Carl Djerassi

Carl Djerassi

Carl Djerassi (2009).

Carl Djerassi (* 29. Oktober 1923 in Wien) ist ein amerikanisch-österreichischer Chemiker und Schriftsteller österreichischer Herkunft. Djerassi ist für die Entwicklung der ersten Antibabypille bekannt geworden.[1] Er selbst nennt sich in seiner Autobiografie die „Mutter der Pille“, da er sich selbst nur als chemischer Erfinder der Pille sieht.

Leben

Djerassi ist der Sohn eines Ärzte-Ehepaares, die Mutter Alice Friedmann war eine aschkenasische Jüdin aus Wien, der Vater Samuel Djerassi ein sephardischer Jude aus Bulgarien. Seine ersten Jahre verbrachte er in Sofia in Bulgarien. Als er fünf Jahre alt war, trennten sich die Eltern und er kehrte mit der Mutter in seine Geburtsstadt Wien zurück.[2] Nach dem Anschluss Österreichs heiratete sein Vater seine Mutter kurz ein zweites Mal, um Carl die Ausreise zu ermöglichen, der zunächst zu seinem Vater nach Bulgarien floh und schließlich mit seiner Mutter in die USA auswanderte.

Luis E. Miramontes und Djerassi gelang es Anfang der 1950er Jahre als Forscher für Syntex S.A. in Mexiko-Stadt, das Sexualhormon Norethisteron, ein Gestagen, künstlich herzustellen. Mit Gregory Pincus und John Rock entwickelten sie damit 1951 die erste Antibabypille. Seit 1959 lehrt Djerassi an der Stanford University. Als Wissenschaftler brachte er es auf rund 1.200 Veröffentlichungen.

Er war von 1985 bis 2007 in dritter Ehe mit der in den USA bekannten Biographin und Professorin der Stanford University Diane Middlebrook verheiratet.

Djerassi hat außerdem eine umfangreiche Sammlung von Werken Paul Klees, die heute in einer Dauerausstellung im San Francisco Museum of Modern Art zu sehen sind, in dessen Eigentum sie nach seinem Tod übergehen.

Nichtwissenschaftliche Veröffentlichungen

Mitte der 1980er Jahre begann Djerassi, Lyrik und Kurzgeschichten zu veröffentlichen, und erfand die neue Romangattung „Science-in-Fiction“[3], in der er die vier Bücher Cantors Dilemma, Das Bourbaki Gambit, Menachems Same und NO veröffentlicht hat. Nicht selten wurde er für seine Offenheit im Umgang mit den Schwächen und menschlichen Abgründen in der Wissenschaft auch von Kollegen kritisiert. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte Carl Djerassi im Mai 2008 dazu: „Chemiker sind Machos, die Forschung im Labor betreiben und nicht kapieren, dass Literatur viel schwieriger ist. Da bin ich total alleine. Ich habe da niemanden, aber ich kann auch niemanden brauchen.“ Djerassi ist außerdem Autor mehrerer Theaterstücke.

Non-fiction

  • Optical Rotatory Dispersion. McGraw-Hill & Company, 1960.
  • The Politics of Contraception. W H Freeman & Company, 1981, ISBN 0-7167-1342-X.
  • Steroids Made it Possible (Profiles, Pathways, and Dreams). American Chemical Society, 1990, ISBN 0-8412-1773-4 (autobiography).
  • The Pill, Pygmy Chimps, and Degas’ Horse. Basic Books, 1992, ISBN 0-465-05758-6 (autobiography).
  • From the Lab into The World: A Pill for People, Pets, and Bugs. American Chemical Society, 1994, ISBN 0-8412-2808-6.
  • Paul Klee: Masterpieces of the Djerassi Collection. (coeditor), Prestel Publishing, 2002, ISBN 3-7913-2779-8.
  • Dalla pillola alla penna. Di Renzo Editore, 2004, ISBN 8883230868.
  • This Man’s Pill: Reflections on the 50th Birthday of the Pill . Oxford University Press, USA, 2004, ISBN 0-19-860695-8 (autobiography).

Fiction

  • Futurist and Other Stories. Macdonald, 1989, ISBN 0-356-17500-6.
  • The Clock Runs Backwards. Story Line Press, 1991, ISBN 0-934257-75-2.
  • Marx, Deceased. University of Georgia Press, 1996, ISBN 0-8203-1835-3.

Science-in-fiction

  • Cantor’s Dilemma. Penguin, 1989, ISBN 0-14-014359-9.
  • The Bourbaki Gambit. Penguin, 1994, ISBN 0-14-025485-4.
  • Menachem’s Seed. Penguin, 1996, ISBN 0-14-027794-3.
  • NO. Penguin, 1998, ISBN 0-14-029654-9.

Drama

  • An Immaculate Misconception: Sex in an Age of Mechanical Reproduction. Imperial College Press, 2000, ISBN 1-86094-248-2 (adapted from the novel Menachem's Seed).
  • L.A. Theatre Works. Audio Theatre Collection CD, 2004, ISBN 1-58081-286-4.
  • Oxygen. Wiley-VCH, (with Roald Hoffmann, coauthor), 2001, ISBN 3-527-30413-4.
  • Newton’s Darkness: Two Dramatic Views (with David Pinner, coauthor). Imperial College Press, 2004, ISBN 1-86094-390-X.
  • Four Jews on Parnassus
  • Foreplay

Auszeichnungen und Ehrungen

  • 1969: Ernest Guenther Award der American Chemical Society
  • 1973: National Medal of Science des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika
  • 1991: National Medal of Technology des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika
  • 1999: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
  • 2001: Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker für Schriftsteller
  • 2002: Große Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich
  • 2002: Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold
  • 2003: Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland sowie die Erasmus Medaille der Academia Europaea
  • 2004: Goldmedaille des American Institute of Chemists
  • 2005: Lichtenberg-Medaille der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen sowie Premio letterario Serono in Rom. Zudem erschien in Österreich eine Briefmarke mit seinem Porträt.[4]
  • 2008: Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich[5]
  • 2009: Ehrendoktorwürde der Fakultät Kulturwissenschaften der TU Dortmund für seine literarische Tätigkeit (als 21. Ehrendoktorwürde)[6]
  • 2011: Ehrendoktorwürde der Fakultät für Chemie und Geowissenschaften der Universität Heidelberg[7]
  • 2012: Ehrendoktorat der Universität Wien[8]

Bibliografie

englisch

  • The politics of Contraception 1979
  • Cantor’s Dilemma 1989
  • The Futurist and Other Stories 1989
  • The Bourbaki Gambit 1991
  • The Pill, Pygmy Chimps, and Degas' Horse. The Autobiography 1991
  • Marx, Deceased
  • Menachem's Seed
  • NO 1998
  • An Immaculate Misconception 2000
  • Newton's Darkness: Two Dramatic Views (Koautor David Pinner) 2003

deutsch

  • Cantors Dilemma 1991
  • Die Mutter der Pille. Eine Autobiographie 1991 (online)
  • Der Futurist und andere Geschichten 1991
  • Marx, verschieden 1994
  • Menachems Same 1996
  • NO 1998
  • Von der Pille zum PC. Eine Autobiographie – Neue Folge 1998
  • Wie ich Coca-Cola schlug und andere Geschichten. Haffmans Verlag, Zürich 2000, ISBN 978-3-251-00482-9.
  • Unbefleckt: Sex im Zeitalter der Reproduzierbarkeit. Stück in zwei Akten 2000
  • This Man’s Pill. Sex, die Kunst und Unsterblichkeit. Haymon Verlag, Innsbruck 2001, ISBN 978-3-85218-366-4.
  • Oxygen. Ein Stück in zwei Akten (Koautor Roald Hoffmann) 2001
  • Stammesgeheimnisse (enthält Cantors Dilemma und Das Bourbaki Gambit) 2002
  • Ego 2004
  • Aufgedeckte Geheimnisse (enthält NO und Menachems Same). Roman, Verlag Haymon, Innsbruck-Wien 2005, ISBN 978-3-85218-471-5.
  • Phallstricke|Tabus – Zwei Theaterstücke aus den Welten der Naturwissenschaft und der Kunst.Verlag Haymon, Innsbruck-Wien 2006, ISBN 978-3-85218-502-6.
  • Vier Juden auf dem Parnass – Ein Gespräch. Verlag Haymon, Innsbruck-Wien 2008, ISBN 978-3-85218-555-2.
  • Vorspiel. Verlag Haymon, Innsbruck-Wien 2011, ISBN 978-3-85218-673-3

Film

  • Carl Djerassi – Mein Leben. Film von Joachim Haupt. Parnass Film, BRD 2009. Premiere im Jüdischen Museum Berlin.[9] Erstausstrahlung auf ARTE am 22. August 2009
  • Am Anfang war die Pille – Die drei Leben des Carl Djerassi Film von Claus Spahn. WDR 2000
  • „wissen aktuell: die sexuelle Revolution“, 3sat am 17. März 2010

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Djerassi C: Steroid oral contraceptives. In: Science. 151, 1966, S. 1055-61.
  2. Carl Djerassic Mein Leben. Film von Joachim Haupt. BRD 2008.
  3. Carl Djerassi: Science in Fiction. Abgerufen am 19. Dezember 2008.
  4. Briefmarke mit dem Porträt von Carl Djerassi.
  5. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952
  6. Carl Djerassi erhält die Ehrendoktorwürde, in: mundo – das Magazin der Technischen Universität Dortmund, Ausgabe 10/2009, S. 62.
  7. Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg auf IDW-online.
  8. Carl Djerassi erhält Ehrendoktorat
  9. Jüdische Allgemeine: Sexy Pillen-Erfinder