Chloramphenicol

Chloramphenicol

Strukturformel
Struktur von Chloramphenicol
Allgemeines
Freiname Chloramphenicol
Andere Namen
  • Chloromycetin
  • Levomycetin
  • D-Threo-2-dichloracetamido-1-
    (4-nitrophenyl)-propan-1,3-diol
  • (1R,2R)-2-(2,2-Dichloracetamido)-1-(4-nitrophenyl)propan-1,3-diol
Summenformel C11H12Cl2N2O5
CAS-Nummer 56-75-7
PubChem 298
ATC-Code
DrugBank APRD00862
Kurzbeschreibung

farbloser Feststoff[1]

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antibiotikum

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 323,14 g·mol−1
Dichte

0,7 g·cm−3 [1]

Schmelzpunkt

150 °C [1]

Löslichkeit
  • schlecht in Wasser (2,5 g·l−1 bei 25 °C)[1]
  • gut in polaren organischen Lösungsmitteln[2]
Sicherheitshinweise
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
08 – Gesundheitsgefährdend

Gefahr

H- und P-Sätze H: 350
P: 201-​308+313 [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4][1]

T
Giftig
R- und S-Sätze R: 45-46-22-63
S: 45-53
LD50

245 mg·kg−1 (Maus, intravenös),
2500–3000 mg·kg−1 (Maus, per os)[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.
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Chloramphenicol ist ein Breitbandantibiotikum, das erstmals 1947 aus Streptomyces venezuelae gewonnen wurde.

Aufgrund der in seltenen Fällen (~3-17 von 100.000) als Nebenwirkung auftretenden, potentiell lebensbedrohlichen aplastischen Anämie sollte Chloramphenicol heute nur noch nach sorgfältiger Abwägung als Reserveantibiotikum angewendet werden. Obwohl bereits 1985 von der topischen Anwendung abgeraten wurde,[5] ist es in Westeuropa noch immer auch in Augen- und Ohrentropfen, in Augensalben und Hautarzneien zu finden.

Hauptbehandlungsgebiete sind schwere, sonst nicht zu beherrschende Infektionskrankheiten wie Typhus, Paratyphus, Pest, Fleckfieber, Ruhr, Diphtherie und Malaria. Zudem wirkt Chloramphenicol gegen Chytridiomykose, eine für Amphibien tödliche und hoch ansteckende Hautpilzerkrankung, die weltweit Amphibienpopulationen dezimiert.

Chloramphenicol wird heute ausschließlich vollsynthetisch produziert.

Pharmakologie

Chloramphenicol ist ein Translationshemmer, wirkt also blockierend auf die Knüpfung der Peptidbindung, das heißt hemmend auf die Peptidyltransferaseaktivität, durch Bindung an die 50S-Untereinheit der bakteriellen 70S-Ribosomen. Es ist ein bakteriostatisches Antibiotikum. Hierbei ist es gut gewebegängig, auch durch die Plazenta und in die Muttermilch. Die gute Gewebegängigkeit ist einer der Gründe, warum es äußerlich und lokal am Auge als Salbe etwa für Infektionen des Augenlids (z. B. Gerstenkorn) angewandt wird.

Die LD50 liegt bei oraler Aufnahme bei Mäusen bei 1500 mg/kg, bei Ratten bei 2500 mg/kg.

Pharmakokinetik

Chloramphenicol wird bei oraler Gabe schnell und vollständig resorbiert. Die Bioverfügbarkeit beträgt bei oraler Verabreichung 80 %, nach intramuskulärer Injektion 70 %. Die Plasmaproteinbindung liegt zwischen 50 % und 60 %. Die Plasmahalbwertszeit beträgt bei Erwachsenen mit normaler Leber- und Nierenfunktion 1,5–3,5 Stunden, bei Kindern und Jugendlichen 3–6,5 Stunden, bei Neugeborenen 24 Stunden oder länger. Die Elimination erfolgt zu 90 % über eine Konjugation an Glucuronsäure. Bei Erwachsenen mit gestörter Nierenfunktion verlängert sich die Plasmahalbwertszeit auf 3–4 Stunden, bei schweren Leberfunktionsstörungen auf 4,6–11,6 Stunden.

Nebenwirkungen und Interaktionen

  • Knochenmarksschädigung: dosisabhängig, reversibel – Störung der Erythropoiese; dosisunabhängig kann eine irreversible Knochenmarksaplasie ausgelöst werden, Auftreten hier mit einer Verzögerung von 2–8 Wochen
  • Grey-Syndrom
  • neurotoxisch
  • Kontaktsensibilisierung bei topischer Anwendung
  • allergische Reaktionen; anaphylaktische Reaktionen und generalisierte Urtikaria bei systemischer Anwendung
  • Herxheimer-Reaktion
  • Interaktionen mit oralen Antikoagulatien, Methotrexat, Sulfonylharnstoffen – im Sinne einer Wirkungsverstärkung
  • Barbiturate und Phenytoin vermindern die Wirkung von Chloramphenicol
  • gleichzeitige Einnahme von oralen Kontrazeptiva kann deren Wirkung beeinträchtigen.

Die Risiken topisch-dermaler Anwendung werden kontrovers beurteilt. Vertreter des Herstellers von Ichtoseptal verweisen darauf, dass ihre Literaturrecherche keinen Anhalt für eine Schädigung der blutbildenden Organe nach topisch-dermaler Anwendung von Chloramphenicol ergab.[6] Kritiker der topisch-dermalen Anwendung verweisen darauf, dass Chloramphenicol grundsätzlich perkutan aufgenommen wird. Die seltene (1:25.000 – 1:50.000), zumeist tödlich verlaufende, dosisunabhängig ausgelöste, irreversible Form der Aplastischen Anämie sei auch nach topischer Anwendung, und zwar unabhängig von deren Dauer, beobachtet worden. Selbst monatelang nach Absetzen der Medikation könne es zu einer Aplastischen Anämie kommen. Unter allen Medikamenten sei Chloramphenicol der Wirkstoff, der am häufigsten für Aplastische Anämien verantwortlich gemacht wird. Über die wahre Inzidenz hämatologischer Nebenwirkungen ließe sich mangels systematischer, langfristiger Blutbildkontrollen keine Aussage treffen.[7]

Kontraindikationen

Chloramphenicol ist insbesondere bei Neugeborenen aufgrund der knochenmarksdepressiven Wirkung und geringen therapeutischen Breite kontraindiziert (Grey-Syndrom). Außerdem ist es bei schwerer Leberinsuffizienz, in der Schwangerschaft und der Stillzeit kontraindiziert.

Die Anwendung von Chloramphenicol ist bei Lebensmittel liefernden Tieren gemäß der EU-Rückstandshöchstmengen-Verordnung für Lebensmittel tierischen Ursprungs in der Europäischen Union generell verboten.

Mikrobiologie

Die antibiotische Wirkung von Chloramphenicol wird in der Mikrobiologie genutzt, um bakterielles Wachstum zu inhibieren. Beispielsweise können die meisten Hefen auf einem Malzextrakt-Nährboden mit Chloramphenicol wachsen, bakterielles Wachstum wird jedoch wirkungsvoll gehemmt. Zudem wird Chloramphenicol heute auch für die Verbesserung der FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung) verwendet, dort wird die die Proteinbiosynthese und den Abbau von rRNA hemmende Wirkung genutzt.

Manche Organismen können durch eine spezifische Acetyltransferase Chloramphenicol inaktivieren, indem sie an den beiden Hydroxygruppen je eine Acetylgruppe einführen. Hierdurch wird das Antibiotikum unwirksam, es bindet nicht mehr an Ribosomen.[8]

Inaktivierung von Chloramphenicol durch eine Chloramphenicol-Acetyltransferase (CAT)[9]). Diese acetyliert unter Verbrauch von Acetyl-CoA das Antibiotikum an zwei Stellen.

Handelsnamen

Monopräparate

Halomycetin (A), Kemicetin (A), Posifenicol (D), Septicol (CH) sowie ein Generikum (A)

Kombinationspräparate

Aquapred (D), Ichtoseptal (D), Sperdex comp. (CH) [10][11][12]

Tiermedizin

Chloro-Sleecol, Chloromycetin, Otiprin N, Prurivet S

Weblinks

Literatur

Zur Häufigkeit des Auftretens von aplastischer Anämie:

  • Hausmann K., Skrandies G. Aplastic Anemia following chloramphenicol therapy in Hamburg and surrounding districts. Postgrad Med J, 1974, 50(Suppl.) 131–136
  • Hausmann K., Skrandies G., Sachtleben P. Aktuelle Aspekte arzneimittelbedingter Knochenmarkschäden. Münch Med WSchrft, 1974, 116, 1621–1626

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Eintrag zu CAS-Nr. 56-75-7 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20.5.2008 (JavaScript erforderlich)
  2. 2,0 2,1 Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.5. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.
  3. 3,0 3,1 Datenblatt Chloramphenicol bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 17. März 2011.
  4. Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Zubereitungen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein historischem Interesse.
  5. H. Kiffe, H. Ippen: Systemische Nebenwirkungen durch äußerliche Anwendung von Chloramphenicol In: Der Hautarzt 36: 181-183; Springer-Verlag 1985.
  6. J. Warnecke, W. Fehrs (ICHTHYOL-Gesellschaft Hamburg): Stellungnahme zur Arbeit von P.H. Höger: „Topische Antibiotika und Antiseptika“ Hautarzt (1998) 49:331–347 In: Der Hautarzt 12·98, S. 938; Springer-Verlag 1998. Volltext
  7. P.H. Höger: Stellungnahme des Autors In: Der Hautarzt 12·98, S. 939; Springer-Verlag 1998.
  8. Theodor Dingermann (Hrsg.), Rudolf Hänsel (Hrsg.) und Ilse Zündorf (Hrsg.): Pharmazeutische Biologie: Molekulare Grundlagen und klinische Anwendungen. Springer Verlag Berlin; 1. Auflage 2002; ISBN 3-540-42844-5; S. 301.
  9. EC-Nummer 2.3.1.28 (Chloramphenicol O-acetyltransferase)
  10. Rote Liste Online, Stand: August 2009.
  11. AM-Komp. d. Schweiz, Stand: August 2009.
  12. AGES-PharmMed, Stnad: August 2009.
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