Glutinleim

Glutinleim

(Weitergeleitet von Knochenleim)

Glutinleim ist ein in Wasser löslicher, natürlicher Klebstoff, der aus tierischen Abfällen höherer Tiere („leimgebende Körper“) durch Auskochen gewonnen wird. Dabei entsteht eine Gallerte, die so und in getrocknetem Zustand als „Leim“ bezeichnet wird. Der Hauptbestandteil Glutin, nach dem der Leim benannt ist, hat die Summenformel C13H20N4O5. Nach ihrer Herkunft unterscheidet man verschiedene Glutinleime, z.B. Knochenleim, Hautleim (Lederleim), Hasenleim, Fischleim, Hausenblasenleim.

Besonders gereinigter Glutinleim ist unter dem Sammelbegriff „Gelatine“ bekannt und findet bei der Ver- und Bearbeitung von Lebensmitteln verbreitet Verwendung, in der Pharmazie, als Zusatz zu Getränken, zur Klärung von Wein, und in vielen technischen Anwendungen.

Glutinleim ist nicht mit Leim zu verwechseln, der aus Knorpeln hergestellt wird. Obwohl dieser äußerlich kaum von Glutinleim zu unterscheiden ist, handelt es sich hierbei um Leim auf Basis von Chondrin, einem chemisch verschiedenen Stoff, der eine geringere Klebkraft als Glutin aufweist. Der aus Knorpeln hergestellte Stoff wird als Nahrungsergänzung oder Arzneimittel zur Vorbeugung oder Besserung bei Arthrosen verwendet.

Verwendung der einzelnen Leimarten

Knochenleim, Granulat
Flüssiger Knochenleim
Hasenleim, links in Pellets, rechts in Wasser teilweise gelöst.

In früheren Zeiten war Glutinleim das bedeutendste Klebmittel für Holz, Papier, Leder, Knochen und viele weitere Materialien.

Knochenleim findet vorwiegend bei Holzverleimungen Verwendung. Er trocknet glashart und die Leimfuge hat in der Regel eine größere Festigkeit als die zu verleimenden Teile. Im Musikinstrumentenbau wird Knochenleim bis heute bevorzugt verwendet, weil die Leimung jederzeit problemlos wieder geöffnet werden kann (s. „Vor- und Nachteile“). Darüber hinaus hat Knochenleim keinen negativen Einfluss auf das Schwingungsverhalten der bei Musikinstrumenten verwendeten Hölzer. Ferner wird Knochenleim zur Restaurierung alter Möbel verwendet.

Hautleim und Hasenleim haben eine hellere Farbe als Knochenleim. Die Leimfuge ist elastischer als bei Knochenleim. Haut- und Hasenleim werden sehr gerne in der Papierverarbeitung, besonders beim handwerklichen Buchbinden und der Restaurierung alter Bücher verwendet. Beim Bau eines Bogens wurde in vielen Teilen der Welt Hautleim verwendet, um auf der dem Schützen abgewandten Seite des Bogens einen Belag aus Tiersehnen oder Rohhaut aufzubringen, siehe dazu die Artikel Sehnenbelag und Kompositbogen. Hautleim (meist mit Zucker versetzt) war lange Zeit als Gummierung von z. B. Briefmarken im Einsatz. Der getrocknete Hautleim ermöglichte mit Speichel benetzt das Aufkleben der Marken („Mundleim“). Die Elastizität macht Haut- und Hasenleim für das Grundieren flexibler Malgründe (z. B. Leinwand) ebenso wie bei der Vergoldung für Kreidegründe, Poliment und Drückmassen geeignet.

Fischleim Da Fischproteine auch bei niedriger Wassertemperatur nicht fest werden, ist dieser Leim bis ca. 4°C flüssig und gut zu verarbeiten. Daher ist kein Erwärmen für die Verarbeitung notwendig. Für besonders anspruchsvolle Arbeiten wird Hausenblasenleim eingesetzt – ein Fischleim aus der Fischblase der Hausen, einer Gattung der Echten Störe. Seine Klebkraft soll unübertroffen sein.

Borstenpinsel, mit Leim durchtränkt und dann getrocknet, können mit Schleifpapier in eine gewünschte Form geschliffen werden. Zum Gebrauch mit anderen Stoffen lässt sich der Leim mit heißem Wasser lösen und auswaschen. Die Farbe des Leims hat nach Erfahrung der Anwender keinen Einfluss auf die Klebkraft. Generell werden helle Leime (wohl auch aus ästhetischen Gründen) den dunkleren Sorten gegenüber bevorzugt.

Aus Haut und Gräten von Fischen wird auch ein preiswertes Bindemittel für verschiedene Farben und bei Stuckarbeiten hergestellt und Fischleim genannt. Dieser Fischleim verzögert das Abbinden von Gips, was eine längere Verarbeitungszeit ermöglicht.

Herstellung der Leime

Siehe HauptbeitragGelatine#Herstellung

Knochenleim wird aus den Knochen der unterschiedlichsten Tiere gewonnen. Dabei überwiegen die Knochen von Nutztieren, wie z. B. Schweinen, Rindern, Schafen, Pferden, etc.

Für Hautleim werden vorrangig Häute unterschiedlichster Tiere, für Hasenleim vorrangig Häute von Hasen, Kaninchen und anderen Kleintieren verwendet.

Fischleim wird aus Fischabfällen hergestellt, Hausenblasenleim aus den Schwimmblasen von Hausen. Hausenblasenleim ist aufgrund der limitierten Fangquoten für diese Tiere sehr teuer.

Bei der Leimherstellung muss zwischen Knochen- (Glutin) und Knorpelleim (Chondrin) unterschieden werden, da beide unterschiedliche Haft- und Festigkeitseigenschaften aufweisen.

Das Rohmaterial wird entfettet und entmineralisiert. Durch anhaltendes Kochen werden die im Rohmaterial vorhandenen Kollagene gelöst und gehen unter Wasseraufnahme in Glutin über. Die Ausbeute ist relativ gering. Der Rohleim wird eingedampft und getrocknet. In den Handel gelangt der Leim in Form von Platten, Blättern, „Perlen“ oder auch als grobkörniges Pulver.

Verarbeitung

Der trockene Leim wird mit etwa der gleichen Menge Wasser übergossen. Er nimmt das Wasser binnen einiger Stunden auf und quillt. Der gequollene Leim wird dann im Wasserbad auf eine Temperatur von, 50-65° C gebracht und ggf. durch Zufügen von Wasser auf seine gewünschte Viskosität eingestellt, Angestrebt wird eine Viskosität, die Sirup oder dünnflüssigem Honig entspricht. Abgekühlter Leim kann wieder erwärmt und später erneut verwendet werden. Kühl und trocken aufbewahrt ist trockener Leim nahezu unbegrenzt haltbar und verwendbar. Auch das vorsichtige Erwärmen in der Mikrowelle hat sich bewährt.

Abgekühlte Leimreste sollten kühl aufbewahrt (z. B. im Kühlschrank), aber nicht gefroren werden. Das Schimmeln und andere Zersetzung kann so hinausgezögert werden. Auch ein geringer Zusatz von Ascorbinsäure oder Salizylsäure oder ein paar Tropfen Nelkenöl oder Spik-Lavendelöl wirkt konservierend. Ein Zusatz von Kaliumdichromat (giftig!) macht Glutinleim nach längerer Lichteinwirkung wasserfest. Zugabe von Formaldehyd (giftig!) oder anderen gerbend wirkenden Stoffen wie 10 % (auf Leim Trockengewicht gerechnet) Alaun macht Knochenleim nach der Aushärtung wasserfest. Zusätze von mehrwertige Alkoholen, Zuckern, Glycerin modifizieren die Elastizität[1]. Ein Zusatz von 5% konzentrierter Essigsäure führt dazu, dass der Leim länger auch bei niedrigerer Temperatur verarbeitbar wird.

Temperaturen von deutlich über 65° C zerstören den Leim durch Zersetzung des Glutins. Zu niedrige Verarbeitungstemperaturen haben Hautbildung und Zähigkeit zur Folge.

Geräte und Geräteteile aus Eisen und Buntmetallen können Leim verfärben und negativen Einfluss auf die Klebkraft haben. Gefäße sollten daher aus Glas, Porzellan oder Edelstahl bestehen. Leimpinsel sollen Zwingen aus Edelstahl aufweisen oder metallfrei gebunden sein.

Bei allen Verleimungen ist auf guten Formschluss der zu verleimenden Werkstücke zu achten. Eine Pressung ist erfahrungsgemäß nur über ca. 30 Minuten erforderlich. Danach sollten die verleimten Stücke nicht vor Ablauf von 24 Stunden beansprucht werden, sondern ruhen.

Warmleim oder Heißleim?

Die Bezeichnung „Heißleim“ ist für Glutinleime nicht richtig. Als Heißleime sind nur Klebstoffe auf Kunststoffbasis (Thermoplast) mit einem Schmelzpunkt zwischen 80 und 200 °C zu verstehen (sog. Schmelzklebstoffe). Typischer werden diese jedoch kurz Heißkleber genannt. Kaltleim ist Weißleim, eine Dispersion von Polyvinylacetat in (vor allem) Wasser als Dispersionsmittel.

Vor- und Nachteile von Glutinleimen

Die Klebkraft von Glutinleimen ist außerordentlich hoch. Beim Trocknen erfährt der Leim eine Schrumpfung, die die zu verleimenden Teile „zusammenzieht“. Die Leimung ist „reversibel“, d. h. unter Zuführung von Wärme und ggf. Feuchtigkeit kann sie wieder geöffnet werden, ohne dass Schäden an den Werkstücken entstehen. Besonders schnell können derartige Verleimungen mit Alkohol gelöst werden. Dies ist beim Bau und bei der Restaurierung von Musikinstrumenten von großer Bedeutung.

Nachteilig kann die kurze Verarbeitungszeit sein: Außerhalb des Wasserbades und am Leimpinsel kühlt der Hautleim sehr schnell ab und beginnt zu gelieren. Abhilfe schafft zügiges Arbeiten, Erwärmung der Werkstücke und eine Beimischung von Knochenleim etwa 1:1, weil dieser beim Abkühlen langsamer geliert und damit die Verarbeitungszeit verlängert. Bei der Verleimung von Filz oder Leder auf Holz, beispielsweise im Klavierbau, ist die kurze Verarbeitungszeit jedoch von großem Vorteil.

Fischleim kann auch kalt verarbeitet werden. Die offene Zeit ist relativ lange, die Werkstücke sollten jedoch eine entsprechende Zeit – am besten 24 Stunden – mit Zwingen zusammengepresst werden.

Die Erwärmung von Werkstücken gelingt am besten, wenn die zu verleimenden Flächen mit einem Heißluftgebläse (oder Haarföhn) erwärmt werden. Früher nutzte man Leimöfen, um Zinkplatten zu erwärmen, die dann auf großflächigen Möbelteilen den zuvor aufgestrichenen Glutinleim wieder verflüssigten und mit dem aufgelegten Furnier verbanden.

Glutinleime sind ursprünglich nicht wasser- und wetterfest und folglich vor allem für Anwendungen in Innenräumen geeignet. Durch die Beifügung von Kasein können Glutinleime jedoch auch wasserfest gemacht werden.

In feucht-warmer Umgebung kann Glutinleim schimmeln und wird dann auch von Schädlingen befallen.

Geschichtliche Hinweise zur Leimherstellung und -verwendung

Hinweise auf die Verwendung von Leim existieren bereits im Alten Ägypten. Man fand dort nicht nur verleimte Möbelstücke, sondern auch Inschriften und erhaltene Leimreste. Auch haben sich Wandgemälde erhalten, die die Verwendung von Leim in Tischlerwerkstätten zeigen, so z. B. im Grab des Präfekten Rekhmara von Theben (ca. 1475 v. Chr.) oder im Grab des Nebanon und des Ipuki (Oberaufseher der Bildhauer Thebens).

Die Griechen nutzten bereits in der Frühzeit Leim. Es lässt sich aber nicht mehr feststellen, ob sie die Leimherstellung selbst entwickelt hatten oder von den alten Ägyptern übernommen haben. Bereits Homer erwähnt die Nutzung von Leim in seinen Dichtungen. Später schreibt der griechische Philosoph Theophrast (371–286 v. Chr.) in seiner „Geschichte der Gewächse“ von der Holzverleimung. Natürlich zeugen auch die vielen Vasenbilder von der Kunstfertigkeit der griechischen Tischler.

Die Römer nutzten die gleichen Arten von Leim wie die Griechen, dies war wohl auch eine Folge der römischen Eroberung Griechenlands. So spricht Plinius der Ältere in seiner „Naturgeschichte“ von verschiedenen Leimarten und deren Herstellung.

Aus dem Mittelalter fand man einige Handschriften, die von der Leimherstellung berichten, so zum Beispiel eine Handschrift des Benediktinermönchs Theophilus Presbyter aus dem 11./12. Jahrhundert mit dem Titel „Abriss verschiedener Künste“.

Die Herstellungsweisen des Leims verfeinerten sich im Laufe der Zeit (so z. B. die Erfindung des Leimtiegels oder die Verbesserung der Rezepte und Herstellungsverfahren (Friedrich Seltsam)) und werden bis in die Gegenwart genutzt.

Beim Buchbinden wurde bis weit in das 20. Jahrhundert Glutinleim verwendet; inzwischen wurde er durch verschiedene schnell trocknende Leime (Kunststoff-Dispersionsleime) abgelöst. Da er nur im warmen Zustand verwendet werden kann, stand er den ganzen Tag in einem warmen Wasserbad was zu einem typischen Geruch (an Fleischbrühe erinnernd) in den Buchbindereien führte. Im Musikinstrumentenbau (Saiteninstrumenten-, Klavier- und Orgelbau) ist Knochenleim immer noch von Bedeutung. Im Geigenbau wird bis heute nahezu ausschließlich Knochenleim verwendet.

Sprachliches

Dass die Herstellung von Leim eine langwierige Arbeit war, erkennt man an der Redensart „arbeiten wie ein Leimsieder“ für jemanden, der sich für seine Arbeit übermäßig viel Zeit nimmt. Im südlichen deutschen Sprachraum (Bayern und Österreich) bezeichnet die Schmähung „Leimsieder“ („Loamsieder“, „Loamsiada“, etc.) einen langweiligen oder geistig langsamen Menschen.

Weblinks

Literatur

  • Steve Allely u. a.: Die Bibel des Traditionellen Bogenbaus. 4 Bände. Angelika Hörnig, Ludwigshafen 2003–2008, ISBN 3-9808743-2-X (Bd.1), ISBN 3-9808743-5-4 (Bd. 2), ISBN 3-9808743-9-7 (Bd. 3), ISBN 978-3-938921-07-4 (Bd. 4).
  • Uwe Baufeldt u. a.: Informationen übertragen und drucken. Lehr- und Arbeitsbuch für das Berufsfeld Drucktechnik. 13. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Beruf + Schule, Itzehoe 1998, ISBN 3-88013-560-6.
  • G. A. Buchheister, Georg Ottersbach: Handbuch der Drogistenpraxis. Ein Lehr- und Nachschlagebuch für Drogisten, Farbwarenhändler usw. 1. Band. 15. neubearbeitete und vermehrte Auflage. Springer, Berlin 1928.
  • Otto Lueger (Hrsg.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften. Band 6: Kupplungen bis Papierfabrikation. 2. vollständig neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart u. a. 1908, S. 127–131.
  • Fritz Wiese: Der Bucheinband. Eine Arbeitskunde mit Werkzeichnungen. 7. Auflage = Nachdruck der 6. ergänzten Auflage 1983. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 2005, ISBN 3-87706-680-1.

Fußnoten