Fischbein
Fischbein ist das Material, aus dem vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert Korsettstäbe, Reifrock-Reifen, Sonnenschirmstreben und andere Modeartikel gefertigt wurden. Heutzutage wird Fischbein in Japan als Teil der Theaterpuppenmechanik im Bunraku verwendet.
Fischbein wurde aus den Barten großer Wale hergestellt: lange, faserige, hornartige Platten, die bei Bartenwalen (z. B. Blauwal, Buckelwal, Finnwal) dazu dienen, Plankton aus dem Wasser zu filtern. In der Konsistenz ist Fischbein also flexibler, als die Assoziation „Knochen“ vermuten lässt. Verarbeitet wurden die Platten von Fischbeinreißern.
Im ersten Arbeitsschritt wurden die Platten von Speck- und Hautteilen gereinigt und in große Stücke gespalten, danach in heißem Wasser aufgeweicht. Diese Rohlinge konnten dann durch verschiedene Spezialmesser bearbeitet werden.
Fischbein ist gleichzeitig steif und flexibel, und zwar in genau dem Verhältnis, wie es für Korsetts und Paniers ideal war. Zudem ist es wegen seiner faserigen Beschaffenheit leicht zu spalten, so dass man es mit wenig Kraftaufwand zu Streifen der gewünschten Breite und Dicke verarbeiten konnte. Man verarbeitete Fischbein außerdem zu Reitpeitschen und Körben. Die Schabspäne, also die Reste der Verarbeitung, nutzte man als Polstermaterial.
Fischbein wurde einem amerikanischen Dokument zufolge in verschiedenen Qualitäten gehandelt. Das Korsett-Fischbein war von der schlechtesten Beschaffenheit. Es wurde vom Rand der Barten geschnitten, war leicht zerbrechlich und lediglich dazu geeignet, in Nähte gesteckt zu werden. Das etwas teurere Kleider-Fischbein hielt Nadelstiche aus, konnte also direkt in die Kleider hineingenäht werden. Das Peitschen-Fischbein zeichnete sich durch seine extrem hohe Elastizität aus. Am teuersten war das weiße Fischbein, das sehr selten vorkam, es blieb auch in hellen Kleidern unsichtbar.[1]
Kein anderes Material wies seinerzeit dieselben Eigenschaften auf, und so begünstigte die Jagd nach Fischbein den Rückgang der Walpopulation, der beinahe zur Ausrottung der Bartenwale führte. Erst mit dem Ende der Korsettmode um 1915 verlor Fischbein als Motivation für den Walfang seine Bedeutung. Heute werden als Ersatz Stahl- und Kunststoffstäbe verwendet, die im Zusammenhang mit Korsetts noch heute als „Fischbein“ bezeichnet werden.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Michaela Vieser: Als Fischbeinreißer ein Top-Job war. In: Spiegel Online. 3. Juni 2012, abgerufen am 29. September 2012.