False Brinelling

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False Brinelling, auf deutsch auch „Stillstandsmarkierung“, „Riffelbildung“ oder „Muldenbildung“ genannt, ist eine Verschleißerscheinung bei scheinbar stillstehenden Wälzlagern. Durch Schwingungen oder elastische Verformungen werden in die Kontaktflächen zwischen Wälzkörper und Lauffläche Mikrobewegungen eingeleitet. Diese führen bereits nach wenigen tausend Lastwechseln zu Schäden. Beim weiteren Betrieb werden diese Markierungen überrollt und führen dabei zu unruhigem Lauf und später zu vorzeitigen Ausfällen. Die Mikrobewegungen werden beispielsweise durch Maschinen- und Aggregatschwingungen aber auch durch fahrdynamische Effekte straßen- und schienengebundener Transportmittel initiiert.

Durch False-Brinelling geschädigtes Lager

Eine klare Definition, was unter False Brinelling zu verstehen ist, gibt es bisher nicht. Genauso unsystematisch sind bisher die Laborprüfverfahren, die eingesetzt werden, um solche Schäden zu simulieren und die für die Entwicklung geeigneter Schmierstoffe Verwendung finden werden. Am häufigsten werden in der Literatur die Prüfungen nach ASTM D 4170 (Fafnir-Test), der SNR-Test (SNR-FEB 2) oder der HRE-IME-Riffeltester genannt. Problematisch ist, dass diese Geräte mit sehr unterschiedlichen Schwenkwinkeln arbeiten, die von 12° beim Fafnir-Test bis zu echten Mikroschwingungen im HRE-IME-Riffeltester gehen. Dadurch prüfen die Geräte unterschiedliche Schmierstoffeigenschaften und liefern beim Einsatz des gleichen Schmierstoffs komplett unterschiedliche Ergebnisse.

Stark von dieser Schadensform betroffen sind zurzeit Windkraftanlagen. Allgemein treten kritische Betriebszustände aber auch bei allen Lagerungen auf, die durch Nebenaggregate, Verbrennungsmotoren, Hydraulikaggregate oder ähnliches zu Schwingungen angeregt werden (z.B. Baumaschinen, Pumpen, Radlager usw.).

Stand der Technik

Aus der Praxis ist bekannt, dass fettgeschmierte Lagerungen gegenüber Stillstandsmarkierungen anfälliger sind als ölgeschmierte, was die Schlussfolgerung nahe legt, dass das Nachfließverhalten einen großen Einfluss auf die Entstehung hat. Neben solchen allgemeinen Erkenntnissen gibt es bisher erst wenige systematische Untersuchungen zu den Ursachen von Stillstandsmarkierungen sowie zu kritischen Parametern. Über den Einfluss der Schmierfettkomponenten auf das Schmierungsverhalten bei den oben genannten Betriebsbedingungen sind in der Literatur ebenfalls nur wenige grundlegenden Untersuchungen dokumentiert. Bisher veröffentlichte Forschungsarbeiten hierzu behandeln meistens sehr spezielle Betriebsfälle (z.B. Feuchtigkeitseinfluss) oder sind sehr alt (s. Literaturverzeichnis). In den letzten Jahren hat das Thema wieder mehr Beachtung gefunden, sodass zurzeit an verschiedenen deutschen Forschungsstellen Projekte laufen.

Begriffsdefinition

Der Begriff False Brinelling leitet sich von der bekannten Härteprüfung nach Brinell ab, die vom schwedischen Ingenieur Johan August Brinell im Jahre 1900 entwickelt und auf der Weltausstellung in Paris präsentiert wurde. Unter „Brinelling“ versteht man also eine über die Elastizitätsgrenze hinausgehende Überbelastung des Lagers. Diese kann beispielsweise bei einer einmaligen Stoß- oder Schlagbelastung entstehen.

Der Begriff des „False Brinellings“ wurde aufgrund der häufig falschen Deutung von muldenartigen Vertiefungen in den Laufflächen von Wälzlagern kreiert. Unerfahrenes Instandhaltungspersonal hat solche Vertiefungen häufig auf eine rein mechanische Überbelastung zurückgeführt, obwohl es sich um eine tribologisch indizierte Schädigung handelt. Im großen Stil traten False-Brinelling-Schäden erstmals beim Schifftransport von PkW nach Amerika auf. Neue Fahrzeuge zeigten bereits beim Entladen vom Schiff Radlagerschäden. Die zyklische Schwingungsanregung durch die langsam laufenden Dieselmotoren und die relativ schlechte Dämpfung auf den Transportdecks hatte ausgereicht, um bleibende Markierungen in den Laufflächen der Radlager zu erzeugen.

Eine typische Schädigung (Kalotte) lässt sich in drei Bereiche aufteilen: In der Mitte der Markierung ist ein Bereich, der trotz der Mikrobewegungen infolge der hohen Belastung und Haftreibung keinerlei Realtivbewegung erfährt und somit auch nicht geschädigt wird. An diesen Bereich schließt sich scharf abgegrenzt der stark geschädigte Bereich an, in dem es zu Gleitbewegungen unter relativ hoher Pressung zwischen den Reibpartnern kommt. Ein dritter ebenfalls klar abgegrenzter Bereich kann als Einflusszone bezeichnet werden. In diesem Bereich kommt es auch zu Gleitbewegungen. Die Pressungen sind aber so gering, dass keine signifikante Schädigung auftritt.

Datei:Typische False Brinelling Markierung mit Bereichen.jpg
False-Brinelling Markierung mit Haft- und Mikrogleitzone

Ursachen für die Entstehung der Stillstandmarkierungen

Als mögliche Ursachen für die Entstehung der Stillstandsmarkierungen kommen verschiedene Mechanismen in Frage:

Zum einen schieben die Mikrobewegungen unter hoher Last den Schmierstoff regelrecht aus der Reibstelle heraus; es kommt zu Mangelschmierungserscheinungen. Daneben regen diese Mikrobewegungen die Oberflächen (speziell die kontaktierenden Mikrokontakte an den Rauheitsspitzen) energetisch an. Dies führt zu chemischen Reaktionen bis in einige Nanometer Tiefe. Dieser Teil der Schädigung korreliert mit dem Wissen zur tribochemischer Reaktion (Passungsrost). Ein weiterer wichtiger und häufig nicht beachteter Punkt sind Mikrorisse, die durch die Wechselbeanspruchung der Oberflächen am Übergang zwischen innerer Haftzone und Gleitzone entstehen und bei oberflächlicher Begutachtung kaum zu erkennen sind. Diese Risse führen aber beim Überwälzen unter hoher Last unweigerlich zu schnell fortschreitenden Schäden. Gute Ansätze zur Beschreibung der kontaktmechanischen Effekte basieren auf den Untersuchungen von Cattaneo (1939) und Mindlin (1949). Sie sind in dem Standardwerk "Contact mechanics" von K.L. Johnson zusammengefasst.

In der Folge dieser drei genannten Schädigungsmechanismen kommt es zur Bildung von Verschleißpartikeln und Reaktionsprodukte, die aufgrund der fehlenden „echten“ Relativbewegung kaum aus der Reibstelle austreten können und so als Schmirgelpaste wirken. Dies korreliert zum Beispiel mit der Entstehung von Passungsrost (Tribochemische Korrosion) und führt in aller Regel zu einem progressiven Schadensverlauf und zu tiefen Mulden, die die ursprünglichen Schadensmechanismen nicht mehr erkennen lassen. Im weiteren Schadensverlauf und bei der Rotationsbewegung des Lagers überlagern sich weitere Verschleißmechanismen und verschleiern die wahren Entstehungsursachen.

Die üblichen Laborprüfmethoden Fafnir- oder SNR-Test basieren auf der Annahme, dass es sich bei der Riffelbildung um einen Verschleißschaden handelt. Im Fafnir-Test werden Schwenkwinkel von +/-6°, beim SNR-Test +/-3 ° gefahren. Dabei kommt es zu „echten“ Abwälzvorgängen und nicht zu den in der Praxis als kritisch angesehenen Mikrobewegungen. Je größer der Schwenkwinkel ist, umso größer wird die Bedeutung des Nachfließverhaltens des Schmiermittels. Bei Mikrobewegungen spielt dieser Punkt hingegen eine eher untergeordnete Rolle.

Vermeidung von Stillstandmarkierungen

Aktuelle Forschungsarbeiten zielen darauf ab, wie man die Entstehung von Stillstandmarkierungen durch den Einsatz geeigneter Schmierstoffe, Werkstoffe und Oberflächenverfahren verhindern kann. Bisher hat sich aber gezeigt, dass gute Schmierstoffe den Schadensfortschritt zwar eindämmen können; eine vollständige Verhinderung des Schadens, bei kritischen Betriebszuständen ist aber bisher anscheinend nicht möglich. Untersuchungen zum Einfluss der Werkstoffe (Keramikkugeln, Oberflächenvergütung, Beschichtungen) laufen am Kompetenzzentrum Tribologie der Hochschule Mannheim. Relativ sicher lässt sich der Schaden vermeiden, wenn man dafür sorgt, dass die gefährdeten Lager regelmäßig weiterbewegt werden. Bei großen Maschinentransporten werden hierzu Hilfsantriebe angebracht, die in definierten Zeitintervallen dafür sorgen, dass die Lager verdreht werden.

Literatur

  • Pittroff: "Riffelbildung bei Wälzlagern infolge von Stillstandserschütterungen", SKF-Zeitschrift, 1961
  • Pittroff: "Riffelbildung bei Wälzlagern als Folge von Stillstandserschütterungen", VDI-Zeitschrift; Band 105; 1963
  • Karbacher: "Fettschmierung von Wälzlagern bei oszillierender Beanspruchung"; Tribologie und Schmierungstechnik 45; 1998
  • Endom; Gruber: "Schmierfette zur Verhinderung von Schwingungsverschleiß in Radlagern"; Tribologie und Schmierungstechnik; 1989
  • Njoya: "Riffelbildung in Losradlagerungen; theoretische und experimentelle Untersuchungen"; Antriebstechnik 21; 1982
  • Senuma; Krause: "Grundlagenuntersuchungen über die Riffelbildung in Wälzreibsystemen";
  • K.L. Johnson: "Contact mechanics"; Cambridge University Press; Cambridge 1985; ISBN 0 521 25576 7
  • Barthou, Vannes, Girodin: "Methodology of Characterisation of the Raceways/Lubricant/Ball Contact Submitted to Vibrations and Degraded by False Brinelling"; Tribology for Energy Conversation, 1998
  • Thiede, Deters: "Wirkung von Schmierstoffen bei langsamen oszillierenden Gleit- und Wälzbewegungen"; FVA-Projekt 315, 1999
  • Thiede, Deters: "Schmierungsverhalten bei oszillierenden Gleit- und Wälzbewegungen"; FVA 315 II 2003
  • Sandt, Gold, Loos, Aßmann: "Feuchtigkeitseinfluss bei fett- und ölgeschmierten Wälzlagern"; VDI Berichte, 1706; 2002
  • M. Grebe; P. Feinle: "Brinelling, False-Brinelling, "false" False-Brinelling"; Tribologie-Fachtagung 2006: "Reibung, Schmierung und Verschleiß" in Göttingen; Tagungsband II, ISBN 3-00-003404-8, Band II S. 49-1-49-11, GfT, Moers, 2006
  • M. Grebe; P. Feinle, W. Hunsicker: "Einfluss verschiedener Faktoren auf die Entstehung von Stillstandsmarkierungen (False-Brinelling-Effekt)"; 48. Tribologie-Fachtagung 2007: "Reibung, Schmierung und Verschleiß" in Göttingen; Tagungsband II, ISBN 978-3-00-022603-8, Band II S. 61-1 bis 61-10, GfT, Moers, 2007
  • M. Grebe; P. Feinle; W. Hunsicker: "False Brinelling ", Plenary Lecture, 20th ELGI Annual General Meeting, Lissabon, 20. - 22. April 2008
  • M. Grebe; P. Feinle; W. Hunsicker: "Influence Factors on False Brinelling Marks", International Symposium on Friction, Wear and Wear Protection der DGM in Aachen, 9. - 11. April 2008

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