopy, STM) verwechselt werden, bei der kein elektronenoptisch erzeugter Elektronenstrahl benutzt wird, sondern der quantenmechanisch erklärbare Tunnelstrom zwischen untersuchtem Objekt und einer mechanisch geführten leitfähigen Spitze gemessen wird.
Die Doppelbedeutung der Abkürzungen REM und SEM ist unglücklich. Sie bezeichnen einerseits die „Rasterelektronenmikroskopie“, unabhängig davon, ob die zur Bestrahlung verwendeten Primärelektronen (BE) oder die im Objekt erzeugten Sekundärelektronen zur Bilderzeugung verwendet werden. Andererseits werden sie aber vereinzelt auch zur Bezeichnung der Sekundärelektronenmikroskopie, die auch eine Rasterelektronenmikroskopie darstellt, verwendet. Das rührt wahrscheinlich von einer fälschlichen Interpretation des anstelle des deutschen REM verwendeten englischen Akronyms SEM her. Da der Begriff der Rasterelektronenmikroskopie neben der SE-Mikroskopie weitere Methoden einschließt, ist es sinnvoll, den Abbildungsmodus bzw. das benutzte Signal als Zusatz anzugeben, z. B. SEM-SE oder SEM-BE bzw. REM-SE oder REM-RE (RE für Rückstreuelektronen).
Funktionsweise
Beim SEM wird – wie auch beim Raster-Transmissionselektronenmikroskop (RTEM) – der Elektronenstrahl vom Kondensor-Objektiv-System auf das Objekt zu einem möglichst kleinen Fleck fokussiert und zeilenweise über den zu untersuchenden Objektbereich geführt.
Bei der Sekundärelektronenbetriebsart des REM werden nicht die Primärelektronen, mit denen das Objekt bestrahlt wird, sondern die durch die Bestrahlung im Objekt erzeugten Sekundärelektronen (engl. secondary electrons, SE), die das Objekt in der Regel auf derselben Seite verlassen, von der der primäre Elektronenstrahl eingetreten ist, detektiert. Ebenfalls wie bei der RTEM wird anhand des Detektionszeitpunktes das Signal einem Punkt auf der Objektoberfläche zugeordnet und somit ein gerastertes Bild des Objekts erzeugt.
Sekundärelektronen sind Elektronen, die im Laufe des Anregungsprozesses durch die primären Elektronen von einem schwach gebundenen Zustand (siehe Austrittsarbeit) gelöst werden und eine zumeist geringe Bewegungsenergie (< 50 eV) erhalten. Sie können das Objekt nur verlassen, wenn sie nahe der Objektoberfläche erzeugt wurden, denn langsame Elektronen werden im Material stark absorbiert. Je flacher der primäre Elektronenstrahl auf die Oberfläche fällt, desto mehr Sekundärelektronen können das Material verlassen und zum Detektor gelangen. Um die Effizienz zu erhöhen, wird an den Detektor eine positive Spannung von einigen 10 bis einigen 100 V angelegt, was dazu führt, dass ein sehr großer Teil der emittierten SE auf den Detektor trifft. Der bei einer unebenen Oberfläche entstehende Kontrast erzeugt beim Beobachter einen plastischen Eindruck, der ähnlich wirkt wie der Kontrast einer durch Licht beleuchteten Oberfläche. Besonders hohe Signalstärken werden in der Nähe von Kanten erhalten. Die Schärfentiefe ist viel größer als bei einem Lichtmikroskop, da der Konvergenzwinkel des Elektronenstrahles sehr klein ist.
SEM enthalten kein das Objekt abbildendes Objektiv- und kein Projektivlinsensystem. Allerdings wird gemeinhin die Linse, die letztendlich den Strahl auf das Objekt fokussiert, als Objektiv bezeichnet. SEM werden mit erheblich niedrigeren Beschleunigungsspannungen als STEM oder TEM betrieben (bis zu einigen 10 kV), weil langsame Elektronen weniger tief in die Probe eindringen und weil in der Tiefe erzeugte Sekundärelektronen im Material wieder absorbiert werden, also nutzlos und wegen der unnötigen Objektaufheizung sogar schädlich sind.
Kommerzielle Rasterelektronenmikroskope bieten neben dem Sekundärelektronenmodus mindestens noch die Möglichkeit der Abbildung mit dem Rückstreuelektronensignal (engl. backscattered electrons, BE, auch BSE), das sind um Winkel größer als 90° gestreute Primärelektronen). Vereinzelt wird auch SE-Detektion in der STEM benutzt, allerdings ergeben sich dort aufgrund der äußerst dünnen Objekte nur sehr kleine SE-Ausbeuten und damit ein schwaches Signal.